Matt Sweeney & Bonnie 'Prince' Billy - Superwolves
Drag City / Domino / GoodToGoVÖ: 30.04.2021
Korrespondenzen
Von "singulären Stimmen" ist dieser Tage ja häufig die Rede, doch gibt es wohl wirklich kaum jemanden in der Musikwelt, auf den dieses Prädikat eher zutrifft als Will Oldham aka Bonnie 'Prince' Billy – und das im ganz wörtlichen Sinne. Sein unverkennbares, inzwischen weniger wackeliges Timbre und die grotesk gegen den Strich gebürstete Eloquenz findet man wohl nirgendwo sonst. In seiner weitverzweigten Diskographie mangelt es nicht an Eigenheiten, Überraschungen und verborgenen Schätzen, die sich auch noch hinter diversen Heteronymen verbergen. Und trotz all der Idiosynkrasien zieht sich durch Oldhams Schaffen stets die Lust an der Zusammenarbeit. Zuletzt schienen in der Flut an Veröffentlichungen ein wenig die herausragenden Momente unterzugehen, die düster-zerschossenen Meisterwerke und funkelnden Folk-Kleinode der Vergangenheit wichen einer gemütlicheren Grundstimmung. Warum klingt also die Ankündigung von "Superwolves" darin wie ein unverhoffter Glockenschlag?
Das hängt nicht zuletzt mit Oldhams Weggefährten zusammen. Vor 16 Jahren trafen er und Gitarrentüftler Matt Sweeney nämlich zum famosen ersten Duett auf "Superwolf" – damals noch im Singular – zusammen: Die erdigen Songs und abgründigen Minidramen der Texte verbanden sich schnell zu einem Highlight beider Karrieren. Neben dem nur vermeintlichen Individualisten Oldham tritt Sweeney als Kollaborateur par excellence auf, der mit seinem distinkten Sound – rhythmisch präzise, bluesig, psychedelisch, kraftvoll und filigran zugleich – inzwischen so heterogene Interpreten wie Run The Jewels, Stephen Malkmus und Neil Diamond begleitet hat. Über einen längeren Zeitraum korrespondierten Oldham und Sweeney immer wieder gegenseitig mit Text- und Melodieschnipseln, gaben dem Album Raum zur Entwicklung. Die meisten Lieder brauchen ohnehin nicht mehr als Oldhams eindringlichen Gesang und mehrere Gitarrenspuren, um einen tiefen Eindruck zu hinterlassen. "Superwolves" knüpft also nicht nur namentlich an seinen Vorgänger an.
Während "Make worry for me" als angespannter Blues-Rock begrüßt, der zu einer mächtigen Klimax anschwillt, und "Hall of death" sich beschwingt seinem mikrotonalen Touareg-Groove hingibt – Mdou Moctar und Ahmoudou Madassane sind zwei der raren Gäste des Albums –, bringen die meisten Stücke Oldhams Erzählungen nämlich eher mit reduzierten Mitteln zur Geltung. "Make constellations with our song", fordert er in seiner wundersam anrührenden Version der Arche Noah ("Shorty's Ark") und in der Tat wirken auch Gesang und Gitarre wie ein fein ausgearbeitetes Geflecht. Das Herzstück des Albums bildet das sechsminütige "I am a youth inclined to ramble", das – formal angelehnt an eine traditionelle irische Ballade, die nach und nach ornamental aufgebrochen wird – existentielle Sorgen in ihrer Zeitlosigkeit ausstellt: Es geht um Abschied, Aufbruch und die Zurückgelassenen. Vor allem in der zweiten Hälfte werden die gelegentlichen psychedelischen Gitarrengewitter dann abgelöst von einer ätherischen Reinheit, in der sich ein bewegender Moment an den anderen reiht. "My popsicle" kommt mit seiner bedrückenden Melodie wie eine rätselhafte Andeutung daher, das akustische "My blue suit" strahlt eine so verletzliche Schönheit aus, das es fast auseinanderzufallen droht und "You can regret what you have done" erinnert lyrisch an Oldhams Freund David Berman, indem es seine titelgebende Idee je neu umkreist und dabei schmerzhaft Klischees dekonstruiert. Mitunter wirkt es in diesen kurzen Songs fast, als stünde die conditio humana höchstselbst nackt Modell vor den beiden Künstlern, so scharfsinnig und doch intim formulieren sie ihre Einsichten.
Um den ästhetischen Ansatz seines Gitarrenspiels und seiner Harmoniegesänge auf dem Album zu erklären, greift Sweeney zu einer Metapher: Wie der Becher zum Wein, so solle sich seine Musik zu Oldhams Worten verhalten. Vielleicht sei der Wein aber auch Blut. Treffender lassen sich die wagemutigen und vieldeutigen Korrespondenzen der beiden Superwölfe wohl kaum pointieren.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Make worry for me
- My popsicle
- My blue suit
- You can regret what you have done
Tracklist
- Make worry for me
- Good to my girls
- God is waiting
- Hall of death
- Shorty's ark
- I am a youth inclined to ramble
- My popsicle
- Watch what happens
- Resist the urge
- There must be a someone
- My blue suit
- My body is my own
- You can regret what you have done
- Not fooling
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Armin
2021-04-21 20:30:22- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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