Garbage - No gods no masters

Stunvolume / Infectious / BMG / Warner
VÖ: 11.06.2021
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die Gretchenfrage

Die Suche nach einer übernatürlichen Antwort auf die zahllosen Fragen des Menschseins treibt die Leute schon seit Urzeiten in Klöster, das Zölibat oder den Drogenrausch, und die Verfechter diverser Lager haben sich ununterbrochen in den Haaren. Gibt's denn jetzt einen Gott und, wenn ja, wie viele? Und wessen ist denn nun der einzig richtige? Garbage und Shirley Manson stellen auf ihrem siebten Album gleich mehrere Thesen auf, um diesem komplexen Thema auf den Grund zu gehen, obwohl sie sich seit jeher gegen Autoritäten eigentlich eher sträuben. "No masters or gods to obey", tönt daher zwar der angenehm treibende Titeltrack mit Achtziger-Einschlag noch souverän. Gerade aber, um sich die jüngsten Gewaltausbrüche auf Erden zu erklären, wäre es doch willkommen, wenn man einer ignoranten oder zumindest abwesenden Allmacht die Schuld in die Schuhe schieben könnte. Wie man es also mit der Religion so hält, zieht sich als roter Faden durch das Album. Den einzuweben gelingt der Band leider nicht immer so überzeugend wie in der windschiefen Wiedergutmachungs-Hymne "Wolves".

Die Hauptfigur in "Waiting for God" schaut nervös auf die Uhr, wo der Schöpfer denn bleibt, "while black boys get shot in the back". "The men who rule the world" zumindest haben die ungerecht verteilte Kohle zu ihrem Gott erklärt, die direkt mit einem freundlichen "Ka-ching!" im Flipperautomaten landet. Das zweite (Teil-)Konzept auf "No gods no masters" – allein der Titel ist der englischen Anarchistenbewegung entliehen und als Slogan auch in feministischen Kontexten beliebt – ist Gesellschaftskritik mit dem Brecheisen. Im Opener klingen Garbage dazu wie die Geht-so-aber-günstig-Variante von The Kills mit dem ungelenken Text einer punkaffinen Schülerband. Die drei amerikanischen Herren um Butch "Nevermind" Vig und die schottische Dame wollen auch in ihrem fast dreißigsten Karrierejahr Neues ausprobieren. So richtig glatt aber geht die Gesamtrechnung nicht auf, auch wenn Garbage ihren schon immer unterkühlt-artifiziellen Alternative-Elektro-Rock stellenweise auf wirklich mutige Art und Weise verrenken und, wie schon auf "Strange little birds", vermehrt mit langsameren TripHop-Elementen unterfüttern.

"Anonymous XXX" schießt leider mit seinen Bläserfanfaren im Synth-Sturm beim nächtlichen Parkplatz-Cruising übers Ziel hinaus. "Samba de Janeiro" in der Matrix. "Godhead" hingegen ist ein amelodischer, aber fähiger Industrial-Stampfer erster Trent-Reznor-Güteklasse, während Manson fantasiert, welche Macht ihr wohl ein stattlicher Penis verleihen würde: "Call me a bitch / I'm a terrorist / If I had a dick / Would you blow it?" Das Horrorfilm-mäßige "A woman destroyed" wirft die Frage auf, mit welchen Gestalten die Chanteuse nochmal ihren Nachnamen teilt, denn nachts kommt sie Dich holen. Als Gegengewicht dazu soll "Flipping the bird" laut Selbstauskunft leichtfüßig wie Liz Phair daherkommen, kann aber einem fluffigen Popper aus der eigenen Schmiede à la "We never tell" von vor fünf Jahren nicht das Wasser reichen.

Vielleicht haben sich Manson und ihre Jungs mit der gewollten inhaltlichen Schwere übernommen. Aus dem Mund der Frontdame wirken andere Themen einfach überzeugender als die leicht grobschlächtige Kirchen- und Kapitalismuskritik, die sie sich hier pflichtschuldig und zeitgeistbewusst vornimmt. Früher war Manson immerhin bloß das "Stupid girl", dachte, sie sei paranoid, oder konnte sich einfach nicht erklären, warum sie geliebt wird. Introspektion wie in "The creeps" kauft man ihr daher eher ab, vor allem, weil auch dieser Song schmissiger daherkommt als vieles andere auf "No gods no masters". Die Platte schickt zwar einiges an kuriosen Sounds und Gimmicks ins Rennen, diese werden aber manchmal eher zu Ballast, anstatt den Songs zu dienen. Auf der Habenseite: Stimmlich ist natürlich alles wie immer meisterlich, und wenigstens produzieren Garbage keine staubige Neunziger-Nostalgie um des bloßen Selbstzwecks willen. Vielleicht hätte man 2021 aber gerade die von ihnen eher hören wollen.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wolves
  • Godhead
  • No gods no masters

Tracklist

  1. The men who rule the world
  2. The creeps
  3. Uncomfortably me
  4. Wolves
  5. Waiting for God
  6. Godhead
  7. Anonymous XXX
  8. A woman destroyed
  9. Flipping the bird
  10. No gods no masters
  11. This city will kill you
Gesamtspielzeit: 46:07 min

Im Forum kommentieren

Corristo

2021-09-04 17:16:35

Garbage waren schon durchaus innovativ. Öfters mal mit irgendeiner Mischung aus Alternative Rock und elektronischen Beats, was ihnen in den guten Momenten aber auch ganz gut gelingt. Wahrscheinlich kein Wunder bei drei Produzenten in der Band. Gleichzeitig hat es alles natürlich irgendwo so einen 90er Vibe, bis hin zu den Texten. Was mich jetzt allerdings nicht stört.

AliBlaBla

2021-09-04 11:13:18

@Corristo
Ich sach mal Sorrrrrrrry, da ich das sehr angestoßen habe, ..manchmal läuft es nebenbei etwas "aus dem Ruder", ..trotzdem passt GARBAGE dazu auch, eine doch eher typische 90er Band (vom Sound her)..
Versuche Besserung , fürs Gelobigen reicht es nich, also die Schwere des Vergehns............ ;)

Corristo

2021-09-03 17:08:46

Unglaublich, ich glaube ab Seite 2 wurde außer meinem Post nur eine OT-Diskussion geführt. :D So schlecht ist das Album nun auch nicht, dass der Thread so etwas verdient hätte. Eigentlich gehört das verschoben in irgendeinen Thread zum Thema Musikjahrzehnte oder sowas.

The MACHINA of God

2021-09-01 16:16:03

:)

AliBlaBla

2021-09-01 15:57:56

Also Appell gehört, Appell verstanden, werde da noch in die (Un-) Tiefen der 90er hinabsteigen, bzw in die Himmel hinauf fahren, und bin euch für Hinweise dankbar.. die 80er waren halt The Cure, Siouxsie&The Banshees, The Jesus&Mary Chain, Cocteau Twins, The The, Talk Talk, Pixies, Einstürzende Neubauten und so Zeugs, das ich liebe..
Zu den 90ern habe ich natürlich auch Bezüge, die Hamburger Schule, WILCO (!), Blur, Pulp, Oasis, Supergrass...
Ich höre euren Appell wohlwollend, echt.

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