Mouse On Mars - AAI
Thrill Jockey / IndigoVÖ: 26.02.2021
Modus Nächstenliebe
Utopie, nicht Dystopie. Es würde gut in die allgemeine Stimmungslage passen, wenn ein Album, das sich mit künstlicher Intelligenz befasst, skeptisch oder furchtsam wäre. Doch so ticken Jan St. Werner und Andi Toma nicht, taten sie noch nie. Als Mouse On Mars betrachten die beiden bereits seit über 25 Jahren Computer, Software und Technik als willkommene Partner bei der Erzeugung ihrer Musik. Immer mit dem Willen, zu ergründen, was noch geht, nie einem Experiment abgeneigt. Damit hat sich das Duo zu einer Institution in Sachen elektronischer Musik gemausert, jenseits von Genre-Nischen und Ländergrenzen. Jetzt also "AAI", was für "anarchic artificial intelligence" steht. Das anarchische Element bezieht sich auf die Vorstellung, was wäre, wenn eine künstliche Intelligenz grundlegende menschliche Regungen wie Empathie oder Sympathie in ihre Entscheidungsprozesse miteinfließen lassen würde, lernen würde, wirklich menschlich zu handeln. Mouse On Mars glauben daran, dass daraus ein großer Mehrwert für die Menschheit entstehen würde.
Die KI als lernendes Wesen, als Maschine mit Erfahrungsgewinn. Dies ist der Prozess, den zahlreiche Spoken-Word-Passagen auf diesem Album abbilden. Dabei hört man meist die Stimme des Autors Louis Chude-Sukei, doch nicht, dass jener seine Parts eingesprochen hätte: Der Text wurde in eine Software eingepflegt, die nach Chude-Sukeis Stimm-Modell die fertigen Sprach-Bausteine ausgab. So konnten Werner und Toma herrlich manipulieren und am Narrativ herumbasteln – KI also auch als Bestandteil des musikalischen Prozesses. Die Stücke selbst sind in der Regel sehr energetisch, suggerieren dynamische Abläufe, Wachstum, modularen Wandel. Polyrhythmik ist einer der Schlüssel zu dieser Beweglichkeit, vieles scheint gleichzeitig vorne und hinten, davor und danach, unten und oben zu sein. Drängende Synthies vervollkommnen das lebendige Bild, die Drums bleiben jedoch die Triebfeder.
Dass ein Stück wie "The latent space" zum Tanzbarsten und Offensivsten gehört, das Mouse On Mars jemals aufgenommen haben, ist eine willkommene Folgeerscheinung. Jedoch sind dies natürlich keine Four-to-the-floor-Banger, sondern differenzierte, detailreiche Studien zu energetischen Abläufen. Dabei scheinen tausende kleine, sich teils widersprechende Elemente in einem schillernden Fluss aufzublinken. Man wird selbst von einem eher ruhigen, konzentrierten Stück wie "Speech and ambulation" in einen dynamischen Sog gezogen. Auch in einem Zustand, der wie eine intellektuelle Meditation wirkt, spürt der Hörer die Bewegung, den Wandel.
Doch dieses Album, positiv in seiner Anmutung, kennt auch den spielerischen Spaß: "Doublekeyrock" ist eine kleine Dub-Funk-Abwechslung, hört sich mehr nach lässiger Party als nach ernstem Exkurs in die Zukunft der Menschheit an. Dies genau ist aber der Reiz von "AAI": Neben dem künstlerischen Anspruch scheint immer die Freude an treibenden Rhythmen durch. "Artificial authentic" hat auch schon mal was von Bedroom-R'n'B gehört, ist aber dank seiner Rhythmusstruktur viel zu agil für träges Lakenwälzen angelegt. Kurz vor Ende kreieren Mouse On Mars mit "New directions" im Kontrast dazu eine coole, nächtliche Hinterhofatmosphäre, Glassplitter, Neonlicht, den Mond spiegelnde Pfützen. Dass auch hier trotz dunklem Klangbild keine Schreckensszenarien aufleuchten, dass auch hier ein positives Gefühl der Lebendigkeit nachhallt, hängt wieder mit der unglaublich frischen Handhabe der Rhythmik zusammen. Dieses Album ist konstruktiv, vorwärtsgewandt und trotz oftmals durchbrechendem Noise ein optimistisches Werk. Wir machen da einfach mal mit, lieber Computer. Ich hab Dich lieb.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The latent space
- Speech and ambulation
- Doublekeyrock
- New definitions
Tracklist
- Engineering systems
- The latent space
- Speech and ambulation
- Thousand to one
- Walking and talking
- Youmachine
- Doublekeyrock
- Machine rights
- Go tick
- The fear of machines
- Artificial authentic
- Machine perspective
- Cut that fishernet
- Tools use tools
- Loose tools
- Seven months
- Paymig
- Borrow signs
- New definitions
- New life always announces itself through sound
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2021-02-25 15:00:30
Hab die Band gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt seit "Varchaz". Mal schauen...
Armin
2021-02-25 13:06:29
Und zusammengeschubst, danke.
The MACHINA of God
2021-02-25 10:43:40
Thread gab es schon.
Armin
2021-02-25 10:37:37- Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Album der Woche"!
Meinungen?
Fiep
2021-01-17 21:48:59
Da hier ja noch nichts steht:
Anarchic Artificial Intelligence
Release: 26. Februar 2021
1. „Engineering Systems“
2. „The Latent Space“
3. „Speech And Ambulation“
4. „Thousand To One“
5. „Walking And Talking“
6. „Youmachine“
7. „Doublekeyrock“
8. „Machine Rights“
9. „Go Tick“
10. „The Fear Of Machines“
11. „Artificial Authentic“
12. „Machine Perspective“
13. „Cut That Fishernet“
14. „Tools Use Tools“
15. „Loose Tools“
16. „Seven Months“
17. „Paymig“
18. „Borrow Signs“
19. „New Definitions“
20. „New Life Always Announces Itself Through Sound“
1. Single: The Latent Space
https://www.youtube.com/watch?v=vW4V2iD-oUU
Wär nett wen das vl einer der Mods einbinden könnte =)
find ich bisher recht gut die erste single.
Mit dimensional people konnte ich ja weniger anfangen.
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Referenzen
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