Schreng Schreng & La La - Projekt 82

Rookie / Cargo
VÖ: 26.03.2021
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Im Punk und in der Liebe ist alles erlaubt

Kleine Band auf großer Fahrt: Die Indie-"Supergroup" Trixsi mit Jörkk Mechenbier von Love A am Gesang erklomm dereinst Platz 83 der deutschen Albumcharts. Und da niemand ein größerer Herausforderer Mechenbiers ist als Mechenbier selbst, schmiedete dessen andere (Zweit)Band Schreng Schreng & La La den waghalsigen Plan, mit deren neuen Album noch einen Rang draufzusetzen. "Projekt 82" war geboren, doch dann machte Corona allen Ambitionen einen Strich durch die Rechnung. Also haben Mechenbier und sein Gitarren-Virtuose Lasse Paulus aus der Not eine Tugend gemacht, das Album flott im Home Office aufgenommen und die im Zuge dieses Prozesses über 338 Kilometer Luftlinie Entfernung ausgetauschten Sprachnachrichten auch direkt im Opener verwurstet. Der so entstandene Titeltrack ist nett, aber einmal hören reicht. Die Beobachtungen in den übrigen Songs sind da lohnenswerter, säuberlich abwechselnd zwischen linksalternativem Zeitgeist und befindlichkeitsfixiertem Weltschmerz: Hippe Studenten-Punks und in Würde gealterte Emo-Männer geben sich die Klinke in die Hand.

"Projekt 82" trägt genauso Züge von lange aufgestauter Pandemie-Wut wie von einem lyrischen Schnellschuss, speit den "Alukappenspacken" eine Minute räudigen Deutschpunk entgegen, huldigt in "Fremder Mutter Zwilling" der Bromance und widmet sich sonst überwiegend der Königsdisziplin unkitschiger Liebeslieder. Das klingt gewohnt nach den Gisberts und Tigeryouths dieses Landes und – auf deren EP war Mechenbier schließlich als Feature-Gast mit von der Partie – im tollen "1 Shanty gegen doof" auch ein bisschen nach Kettcar. Schliff und Feinarbeit sind zweitrangig, nicht nur dank der Umstände ist das hier frisch aus Bauch und Herz entlassener Akustik-Indie-Punk bei anderthalb Promille, manchmal raffinierter durch softe Percussion oder Ukulele, aber immer unmittelbar. Da lässt sich auch darüber hinwegsehen, dass nicht jede Akkordfolge oder Textzeile voll ins Schwarze trifft und das bemühte Buffalo-Tom-Cover "Summer", gesungen von Paulus, wie ein Kuckucksei im Nest sitzt.

Die Entscheidung zwischen ihren zwei großen Themenblöcken Politik und Privatleben trifft die Band schließlich von ganz allein, sobald in "Freundin" traute Zweisamkeit mit einer sehnsüchtigst herbeigewünschten Herzdame dem Clash mit gewaltbereiten Nazi-Skins vorgezogen wird. Aber selbst die sind auch nur einsame Männer, und bevor er zuschlägt, schüttet der sonst so harte Oberfascho ebenfalls sein Herz aus. Damit haben Schreng Schreng & La La, wie auch schon Die Aeronauten, von denen die Originalversion stammt, nebenbei "Schrei nach Liebe" von Die Ärzte empirisch bewiesen und sich die Relevanz im Genre somit mehr als verdient. Den Gedanken einmal weitergesponnen: Wäre es nicht am allerromantischsten, zusammen mit der Frau der Träume Hand in Hand zur Gegendemo zu ziehen? Das beste von beidem quasi? Darauf "ein Longdrink aus zehn Kurzen" – eh egal, wo man in den Charts schlussendlich landen wird.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • 1 Shanty gegen doof
  • Bremse (Album Version)
  • Freundin

Tracklist

  1. Projekt 82
  2. Fremder Mutter Zwilling
  3. Du kaputt, ich kaputt
  4. Alukappenspacken
  5. 1 Shanty gegen doof
  6. Gesichtsmuskelzerrung
  7. Ernährungsberatung
  8. Denken & Danken
  9. Summer
  10. Bremse (Album Version)
  11. Platzwunde
  12. Freundin
Gesamtspielzeit: 29:32 min

Im Forum kommentieren

Ralph mit F

2021-03-31 12:45:40

Denke, das war auch die Intention hinter dem Album hier. "Berlusconi", mittlerweile ja auch praktisch uralt, find ich noch immer am tollsten.

eric

2021-03-30 12:30:24

Würde das hier beinahe als "Schnellschuss" bezeichnen, den Vorgänger "Echtholzstandby" find ich deutlich besser.

Ralph mit F

2021-03-30 10:46:53

Ach der Corona-Teil bezieht sich eigentlich nur darauf, dass die Platte praktisch im Remote-Zugriff entstanden ist, zur Qualität oder den Erfolgsaussichten gibts da keinen Zusammenhang.
Das mit dem Scheitern im Teaser stammt nicht aus der Rezi - denke mal, damit wird einfach auf die nicht ganz so überzeugende Bewertung von 6 angespielt ;)

Die Hafen-Trulla

2021-03-30 03:19:48

Ich verstehe irgendwie nicht, warum das "Projekt 82" zum Scheitern verurteilt sein sollte und das ausgerechnet wegen Corona?

Warum sollte das Virus die Band hindern, auf einem besseren Platz als 83 in die Charts zu kommen !?!?

Also was der Autor im ersten Absatz der Rezi schreibt, macht auf mich keinen Sinn

Ralph mit F

2021-03-25 20:27:01

Du hast natürlich recht, das haben wir ergänzt.
Besten Dank!

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