Evergrey - Escape of the phoenix

AFM / Soulfood
VÖ: 26.02.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Ausgefeilt

Ja, es wurde schon zigmal durchgekaut, so dass es wohl jeder wissen dürfte: Die Musikkultur leidet in allen Facetten unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Diejenigen, die finanzielle Verluste erlitten haben, Freunde oder Verwandte verloren haben oder selbst erkrankt sind, mögen es bitte nachsehen und richtig einordnen – in jeder Krise steckt auch etwas Gutes. Denn es gibt Künstler, die eben durchaus zu schätzen wissen, einmal nicht permanent auf Achse zu sein, ähnlich wie ein Außendienst-Mitarbeiter die Vorzüge des Homeoffice kennenlernt. Tom Englund, Frontmann der schwedischen Progressive-Metal-Band Evergrey gehört offensichtlich zu dieser Kategorie, verkündete er doch in Interviews, dass er die Arbeitsweise bei den Aufnahmen zum neuen Album "Escape of the phoenix" durchaus zu schätzen wusste, weil eben jeder – Musiker wie Produzent – erheblich konzentrierter an seinen Parts feilen konnte.

Natürlich mögen andere entgegnen, dass die kreative Interaktion auf jeden Fall dazugehören muss, aber im Progressive Metal wird eben nicht immer spontan drauflos gejammt, da schadet ein wenig Akribie normalerweise nicht. Und doch ist der Umstand, dass "Escape of the phoenix" das erste Album seit langer Zeit ohne übergeordnetes Konzept ist, durchaus überraschend. Ebenso überraschend im übrigen wie die Vehemenz, mit denen das eröffnende Doppel aus "Forever outsider" und "Where August mourns" aus den Boxen kachelt. Es scheint, als hätten Evergrey Gefallen gefunden an der Härte, die beim Vorgängeralbum "The atlantic" Einzug gehalten hatte. Und der Verzicht auf ein Gesamtkonzept bedeutet natürlich auch, dass jeder Song auf den Punkt kommen muss, weil er sich eben nicht hinter der Funktion als Ouvertüre oder Zwischenspiel verstecken kann.

Gerade das bereits erwähnte "Where August mourns" ist dafür ein schönes Beispiel. Denn selbstverständlich reduzieren sich die Skandinavier nicht nur auf pure Härte, sondern lassen reichlich Platz für diskrete Soundteppiche, die mitunter spannender sind als die Riffs, die darüber hinweg donnern, und natürlich wird auch dort die latente Melancholie in Englunds Gesang deutlich. Das ist eine Qualität, die Balladen wie "Stories" oder "In the absence of sun" zu großen Dramen werden lässt oder gar Dream-Theater-Frontmann James LaBrie im Duett bei "The beholder" bisweilen verdammt alt aussehen lässt. Und wenn die Göteborger tatsächlich einmal so richtig die grobe Kelle herausholen wie bei "Eternal nocturnal" oder "Escape of the phoenix", dann schweben die Vocals eher über den Dingen, fangen die Eruptionen ein, anstatt noch zusätzlich voranzupeitschen.

Es ist allerdings auch der Titeltrack, der auf einen Umstand hinweist, der sich traditionell durch alle Alben der Skandinavier durchzieht. Denn was diesen Song von anderen abhebt, ist eine Eingängigkeit, die dem Großteil der anderen Songs abgeht. Das ist per se erst einmal nicht schlecht, fordert es doch dazu auf, doch auch den Kopf einzuschalten, die Musik mit allen Sinnen zu genießen. Die Kehrseite ist, dass auch "Escape of the phoenix" nicht die Chance bekommt, sich nachhaltig festzusetzen. Insofern kann nur auf das Gesetz der Serie verwiesen werden, haben sich die letzten Alben doch allesamt als langsam, dafür umso nachhaltiger wachsend erwiesen. Der einsetzende Nackenmuskelkater am Ende der Platte spricht allerdings dafür, dass dies auch so bleibt.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Where August mourns
  • Stories
  • Escape of the phoenix
  • Leaden saints

Tracklist

  1. Forever outsider
  2. Where August mourns
  3. Stories
  4. A dandelion cipher
  5. The beholder (feat. James LaBrie)
  6. In the absence of sun
  7. Eternal nocturnal
  8. Escape of the phoenix
  9. You from you
  10. Leaden saints
  11. Run
Gesamtspielzeit: 58:50 min

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Armin

2021-02-25 10:34:52- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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