Greta Van Fleet - The battle at garden's gate

Republic / Lava / Universal
VÖ: 16.04.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Okay, Boomer

Hui, Mr. Wilson, warum so ungehalten? Anscheinend ist die ansonsten für ihren Sachverstand und ihre Musik hochgeschätzte Prog-Ikone Steven Wilson kein Fan von Greta Van Fleet, der wohl am heißesten gehypten Newcomer-Band der jüngeren Classic-Rock-Geschichte. Was war überhaupt passiert? 2019 bezeichnete Wilson die Band aus Michigan im Podcast "myROCK" als "piss-poor third-rate impersonation of Led Zeppelin" und legte 2020 im Interview mit dem "Classic Rock"-Magazin nochmal nach: Greta Van Fleet verdankten ihren Erfolg nur der Plattenfirmen-Maschinerie und seien ansonsten eine "embarrassing sort of Take-That-meets-Led-Zeppelin"-Parodie. Autsch. Nun sind gewisse Nähen der jungen Truppe zu Led Zeppelin unüberhörbar, doch es ist ausgerechnet deren Frontmann, der hier das notwendige Maß an Souveränität zeigt. "Beautiful little singer. I hate him", so Robert Plant augenzwinkernd im Interview mit Loudwire, und: "He borrowed [his voice] from somebody I know very well, but what are you going to do? At least he's got a bit of style, because he's said he based his whole style off Aerosmith."

Nun musste Wilson für seinen Diss einen gehörigen Shitstorm einstecken, doch in einer Sache ist dem Briten durchaus recht zu geben: Natürlich müssen Greta Van Fleet schon mit ihrem zweiten Album "The battle at garden's gate" zeigen, dass sie mehr Substanz haben als die Huldigung eben jener Großmeister, auch wenn gegen eine gute Portion Eklektizismus nun weiß Gott nichts einzuwenden ist. Doch auch, wenn die Platte wie schon das Debüt unüblicherweise mit balladesken Sounds beginnt, wirkt der Vergleich zu Led Zeppelin zunächst einmal weit hergeholt. Es dauert bis zum fünften Track, bis endgültig klar ist, welche Band hier immer wieder in den Sinn kommt: Das sind nämlich überraschenderweise Rush. Wer das nun partout nicht glauben mag, der möchte bitte zunächst das Debüt der Kanadier von 1974 oder den Zweitling "Fly by night" hören und im Anschluss mit dem Aufbau von "The heat above" oder "My way, soon" vergleichen. Und mit "Age of machine" zeigen die unlängst nach Nashville umgezogenen Youngster, dass sie wie selbstverständlich Classic Rock mit ausufernder Epik zu mischen imstande sind, indem sie einen vermeintlich ruhigen Beginn in einen immer ekstatischer werdenden Solopart eskalieren lassen.

Doch natürlich bleiben die Zeppelin-Referenzen im Sound erhalten. "Broken bells" ist zum Beispiel eine zauberhaft-entrückte Ballade, die zu einem wahrhaft großen Finale wächst – man mag sich gerne vorstellen, wie es klänge, wenn Jake Kiszkas kleines Akustikgitarrensolo von Jimmy Page auf dem Zwölfsaiter zelebriert worden wäre. Tja, und "Built by nations" klingt dann in der Tat wie ein Extrakt aus den ersten drei Alben der britischen Rocklegende – die im Grunde ja seinerzeit auch nicht organisch gewachsen, sondern strenggenommen von Page nach dem Ende der Yardbirds zusammengecastet worden ist und das große Glück hatte, mit Ahmet Ertegün und Peter Grant ein brillantes Management im Rücken zu haben. So viel also zu Wilsons Fundamentalkritik.

Das Beste haben sich Greta Van Fleet allerdings für den Schluss aufgehoben. Das heißt, nach dem seltsam hippiesken "Trip the light fantastic", was exakt wie ein solcher klingt und sich so gar nicht in den Fluss des Albums einfügen mag. Fast neun Minuten lang ist "The weight of dreams", und es gerät zum geradezu orgiastischen Höhepunkt. Minutenlang nimmt sich die Band die Zeit, einen Spannungsbogen aufzubauen, um sich dann schwelgerisch in einem finalen Instrumentalpart förmlich zu suhlen. Das ist so Seventies wie nur was, eklektisch as fuck, aber es ist verdammt noch mal authentisch, wie diese jungen Burschen diese Musik geradezu zelebrieren. Und dann ist es am Ende vollkommen egal, ob das nun von Led Zeppelin oder wem auch immer zusammengeklaubt wurde. Vielleicht machen Greta Van Fleet deshalb tatsächlich "Classic Rock für Millennials", wie mancherorts zu lesen war. Aber wenn dem so ist, dann bedienen sie sich mit großem Respekt und viel Liebe zum Detail bei der Musik der Boomer. Auch, wenn manche Platzhirsche der Szene das womöglich anders sehen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The heat above
  • Broken bells
  • Age of machine
  • The weight of dreams

Tracklist

  1. The heat above
  2. My way, soon
  3. Broken bells
  4. Built by nations
  5. Age of machine
  6. Tears of rain
  7. Stardust chords
  8. Light my love
  9. Caravel
  10. The barbarians
  11. Trip the light fantastic
  12. The weight of dreams
Gesamtspielzeit: 63:34 min

Im Forum kommentieren

kingbritt

2021-04-18 11:14:53


. . . wieder mal ein puhhhh, ja, na ja, ich weiß nicht so recht. Der kleine Sänger mit dem pubertären LedZep Timbre nervt auf Dauer ebenso wie die gestelzten Gesten ihrer großen Vorbilder. Ist ja nicht schlecht, aber wenn ich da dauernd nur an die Originale denken muß höre ich die auch besser gleich, als die Kupferparty hier.

Eurodance Commando

2021-04-17 18:28:10

Wäre der Ausdruck "stets bemüht" eine Band, dann diese hier.

Earl Grey

2021-04-17 00:03:03

Großartiges Album... hätte ich eigentlich nicht mit gerechnet.

@kojiro
Gib dem Album doch wenigstens zwei Durchläufe... wenn ich darüber nachdenke, was ich alles verpasst hätte wenn ich nach dem ersten Song abgeschaltet hätte.

kingbritt

2021-04-16 17:12:06


Wolfmother, da denke ich eher an Grand Funk Railroad, bei den Greta's an LedZep, auf jedem Fall Retro Vintage der 70'er.

Kojiro

2021-04-16 16:41:54

Arbeitskollege meinte, das sei sein Albumtipp zum WE. Reingehört. Nach dem ersten Song wieder ausgeschaltet. Furchtbar.

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