Katy Kirby - Cool dry place
Keeled Scales / CargoVÖ: 19.02.2021
Ruhe gefunden
Manchmal braucht man den Ruhepol im Alltag gar nicht zu suchen, sondern er kommt früher oder später von selbst, genau dann, wenn man ihn braucht. Ein bisschen wie eine angenehme, unerwartete Überraschung, die mit schleichender Negativität aufräumt. Umso schöner ist es, wenn sich – ziemlich aus dem Nichts – auf einmal ein musikalisches Kleinod anmeldet, um für nicht einmal 30 Minuten aus dem Status Quo herauszuziehen und die innere Ruhe dank einer neu gefundenen Sicht auf die Dinge des Lebens zu zelebrieren. Mit ihrem Debütalbum "Cool dry place" präsentiert die amerikanische Singer-Songwriterin Katy Kirby ein ebensolches Stück Musik, das inmitten von Hektik, Ungewissheit und Stress vor allem eines ist: ein wohliger Ort voller Sanftheit, der aber dennoch innerlich brodelt.
"Cool dry place" ist ein Werk, das die erzkonservative und streng christliche Erziehung seiner Autorin abhandelt, das in seinen sanften Tönen rührende Geschichten erzählt – dabei aber völlig auf überbordende Gesten oder übertriebene Dramatik verzichtet. Stattdessen setzt die gebürtige Texanerin zumeist auf detailverliebte Gitarrenmelodien und sich gemächlich aufbauende Songstrukturen, wie etwa im wundervollen "Secret language", das auf verträumte Weise über die unausgesprochenen oder unverstandenen Dinge im Leben sinniert und sich dabei vom Chamber-Pop-Stück in ein sachtes Finale hineinsteigert. Im flotten "Juniper" dürfen ihre Bandkollegen frei aufspielen und sich in liebevollen, versteckten Gitarrenlicks und Drumpatterns ausleben, während Katy Kirby in Zeilen wie "You're on your own / Juniper never got around to asking her" über verpasste Chancen im Leben erzählt. Hier kommen beileibe keine Banalitäten zur Sprache und wird auch nicht die Fröhlichkeit zelebriert – stattdessen wickelt Kirby die bewegenden Geschichten des Alltags in ein so schmuckes, unbeschwert melancholisch-fröhlich tanzendes musikalisches Gewand, dass es einfach nur Spaß macht, zuzuhören.
Besonders, da Kirby an einigen Stellen mit klug eingebrachten Erweiterungen ihres Klangspektrums punkten kann – zum Beispiel im tollen "Traffic!", dem besten Song des Albums. In einem deutlich reduzierteren, etwas beat-lastigeren Arrangement überrascht sie mit einem dezenten Autotune-Einsatz, der sich nahtlos in den Song einfügt. Der hymnische Break kurz vor dem Ende sorgt für Spannung in der Songstruktur, und wenn im Refrain "Nobody has it better than you" proklamiert wird, kann man da als Hörer*in nur äußerst schwer widersprechen. Der Titeltrack "Cool dry place" erlaubt sich das lauteste Finale der neun Stücke langen Platte, was die emotionale Intensität des von Sehnsucht und der Suche nach Nähe geprägten Songs hier kraftvoll und so gar nicht fehl am Platz unterstützt. "Can I come over? / Is it too late? / Would you keep me in a cool dry place?" Mag sein, dass solche Klänge althergebracht wirken. Bei einem so tiefenentspannten und sympathischen Werk ist aber auch nichts anderes nötig.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Juniper
- Traffic!
- Cool dry place
Tracklist
- Eyelids
- Juniper
- Peppermint
- Traffic!
- Tap twice
- Secret language
- Portals
- Cool dry place
- Fireman
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Armin
2021-02-17 20:16:13- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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