The Vintage Caravan - Monuments
Napalm / UniversalVÖ: 16.04.2021
Too young to rock?
Nein, eigentlich soll an dieser Stelle nicht noch einmal das Fass mit der Aufschrift "Wie authentisch sind Greta Van Fleet?" aufgemacht werden. Doch egal, wie man zu dem (für manche Kritiker zu arg) eklektischen Classic Rock der Amerikaner stehen mag, eines haben die vier Jungspunde überdeutlich gemacht: Man ist nie zu jung für Retro-Sound. Das perfekte Beispiel dafür ist allerdings nicht der Vierer aus Michigan, sondern The Vintage Caravan. Denn die Isländer sind zwar in der gleichen Altersgruppe, datieren ihre ersten musikalischen Gehversuche allerdings schon auf das Jahr 2006 zurück, als Sänger Óskar Lobi Ágústsson gerade einmal 12 Jahre alt war und eher den Stimmbruch als nächstes Projekt betrachten durfte statt einer Platte. Und deshalb sonnen sich die einen im Hype, während die anderen mit "Monuments" ihr fünftes Album präsentieren. Ungerecht? Das mag jeder für sich beurteilen.
Denn der große Vorteil, wenn man nicht durch jedes denkbare Medium gezerrt wird, liegt auf der Hand: Man kann unbeirrt von äußeren Einflüssen sein Ding durchziehen. Und genau deshalb wirkt "Monuments" von der ersten Sekunde an organisch, so selbstbewusst, wie man eben beim fünften Album sein kann, aber gleichzeitig noch so unbekümmert, dass die Spielfreude jederzeit spürbar ist. Der spacerockige Einstieg "Whispers" schlägt den ersten Pflock ein, begeistert mit schönem Groove und einer grandiosen, luftigen Produktion, die in der Folge dem filigranen Intro von "Crystallized" sehr gut zu Gesicht steht. Ein Song übrigens, der mit zunehmender Dauer und nach Umweg über einen feinen Ohrwurm-Refrain in eine feine Jam-Passage eskalieren darf. Und dabei doch mit doppelbödigen Lyrics die Melancholie der Heimat wunderbar einfängt.
Ganz ohne Hintergedanken darf dann "Can't get you off my mind" genossen werden. Denn hier ist der Refrain der Star, wenn Ágústsson ohrwurmt: "I'm going crazy but that's nothing new because / I can't get you off my mind / I can't leave it all behind / So what am I to do?." Selbst die Ballade "This one's for you" wirkt nicht etwa wie als Füllmaterial eingeschoben, sondern überzeugt durch betont leise, zurückhaltende Instrumentierung, während Ágústsson ganz ohne Drama auskommt. Dem gegenüber fällt die zweite Hälfte des Albums verspielter, ja bisweilen experimenteller aus. "Sharp teeth" zum Beispiel ist so gar nicht retro, sondern präsentiert einen bissigen Groove, dessen Riffs nicht etwa an die sonst überall gegenwärtigen Jimi Hendrix und Rory Gallagher, sondern zart an Tom Morello erinnern. So kann man Tradition und Moderne also auch verbinden.
Verspielt ist diese zweite Hälfte aber auch durch "Forgotten" und "Clarify", die mit ihren jeweils über acht Minuten Spielzeit zeigen, dass "retro" und "progressiv" nur linguistisch widersprüchlich sind. Gerade "Forgotten" sprüht trotz – oder vielleicht gerade wegen? – seiner düsteren Lyrics vor positiver Energie, wuchert mit wunderbaren Instrumental-Passagen, die gerade rechtzeitig wieder eingefangen werden, bevor sie in Frickeleien ausarten. "Clarify" hingegen beginnt balladesk, bekommt dann aber die Zeit, sich zu einem würdigen Abschluss der Platte aufzubauen. Natürlich sind auch The Vintage Caravan formvollendete Jäger und Sammler, immer auf der Suche nach neuen Ideen und Einflüssen, die sie in ihren Sound integrieren können. Dass sie dabei diesen Eklektizismus nicht vor sich hertragen, sondern dezent verstecken, macht das Ergebnis nur überzeugender. Den zwangsläufigen Vergleich mit Greta Van Fleet, deren wahrlich nicht schlechtes Album "The battle at garden's gate" zufälligerweise am selben Tag erschien, können die Isländer jedenfalls für sich entscheiden. Und das ganz ohne Hype.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Can't get you off my mind
- Dark times
- Forgotten
- Clarify
Tracklist
- Whispers
- Crystallized
- Can't get you off my mind
- Dark times
- This one's for you
- Forgotten
- Sharp teeth
- Hell
- Torn in two
- Said & done
- Clarity
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Grizzly Adams
2023-08-21 21:42:31
Ups. Einen vergessenen Wortwechsel in diesem Thread wiedergefunden. ;-)
Finde das Album richtig stark. Natürlich Retro. Natürlich alles schon mal dagewesen. Aber wunderbar vorgetragen. Hab’s, glaube ich, seit meinem letzten Post von 05/21 nicht gehört. Gefällt aber immer noch oder wieder richtig gut. 8/10
Grizzly Adams
2021-05-06 21:36:22
Oh. Das hab ich gar nicht mitbekommen. Das muss ich natürlich ebenfalls anhören.
Solltest du vielleicht auch im Welches Album hört ihr grad und... Thread posten. Da gehört es nämlich eher hin. ;-)
kingbritt
2021-05-06 21:33:30
. . . morgen kommt ein Remix-Album ("brillanten Verwirklichung als lebendige Neuinterpretation") von den GoGo Penguin's raus "GGP/RMX". Da bin ich ja auch gespannt wie die Meinungen so sind. Also auf ein Neues.
dreckskerl
2021-05-06 21:30:26
dito.
kingbritt
2021-05-06 21:29:05
. . . von meiner Seite auch alles gut. Konstruktiv kontrovers ist die Grundlage für so ziemlich vieles im Leben. ^^
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