Sleater-Kinney - Path of wellness

Mom + Pop / H'Art
VÖ: 11.06.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Wieder im Gleichgewicht

"Janetgate" sorgte im Juli 2019 für Furore und riss eine riesige Lücke in den Post-Reunion-Lauf von Sleater-Kinney. Die Pionierinnen und später Überlebende des Riot-Grrrl-Movements hatten seinerzeit durch die Liaison mit Annie Clark aka St. Vincent zum Art-Pop gefunden. Das schmeckte nicht allen, am wenigsten Ex-Drummerin Janet Weiss, die ihren Hut nahm und sich empört aus dem Staub machte. An Clark erinnern auf "Path of wellness" nun aber bloß noch ein paar auf dem Boden zurückgelassene Kleidungsstücke und der Lippenstiftabdruck am Badezimmerspiegel. Hat der Punk seine Heldinnen wieder? Das neue Album ist, pandemiebedingt, selbstproduziert und wurde ohne viel Brimborium veröffentlicht, als täte gerade Carrie Brownstein das aufdringliche "The center won't hold"-Marketing im Nachhinein leid. Vor allem aber ist es schnörkellos und mitreißend, und bringt das – Zitat Weiss! – geradezu telepathische Verständnis des Songwriting-Duos Corin Tucker/Brownstein vollständig zur Geltung.

Die Noise-Walze von "The woods" dröhnt noch dumpf irgendwo in der Ferne nach, am ehesten aber knüpft "Path of wellness" an das großartige "No cities to love" an und macht die Experimente dazwischen vergessen. "Worry with you" überführt die Indie-Poppigkeit von "The center won't hold" dennoch in das wiederentdeckte Krach-Korsett und beweist, dass sich Catchiness und Lärm bei Sleater-Kinney noch nie im Wege gestanden haben. Am Schlagzeug sitzt zwar nicht mehr die ikonische Weiss, arschtight auf den Punkt gespielt ist das Drumming, für das verschiedene Personen aus Portlands Indie-Schmieden gecastet wurden, aber allemal. Das Album beginnt reduziert mit einer durch die Gitarre imitierten Bassspur, bevor schnell die herrlich gegen den Strich gebürsteten, schrillen Licks einsetzen, die zum Markenzeichen der basslosen Band geworden sind. Von Synthies, Epik und den Industrial-Spuren des Vorgängers keine Spur. "The bees reappear like a second coming", prophezeit Bienenkönigin Tucker dazu bedeutungsschwanger im aufbrausenden "High in the grass". Sleater-Kinney wissen, dass sie wieder das machen, was sie am besten können. Und das Selbstbewusstsein steht ihnen ausgezeichnet.

"Could you be a little nicer to me? Could you try a little kindness maybe?" Im bissigen Anti-Liebeslied "Method" läuft Brownstein zur Höchstform auf und es gibt ein fast schon klassisches Solo zu hören. Im Anschluss zieht Tucker in ihrer "Shadow town" bis zu dessen melancholischem Outro nach. Im hibbeligen "Favorite neighbor" spielen sich dann beide die Bälle zu, vermutlich blind – man darf Weiss' Worten hier durchaus Glauben schenken. Ausufernde Steigerungen wie im trägen "Tomorrow's grave" leisten sich Sleater-Kinney trotz der Rückbesinnung auf ihr ursprüngliches Sound-Fundament weiterhin. Das Interlude "No knives", in dem sich beide hochsymbolisch als harmlose Hausfrauen präsentieren, die den Göttergatten ausnahmsweise noch nicht mit dem Steakmesser tranchieren, obwohl der es dreimal verdient hätte, bereitet bereits auf den Gender-Rollen-Abgesang vor, den "Complex female characters" dann zum Höhepunkt treibt. "You're too much of a woman now, you're not enough of a woman now" – wie es dem Herrn der Schöpfung gerade beliebt. Die Band hat also weiterhin alle Finger in der Wunde und untermauert mit Nachdruck, mit welchen Inhalten sie so wegweisend und wichtig geworden ist. "Bring mercy, bring love / No need to attend the people we were before": Sleater-Kinney haben ihre Mitte wiedergefunden.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Worry with you
  • Method
  • Complex female characters
  • Bring mercy

Tracklist

  1. Path of wellness
  2. High in the grass
  3. Worry with you
  4. Method
  5. Shadow town
  6. Favorite neighbor
  7. Tomorrow's grave
  8. No knives
  9. Complex female characters
  10. Down the line
  11. Bring mercy
Gesamtspielzeit: 38:57 min

Im Forum kommentieren

Armin

2021-06-27 19:25:30- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

doept

2021-05-11 22:17:32

Defintiv besser als das letzte Album, in der Tat. Mal sehen wie es auf Albumlänge klingt!

Aber das Fehlen von Drummerin Janet Weiss merkt man leider immer noch sehr, das war m.E. keine gute Entscheidung sie ziehen zu lassen.

fuzzmyass

2021-05-11 21:49:58

Jo, geht auch wieder etwas weg vom Sound der letzten Platte... die war zwar nicht übel, aber dennoch eine kleine Enttäuschung, da sie meine Erwartungen an eine Zusammenarbeit mit der fantastischen St. Vincent einfach nicht annähernd erfüllen konnte - war dann doch zu unspeltakulär...

Ralph mit F

2021-05-11 21:35:52

Das kommt überraschend!
Toller Song, toller Clip.

fuzzmyass

2021-05-11 21:11:21

Neues Album, 11.06.

Selbst produziert, neuer Song:
https://youtu.be/34XX_fg-R_4

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