
Rostam - Changephobia
Matsor / CargoVÖ: 04.06.2021
Die Hängematte am Ende des Universums
Will er uns eigentlich auf den Arm nehmen? Im Laufe der 2010er-Jahre hat sich Rostam Batmanglij zweifelsfrei als einer der rastlosesten Künstler der Indie-Szene etabliert. Nebst drei Alben mit seiner Längst-Ex-Band, diversen Kollabos und Solo-Veröffentlichungen unter seinem Vornamen hat der Vampire-Weekend-Mitbegründer mittlerweile über 30 Produktions- und Writing-Credits für andere Acts von Carly Rae Jepsen über Solange bis Frank Ocean angesammelt. Allein in den dreieinhalb Jahren seit dem Solo-Debüt "Half-light" fielen darunter seine bislang umfänglichsten Regler-Jobs für Clairo und Haim, während er fast nebenbei den Nachfolger aufnahm und – einer in der jüngeren Vergangenheit immer häufiger vorkommenden Unart folgend – die Hälfte davon vorab veröffentlichte. Und nun nennt Rostam, der die Wörterbuchseite mit dem Lemma "Stillstand" sicher schon längst verbrannt hat, jene zweite Platte allen Ernstes "Changephobia"?
Nun, vielleicht ist der Titel doch nicht so abwegig. Wenn der 37-Jährige mit frühlingswarmer Stimme über die akustischen Saiten des Openers "These kids we knew" gleitet, bis ein Sonnendeck-Solo durch den Song schneidet, wirkt das ganz so, als wäre er an seinem Sehnsuchtsort angekommen. Die Grundkoordinaten seines Soul-Pop haben sich wenig verändert, doch wirkt alles gemächlicher als zuvor und zeigt weniger Drang, den Wohlklang mit obskuren Sounds zu konterkarieren. Was nicht heißt, dass Rostam nicht immer noch reizvoll arrangiert: Man höre etwa wie "From the back of a cab" verquere Pistolen-lade-Beats mit klaviergestütztem Schmachtgesang koppelt. Der vertonte Roadtrip von "4runner" sammelt indes eine Mundharmonika am Straßenrand auf, bremst vor der Zielgeraden kurz ab und verschwindet immer kleiner werdend am Horizont – und klingt nebenbei ein bisschen so, als hätte Blood Orange einen The-War-On-Drugs-Song geschrieben.
Trotz solcher Schnörkel ist "Changephobia" ein im besten Sinne dösiges Album. Ob das Titelstück entspannt vor sich her nickt oder "To communicate" auf seinen Synth-Wolken ins Nichts mäandert – Rostams Tracks wollen überhaupt nicht zackig zum Punkt kommen und machen damit alles richtig. Zuweilen erzeugt die Platte gar eine entrückte Jazz-Bar-Stimmung, wenn etwa "Bio18" mit von Hand gespielter Percussion, Kontrabass und Piano die Zeit anhält. Dazu trägt auch ein präsentes Saxofon bei, das nicht nur die inzwischen absenten Streicher entschuldigt, sondern auch den Schlafzimmer-Streichler "Unfold you" prägt und in eine wundervoll nachtwandlerische zweite Hälfte überführt. Der gut aufgelegte Holzbläser leitet ebenso markant in den perfekt platzierten Mini-Ausbruch von "Kinney" ein: Hier scheint Rostam seinem Drumcomputer virtuelles Aufputschmittel injiziert zu haben und lässt die Gitarren in unerwartet noisiger Manier freidrehen.
Im Gegensatz zu "Half-light" lässt der Washingtoner hier zudem die skizzenhaften Zwischenstücke größtenteils weg, was den Fluss und die Bekömmlichkeit des Albums fördert. Dass die konsequente innere Ruhe dabei nicht mit Oberflächlichkeit oder Langeweile einhergeht, beweist vielleicht kein Song so gut wie "Next thing": Dessen eleganter Tasten-Groove nimmt so manchen Richtungswechsel samt plötzlicher Chor-Einlage vor, ohne dabei den relaxten Gestus zu verlieren. Wenn die kosmische Abschlussballade "Starlight" dann noch synthetische Kometenschauer mit ganz erdnaher Intimität verknüpft, treibt man bewegungslos gar bis ans Ende des Universums. Dass Rostam Batmanglij trotz irreführender Albumtitel sicherlich keine Angst vor Veränderungen hat, bewies er in seiner Karriere schon zur Genüge. Da hat er es sich redlich verdient, seine subtilen Pop-Miniaturen mal bequem in der Hängematte liegend zusammenzuspinnen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Unfold you
- Kinney
- Next thing
Tracklist
- These kids we knew
- From the back of a cab
- Unfold you
- 4runner
- Changephobia
- Kinney
- Bio18
- [Interlude]
- To communicate
- Next thing
- Starlight
Im Forum kommentieren
Armin
2021-05-26 21:08:11- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2021-05-05 14:21:22- Newsbeitrag
Rostam veröffentlicht mit "From The Back Of A Cab“ eine neue Single seines neuen Albums „Changephobia“, das am 04. Juni erscheinen wird. Für das begleitende Musikvideo konnte das ehemalige Vampire Weekend-Mitglied eine illustre Runde an Gästen gewinnen. So sind u.a. Charli XCX und Huck Kwong, HAIM, Samantha Urbani, Seth Bogart, Remi Wolf, Ariel Rechtshaid und viele weitere zu sehen.
