Danny Elfman - Big mess

Anti / Epitaph / Indigo
VÖ: 11.06.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Denn wir sind viele

"Big mess"? Wortwörtlich. Danny Elfman trifft den Nagel auf den Kopf, und man fragt sich, was zuerst da war – die Musik oder der Albumtitel. Der renommierte Komponist, Oscargewinner und Best Buddy von Tim Burton steht natürlich für Abwechslungsreichtum, verlangt doch auch die Filmindustrie, sich immer neuen Inhalten anzupassen und in tausende Rollen zu schlüpfen. Elfman hat nicht nur die "Simpsons"-Titelmelodie, sondern auch Soundtracks für diverse Marvel-Blockbuster, große Hollywood-Dramen und für "Fifty Shades of Grey" entworfen. In den Achtzigern stand seine Band Oingo Boingo für theatralische Wave-Pop-Weirdness. Kommt es bei solch einer breiten Aufstellung überraschend, dass er zusätzlich noch eine Vorliebe für progressivere Metal-Geschichten und David Bowie mitbringt? Und beides schlüssig zusammenführen sowie mit allerlei anderen wahnwitzigen Einfällen kombinieren kann? Ay, caramba!

Schon der Anheizer "Sorry" präsentiert sich als eine einzige Klimax aus obskuren Riffs und Voice-Samples, die im Double-Bass-Geballer endet. Gerade Percussion-technisch wird auf "Big mess" mit schweren Geschützen geschossen, sodass sich der umtriebige Josh Freese (vormals u. a. teilzeitbeschäftigt bei A Perfect Circle) richtig verausgaben darf, und das nicht nur an einem Standard-Drumset. Auch im Unterwelt-Industrial von "True" funktioniert das zu schrägem Gitarrensolo und glammy Piano-Passagen ausgezeichnet. Die stimmliche Nähe von Elfman zu eingangs erwähntem Bowie, auch zu vernehmen im eklektischen Siebenminüter "Everybody loves you" und besonders im noisigen "Serious ground", ist geradewegs faszinierend. "Big mess" hat unendlich viele Gesichter.

Natürlich lässt der Exzentriker Elfman es sich darüber hinaus nicht nehmen, weitläufige Streicherlandschaften wie für viele seiner Filme zu entwerfen, die "We belong" und "In time" gut zu Gesicht stehen und eine gediegene, aber morbide Atmosphäre kreieren. Dreh- und Angelpunkt der groben Unordnung ist aber vielleicht "Happy" – hier sind Willy Wonkas Oompa Loompas in den Heavy-Metal-Topf gefallen, und der Maestro lässt sie unbeaufsichtigt herumwuseln. "Youth is wasted on the motherfucking youth!" Die meisten Stücke haben mehr als nur eine Schraube locker, und durch die Löcher im Schrank gelangen auch Jazz-Tupfer wie in "Dance with the lemurs" oder gesampelte Trump-Zitate im freidrehenden "Choose your side" auf "Big Mess", wo es schon bald zugeht wie bei Hempels unterm Sofa.

Die zweite Hälfte zeichnet sich durch vergleichsweise herkömmlichere Songs in einem groovigen Alternative-Metal-Gewand aus, das auch ein Serj Tankian auf Solopfaden abnicken würde – die aber trotzdem genügend Haken schlagen. Verse-Chorus-Schemata und sonstige Konventionen sind für einen Danny Elfman und seinen kaum in Strukturen zu zwängenden kreativen Geist natürlich nicht von Interesse, und das diabolische Streichorchester aus "Kick me" und "Get over it" pflichtet ihm bei. Als Rückbesinnung auf selige Oingo-Boingo-Tage feiert "Insects" ein Wiedersehen mit den Oompa Loompas, bevor das Album an dieser Stelle abrupt abbricht. Streckenweise ist Elfmans zweiter Soloausflug nach 37 Jahren unfassbar anstrengend, belohnt mutige Hörer*innen aber am laufenden Band. Bevor man sich der "Big mess" annimmt, sei aber geraten, sich mit Kompass, Machete und Proviant für mehrere Tage einzudecken – sollte man sich in den verrückten 18 Tracks schlussendlich doch einmal verlaufen.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • True
  • Everybody loves you
  • Choose your side
  • Happy
  • Kick me

Tracklist

  1. Sorry
  2. True
  3. In time
  4. Everybody loves you
  5. Dance with the lemurs
  6. Serious ground
  7. Choose your side
  8. We belong
  9. Happy
  10. Just a human
  11. Devil take away
  12. Love in the time of COVID
  13. Native intelligence
  14. Better times
  15. Cruel compensation
  16. Kick me
  17. Get over it
  18. Insects
Gesamtspielzeit: 72:18 min

Im Forum kommentieren

Robert G. Blume

2022-04-01 13:28:36

„Native Intelligence“ ist ziemlich geil. Hammermäßige Produktion.

Klaus

2022-04-01 13:14:53

Mit diesem Künstler müsste ich mich auch mal näher befassen. Die Referenzen passen ja komplett.

Hier gibts einen neuen Track mit Trent:

https://www.youtube.com/watch?v=7TNup9lbIpY

The MACHINA of God

2021-06-22 16:16:11

Gefällt mir, die Musik.

keenan

2021-06-11 09:35:18

bei dem albumcover musste ich direkt an tool´s musikvideos von stinkfist und schism denken...

Armin

2021-06-09 21:20:04- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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