Stereolab - Electrically possessed [Switched On Volume 4]
Duophonic UHF / WarpVÖ: 26.02.2021
Elektrische Organe multiplizieren endlos
Egal, wie viele Phasen und Neuerfindungen Stereolab hinter sich gebracht haben, der Kern, ja, die Essenz ihrer Musik war der treuen Hörerschaft immer leicht erkennbar. Ob shoegaziger Indie-Rock, krautige Psychedelia oder angejazzter Lounge-Pop, die krude Rhythmik, das Treibende und allen voran diese unerhörte Eingängigkeit haben Stereolab stets enttarnt. Und als ob ihre umfangreiche, an Drehungen und Wendungen wahrlich nicht arme Album-Diskografie nicht bereits genug Material für mindestens drei Werkschauen bereit stellen würde, gibt es obendrauf die seit Beginn ihrer Karriere in den frühen Neunzigern in unregelmäßigen Abständen erscheinende "Switched on"-Serie, die alles von Mini-LPs über exklusive Seven-Inch-Singles, Split-LPs, EPs und Kollaborationen sammelt.
Das Warten auf "Electrically possessed [Switched on volume 4]" geriet seit dem Erscheinen der dritten Ausgabe "Aluminium tunes" in 1998 zur wahren Geduldsprobe. Doch während andere Bands es in dieser Zeit vielleicht zu einer Handvoll Releases schaffen, waren Stereolab – trotz nunmehr über zehnjähriger Schaffenspause – überdurchschnittlich fleißig. Dementsprechend großzügig fällt auch die vierte Ausführung der Odds-and-ends-Reihe aus: 25 Stücke auf zwei CDs beziehungsweise drei LPs, beinahe zwei Stunden Musik. Und wenn man sich nicht gerade zu den Stereolab-Ultras zählen kann, die jeder Tour-Exklusivität und auf 50 Stück limitierten Kassette hinterherlaufen, hört man das allermeiste davon sogar zum ersten Mal. Ein riesiger Brocken und wahrer Festhappen also für den gestandenen Fan der britisch-französischen Formation.
Die Compilation startet dort, wo Stereolab ihren Sound mit dem fantastischen "Cobra and phases group play voltage in the milky night" vor über 20 Jahren durch ein Fundament aus loungigem Jazz und Bossa Nova in eine abermals neue Richtung drückten. Die Mini-LP "The first of the microbe hunters", die nicht mal ein Jahr später erschien und hier in Gänze vertreten ist, will von dieser Entwicklung jedoch scheinbar nichts gewusst haben. Über zehn Minuten streckt sich das funkige Instrumental "Outer Bongolia" und lässt mehrere Moog-Eskapaden zeitgleich über sich ergehen, ohne jemals den zurückgelehnten Drive der dubbigen Instrumentierung zu verlieren. Von Muzak nicht die geringste Spur.
Wenig später erinnert "Barock-plastics" an die post-rockigen Glanztaten, die "Dots and loops" unter großen Teilen der zugeneigten Hörerschaft zum Favoriten der sogenannten "Groop" werden ließ. Lætitia Sadiers gewohnt lasziver, gesetzter Gesang, Jazz-Rhythmen, Glockenspiel und das unverkennbar propulsive Schlagzeugspiel schaffen ein Kleinod, das auf egal welchem Studioalbum zu den Highlights gezählt hätte. Das aufgrund seiner an Schikane grenzenden Rarität vor Jahren zur Internet-Folklore hochstilisierte "The super-it" hält, was der Titel verspricht. Und das an frühe Depeche Mode erinnernde "Dimension M2" beweist, dass Stereolab auf wirklich alles ihren eigenen Stempel setzen können. Komplett untypisch und doch absolut unverkennbar.
Während Stereolab ihre Studioalben stets als große Statements zu einer Idee, einem Sound zur Zeit verstanden, bietet "Electrically possessed" wie schon die vorherigen Ausgaben die Möglichkeit, den Facettenreichtum und die transformative Energie außerhalb dieser bewusst geschaffenen Kontexte zu bestaunen und zu genießen. Wie viele denkbar unterschiedliche Klangkorsette sie dabei platzen lassen und ungehalten wieder abstreifen, könnte man nachzählen, ist am Ende aber absolut unwichtig. Was man hier hört, ist eine Band, die ihren Sound nie gefunden hat, weil sie nie danach suchte. Stereolab bewegen sich nicht durch die Musik. Die Musik bewegt sich durch Stereolab.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Outer Bongolia
- Barock-plastics
- I feel the air (of another planet)
- The super-it
- Explosante fixe
- Dimension M2
Tracklist
- CD 1
- Outer Bongolia
- Intervals
- Barock-plastics
- Nomus et phusis
- I feel the air (of another planet)
- Household names
- Retrograde mirror form
- Solar throw-away (Original version)
- Pandora's box of worms
- L'exotisme interieur
- CD 2
- The super-it
- Jump drive shut-out
- Explosante fixe
- Fried monkey eggs (Instrumental version)
- Monkey jelly
- B.U.A.
- Free witch and no bra queen
- Heavy denim loop (Part 2)
- Variation one
- Monkey jelly (Beats)
- Dimension M2
- Solar throw away
- Calimero
- Fried monkey eggs (Vocal)
- Speck voice
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Analog Kid
2021-03-21 14:32:37
Ok, hübsch. Kannte vieles zwar schon, aber trotzdem nett, nochmal alles auf einem Release zu haben. Hauptsächlich im Stil der relaxten Spätphase so ab 2000, mit einigen experimentelleren Intrumentals. Vermutlich eher für Komplettisten interessant, die Songs können es mit denen der regulären Alben aber locker aufnehmen. Die auf CD1 enthaltene "First Of The Microbe Hunters" EP ist eh top.
Eliminator Jr.
2021-02-27 15:42:15
Habe die 3LP gekauft und auch dort ist kein Booklet vorhanden. Etwas schade, dennoch ein grandioses Set.
ijb
2021-02-27 15:34:18
OK, danke. "Switched On 3" ist aber "Aluminum Tunes", oder? Die habe ich vor 20 (?) Jahren in einer Edition in Hardcover-Cardboard (keine Ahnung, wie das professionell heißt) gekauft, da gibt es gar keinen Platz für Beiheft oder so.
Analog Kid
2021-02-27 15:16:58
Nee ich glaub nicht. Das wird schon stimmen so, Switched On 3 hatte auch keins.
ijb
2021-02-27 14:53:01
Okay, die Zeichenaufklärung ist hinter den CDs versteckt. ..Zu schnell getippt.
Dennoch die Frage an alle, die die CD haben: Müsste es ein Beiheft geben?
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