Rise Against - Nowhere generation
UniversalVÖ: 04.06.2021
Ziegelsteine aus Watte
Nach Rise Against lässt sich bekanntlich die Uhr stellen. Und hier sind sie wieder. Den Backkatalog der Punk-Kombo aus Chicago kann man ja mal etwas aufdröseln: Nach der ungestümen Hardcore-Frühphase kam das Major-Debüt "Siren song of the counter culture", das den Präfix "Melodic" hochhielt. "Appeal to reason" umarmte den Pop-Punk ein bisschen offensichtlicher als sonst. Zuvor bereits hatte "The sufferer and the witness" den Blick etwas stärker ins Innere gerichtet und gilt im Freundeskreis des Rezensenten ein wenig als "das Emo-Album". Danach gab's dreimal die Mischung aus allem Genannten mit bis zum Anschlag ausgereiztem Stadion-Faktor und nur durchschnittlichem Gesamtergebnis. Letzteres war auch bei "Nowhere generation" zu befürchten, drückten Rise Against ihren Fans mit der Vorab-Single, dem Titeltrack, doch einen zwar maximal gefälligen, aber zu 100 Prozent Foo-Fighters-artigen Chorus auf die Ohren. Den man hingegen als mittleres Erdbeben im Band-Kosmos werten muss, weil die Amerikaner einmal nicht die Song-Schablone anlegen. Das reicht aber nur für ein leises Rauschen im Blätterwald, denn um ihre wie gewohnt aufstachelnden Texte an die Menschen zu bringen, verlässt das Quartett sich sonst weitestgehend auf Altbewährtes.
Wer aber ist nun genau die "Nowhere generation"? Politikverdrossene Wohlstandskids? Genau die hören Rise Against ja bekanntermaßen auch und haben der Band mit den Weg in den Arena-Mainstream geebnet. Aber wählen gehen sie in den Staaten halt nicht unbedingt. Nein, die "nowhere generation" sind vielmehr all jene, denen das antiquierte Konzept des American Dream durch harte Arbeit nicht mehr den Weg ins Gelobte Land verspricht – die Jüngeren, die sich von den Boomern weder verstanden noch überhaupt gehört fühlen. Rise Against rufen erneut zum Widerstand auf. In "The numbers" sind wir alle Pferde, die sich bitte nicht länger vor die Karren der Obrigkeit spannen lassen sollen. Neben der etwas unangenehmen Metaphorik bringt der Opener in stolzen fünf Minuten das zusammen, was man von Rise Against erwartet und gut findet: schneidende Riffs, eingängige Melodien, den deutlichen, aber nie mit erhobenem Zeigefinger vermittelten Appell. An die Vernunft und die Selbstbestimmung. Kennt man alles schon, weniger wichtig ist es aber auch in der noch frischen Post-Trump-Ära nicht geworden. Onkel Kapitalismus, soziale Ausgrenzung, die von Tim Mcllrath identifizierten Spielregeln des nichts außer Konformität zulassenden Systems – angesprochen wird weiterhin ausnahmslos Relevantes.
Womit wir bei der Verpackung wären, und die ist recht schlicht ausgefallen. Abgesehen von den beschriebenen Stücken liefert "Nowhere generation" keine Überraschungen. Das Geklampfe im Quoten-Lagerfeuerschunkler "Forfeit" ist nett, aber einfach unspektakulär verglichen mit dem Modern-Rock-Charakter von "Sooner or later", dem anderen teils ruhigeren Song. Der "Monarch" hingegen drückt ordentlich und überragt damit den Band-Standard von "Sudden urge" oder dem wahrscheinlich unbeabsichtigt selbstreferentiellen "Talking to ourselves". Möchten Rise Against überhaupt mit anderen sprechen als denen, die ihnen ihre Slogans ohnehin schon immer von den Wänden ihrer Echokammer zurückgeworfen haben und sich mit schneidenden Riffs, eingängigen Melodien und dem deutlichen Appell ohne Zeigefinger zufriedenstellen lassen? Neue Fangruppen generieren lässt sich mit "Nowhere generation" wohl eher nicht – im Backkatalog wäre Album Nummer neun vielleicht "die andere Pop-Punk-Platte", weil besonders der Titeltrack im Gedächtnis bleibt. Und den Revolutionen pro Minute hier keine wirklich scharfe Munition mehr an die Hand gegeben wird. Immerhin "Rules of play" peitscht wieder wie früher. Und fadet mit der Akustischen aus wie heute. Unterm Strich also: solide Punkrock-Platte! Mal wieder. Been there, done that.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The numbers
- Sooner or later
- Rules of play
Tracklist
- The numbers
- Sudden urge
- Nowhere generation
- Talking to ourselves
- Broken dreams, Inc.
- Forfeit
- Monarch
- Sounds like
- Sooner or later
- Middle of a dream
- Rules of play
Im Forum kommentieren
TruckOMat
2022-06-10 16:52:08
Heute kam ohne große Ankündigung eine 5-Song-EP raus:„Nowhere Generation II“
Mal reinhören…
Peacetrail
2022-01-18 07:46:58
Ist zwar nicht so ganz mein Genre, klingt aber nach ner ganz ordentlichen Bad-Religion-Platte. 6/10 kann ich nachvollziehen, die drei Highlights passen auch.
Dein Name
2021-06-14 22:52:12
@Hafen-Trulla
Bist nicht der Einzige.
Kann deine Wertungen fast 1:1 unterschreiben.
Lediglich die Wolfes (5,5/10) fand ich etwas besser als die Market.
Trotzdem nichts im Vergleich zur Pre-Endgame Ära
Die Hafen-Trulla
2021-06-12 03:19:27
The Unraveling -/10 kenne ich nicht
Revolution 8/10 noch sehr roh, aber tolle Melodien
Siren Song 9/10 perfekte Mischung von Melodie, Härte und Drive
The sufferer 8/10 jetzt wirds poppiger. Aber immer noch tolle Melodien
Appeal 2 reason 7/10 hier schleichen sich die ersten Füller ein, dennoch unterm Strich ein gutes Album
Endgame 6/10 ab jetzt kommt Schema F. Alles hörbar, aber irgendwie austauschbar mit 2-3 Ausreißern nach oben
Black Market 4/10 alle Songs gehen links rein und rechts wieder raus. Typisches "wir müssen ein Album rausbringen, um mal wieder zu touren"-Album ohne Stil und Standing.
Wolves 4/10 Wenn der einzige gute Track "breakdown" auf den früheren Alben bestenfalls untergegangen wäre, sagt das schon alles. Klingt wie eine Parodie einer Punkrockplatte.
Generation -/10 noch nicht ausgiebig gehört. Erstes Fazit: Genauso öde wie die 2 Vorgänger.
Fazit: Ich bin scheinbar der einzige, der den letzten 3 Platten nix abgewinnen kann, aber für mich klingen sie wie alle melodischen Bandklassiker in einen Mixer minus Härte, aber ganz viel popsauce. Wollen scheinbar viele hören, ich gehöre nicht dazu.
hubschrauberpilot
2021-06-11 20:47:53
Fand die Alben davor stärker, dieses hier ist absoluter Einheitsbrei. Gehe mit der PT-Wertung von 6/10 mit. Weder High- noch Lowlights.
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