Louisahhh - The practice of freedom
He.She.They / BMG / WarnerVÖ: 12.03.2021
Die Königin
Dinge, auf die man erst mal kommen muss: als überzeugte Feministin von New York nach Paris übersiedeln, um sich einem Label anzuschließen, das ausgerechnet Bromance Records heißt. Doch für die bereits als "Königin des Techno" geadelte Louisa Pillot alias Louisahhh war es nie ein Problem, sich zwischen männlichen Kollegen zu behaupten – auch nicht neben Brodinski, Gesaffelstein oder Maelstrom, die ebenfalls bei der inzwischen stillgelegten französischen Renommieradresse veröffentlichten. Und auch Features für Dave Clarke, Lapalux, Bulkhead und andere berufene Elektroniker konnten für die Dame mit dem Schrei im Namen nur ein Luftholen vor dem ersten eigenen Longplayer sein, der genauso punkige Rotzigkeit, die robuste Seite der EBM sowie den unbeugsamen Gestus geistesverwandter Künstlerinnen wie Karen O oder Shirley Manson im Soundarsenal führt. Louisahhh ist so frei – und die Hörerschaft schon bedient, bevor "The practice of freedom" seine vielfältigen Stärken überhaupt ausgespielt hat.
Der perkussive Rumpel-Opener "Love is a punk" markiert nämlich nicht einmal die massivste Attacke auf Zappelnerv und Lustzentrum, sondern ist eher eine mühsam im Zaum gehaltene Andeutung dessen, was Louisahhh im Verlauf dieses Albums abfackelt. Mächtige Elektro-Boogies und tonlos ratternde Sequenzen treffen auf röhrende Power und mutwillig dazwischenhauende Rock-Versatzstücke, selbstermächtigende Schranz-Salven rauen die zähneknirschende Drohgebärde "Like a shot" auf, und vor allem das aufgekratzte "No pressure" könnte seinem Titel mit verwildertem Electroclash-Kick gar nicht weniger Ehre machen: als hätten Miss Kittin und Gazelle Twin nach ihren Vocal-Parts für Felix Da Housecats "Silver screen (Shower scene)" respektive Percs "Look what your love has done to me" die Gastgeber in die Besenkammer gesperrt und deren Maschinen dann so lange mit dem Feuerlöscher eingeschäumt, bis die Kontakte oxidieren. Mehr Killertrack geht auch in dieser muskulösen Umgebung kaum.
Nicht einmal in den hart auftrumpfenden Vorabstücken: "Chaos" legt schleifende Beatmuster zu schwer niedersausenden Gitarrenschlägen krachend übers Knie, "A hard no" spuckt fuchsteufelswild mit (Körper-)Flüssigkeiten um sich und verfrachtet Industrial-Techno in die gleiche brutzelnde Vorhölle, wo kurz zuvor schon die pervertierten Clicks und Cuts des rabiaten "Numb, undone" und das elektrifizierte Nagelbrett "Corrupter" verschmurgelt sind. Auch Louisahhhs Stimme zwischen angestochenem Skandieren und verzerrtem Riot-Grrrl-Keifen beruhigt das explosive Getümmel kaum einmal – allenfalls das leicht ins Psychedelische lappende Sado-Maso-Liebeslied "Master" strahlt eine gewisse Verletzlichkeit aus, bevor der Schlusspunkt "Hunter / wolf" inmitten zerschundener Ambient-Brachen vergleichsweise Schlichtes spricht: "Please believe me when I say that my heart is all for you." Ein wohlverdientes Schäferstündchen für alle Beteiligten – erst recht nach diesem strapaziösen, aber erstklassigen elektronischen Kraftpaket.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Love is a punk
- Chaos
- No pressure
- Numb, undone
Tracklist
- Love is a punk
- Like a shot
- Chaos
- Ferocious (Contained)
- Master
- No pressure
- Not dead
- Numb, undone
- Corrupter
- A hard no
- Hunter / wolf
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Klaus
2021-03-12 09:57:30
Bekam hier im Büro auch gerade einen ersten Durchgang. Gut, dass gerade außer mir niemand hier ist.
Erinnert sehr an Trentemöller.
Cayit
2021-03-12 09:05:08
Danke Plattentests für diese Review.
Durch euch habe ich von dieser Frau gehört.
Starkes Album!
Armin
2021-03-10 20:41:27- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Louisahhh - The practice of freedom (3 Beiträge / Letzter am 12.03.2021 - 09:57 Uhr)