The Staves - Good woman
WarnerVÖ: 05.02.2021
Nicht mehr zu Hause
Es wäre einfach, The Staves Trendhopping vorzuwerfen. Der ursprüngliche, naturnahe Folk, mit dem die drei Schwestern einst ein goutiertes weibliches Pendant zu Fleet Foxes und Co. abgaben, hat nicht erst seit gestern seine letzten Reste Indie-kredibler Coolness eingebüßt. Dass Jessica, Camilla und Emily Staveley-Taylor nun Produzent John Congleton rekrutieren, der zuletzt etwa Sharon Van Etten eine halbsynthetische Frischzellenkur verpasste, erscheint kalkuliert – doch wie so oft sind die vorschnell gezogenen Schlüsse die falschen. Dem stilistischen Wandel der Staves liegt eine persönliche, teils tragische Motivation zugrunde, mussten die Britinnen in den letzten Jahren so manche emotionale Berg- und Talfahrt durchstehen. Ereignisse wie der Tod der Mutter oder die Geburt von Emilys Kind finden auf dem dritten Album "Good woman" ihre musikalische Kanalisation im Sound einer veränderten, aber noch stärker zusammengewachsenen Band.
Schon der eröffnende Titeltrack macht sich eifrig ans Zersägen voreilig geöffneter Schubladen. Sein eleganter Soft-Rock schraubt sich nicht nur zum unerwarteten Crescendo hoch, er fährt auch mit den Stereotypen idealisierter, häuslicher Weiblichkeit Schlitten, die man(n) den Schwestern aufs erste, oberflächliche Auge und Ohr zuschreiben mag. "Best friend" hat im Anschluss weniger gewichtige Themen auf der Zunge, aber noch mehr Leidenschaft im Bauch: Piano-Loops und subtile Orchester-Akzente umrahmen ein wuchtig nach vorne getrommeltes Konzentrat purer Euphorie. In Sachen Ambition setzt "Careful, kid" sogar noch einen drauf, verbindet verzerrte Gitarren- und Synth-Wände mit Achtziger-Pathos. Ungerührt und trotzig steigen The Staves aus den Entbehrungen der jüngsten Vergangenheit hervor, schwimmen sich mit hörbarem Spaß aus allen Erwartungen frei. "I'm sorry if I pissed on your party", singen sie augenzwinkernd in "Failure", ehe der Refrain jedes Autodach öffnet.
Congletons moderne Indie-Pop-Aspekte stehen den Gesangsharmonien und Folk-Melodien der drei Frauen nur selten auf den Füßen, geben ihnen an den richtigen Stellen Raum zur Entfaltung. Einsam und leise zupft Camilla in "Paralysed" ein Klagelied auf ihrer Ukulele, bis Jessica und Emily einsteigen: "Don't snuff me out / I used to be magic." Es ist ein Moment vertonter familiärer Solidarität, der den Song in eine wahrlich magische zweite Hälfte hievt. Auch "Next year, next time" erzeugt mit seiner Buttermesser-Bridge Gänsehaut, während die Akustikballade "Nothing's gonna happen" kein Bläser-Gramm zu viel auf die Rippen bekommt. Einzig bei "Sparks" hätte man sich etwas weniger Studio-Addendum gewünscht. Hier äußern The Staves ihre Trauer auf intimste Weise, erzählen von immer noch vernommenen Haustürschlüsseln und Sprachlosigkeit – doch die im Hintergrund funkelnden Synths lenken eher ab, als dass sie dem Track etwas Essenzielles hinzufügen.
Dass der neue Anzug noch ein paar Fältchen hat – man höre etwa auch die ein bisschen zu dick aufgetragene Power-Ballade "Satisfied" –, fällt allerdings kaum ins Gewicht und ist natürlich normal. Nicht umsonst sollte "Good woman" zunächst "Trying" heißen, benannt nach der präfinalen Orgel-Miniatur. Umso beeindruckender fällt die Electro-Pop-Perfektion von "Devotion" aus, das sich so meisterhaft durch Fingerschnips-Beat und Slide-Gitarren schlängelt, als hätte das Trio nie etwas anderes gemacht. Wenn dann auch noch der Klavier-Soul des Closers "Waiting on me to change" sitzt, sind alle Zweifel beseitigt: Zwischen Identitätswahrung, emotionaler Aufrichtigkeit und stilistischem Aufbruch haben The Staves eine nahezu perfekte Balance gefunden. Trendhopping? Ganz im Gegenteil: "I'll change when I want to."
Highlights & Tracklist
Highlights
- Best friend
- Paralysed
- Devotion
- Failure
Tracklist
- Good woman
- Best friend
- Careful, kid
- Next year, next time
- Nothing's gonna happen
- Sparks
- Paralysed
- Devotion
- Failure
- Satisfied
- Trying
- Waiting on me to change
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Armin
2021-02-17 20:17:13- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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