ROSTAM - FROM THE BACK OF A CAB (Musikvideo)
&
Armin
2021-04-07 18:42:43- Newsbeitrag
Rostam war einst Gründungsmitglied von Vampire Weekend und produzierte deren ersten drei Alben, wofür er unter anderem mit einem Grammy ausgezeichnet wurde. Am 04. Juni 2021 veröffentlicht der amerikanische Musiker sein neues Soloalbum „Changephobia“. Heute veröffentlicht Rostam den gleichnamigen Titelsong daraus. Seht hier das Lyric Video dazu:
ROSTAM - CHANGEPHOBIA (Lyric Video)
Armin
2021-03-03 11:26:39- Newsbeitrag
Rostam war einst Gründungsmitglied von Vampire Weekend und produzierte deren ersten drei Alben, wofür er unter anderem mit einem Grammy ausgezeichnet wurde. Am 04. Juni 2021 veröffentlicht der amerikanische Musiker sein neues Soloalbum "Changephobia". Bereits heute erscheint die neue Single daraus, "4Runner".
Berlin, 03.03.2021
Auch nach seinem Ausstieg bei Vampire Weekend, deren ersten drei Alben Rostam Batmanglij produzierte und maßgeblich prägte, wurde es nicht ruhiger um den amerikanischen Songwriter, Sänger und Produzenten. 2017 veröffentlichte Rostam sein vielbeachtetes Solodebüt "Half-Light". Wenig später produzierte und schrieb er mit und für die amerikanische Sängerin Clairo Musik für deren Debütalbum "Immunity". Aktuell ist Rostam wieder für einen Grammy nominiert, für seine Produktion des aktuellen Albums der Band Haim, "Women in Music Pt. III". Dazwischen fand Rostam in den letzten drei Jahren immer wieder Zeit neue Songs für sein kommendes Album "Changephobia" zu schreiben und aufzunehmen. Auf dem neuen Werk experimentiert der Musiker mit neuen Sound-Landschaften, beeinflusst von 50er Jahre Bebop und 90er Jahre Neo-Psychedelia.
Inhaltlich streift Rostam auf "Changephobia" unter anderem Themen wie die globale Erderwärmung ("These Kids We Knew"), Sex ("Unfold You") und das uramerikanische Phänomen des Road Trips ("4Runner"). Angesprochen auf den Albumtitel verrät Rostam: "Vor ein paar Jahren traf ich eine fremde Person auf einer Parkbank und wir kamen ins Gespräch. Ich öffnete mich und erzählte von einigen Änderungen in meinem Leben, die meinen Lebenslauf erheblich auf den Kopf stellten." Die Person ermutigte Rostam, dass Veränderungen gut sind und er an diesen festhalten solle.
"Transphobie, Biphobie, Homophobie - diese Worte tragen eine schwere Gefahr in sich", fährt Rostam fort. "Diese Gefahr, dass diese Worte Ängste beschreiben. Die Wurzeln des Ganzen ist die Angst vor Veränderungen. Die Angst vor dem Ungewissen, vor einer Zukunft, die noch unbekannt ist. In der sich Tradition, feste Definitionen und die Verteilung von Macht verändern wird."
Gender-Fragen waren allgegenwärtig für Rostam beim Schreiben von "Changephobia". "Ich wollte über Liebe und zwischenmenschliche Verbindungen schreiben, aber diese Beziehungen nie in einen gegenderten Kontext setzen", erzählt Rostam. "Die Lieder auf 'Changephobia' sollen nicht die Angst vor Veränderungen feiern, sondern das genaue Gegenteil."
"Changephobia" von Rostam erscheint am 04. Juni 2021 via Matsor Projects/Secretly Canadian im Vertrieb von Cargo.
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