Fotos - Auf zur Illumination!

PIAS / Rough Trade
VÖ: 26.02.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Lach doch mal!

Fotos? Die gibts noch? Wurden die nicht längst von der Nachfolge-Band Selfies abgelöst?

(Für mögliche Schmerzensgeld-Zahlungen aufgrund dieser Einleitung wenden Sie sich bitte an clowngefruehstueckt@plattentests.de, vielen Dank!)

"Scherz" beiseite: Natürlich gibt es die Band Fotos um Sänger Tom Hessler noch, frisch wie eh und je! Nun ja, vielleicht nicht ganz. Denn auch an den Hamburgern sind die Jahre nicht spurlos vorbeigegangen, und gerade die Zeitspanne zwischen, sagen wir, 2020 bis 2021 dürfte ihnen ebenso in den Knochen hängen wie dem Rest der Menschheit. Merkwürdig, nicht? Hessler jedenfalls hat die Zeit in der Isolation wie so manch anderer Künstler gut für sich genutzt und in gerade mal drei Monaten die neun neuen Songs produziert, die sich nun gesammelt auf dem fünften Studioalbum "Auf zur Illumination!" befinden. Textlich wie musikalisch ist das stellenweise recht schwer verdauliche Kost: Hatten sich Fotos schon auf den letzten beiden Alben "Kids" aus dem Jahr 2017 und dem satte sieben Jahre vorher erschienenen "Porzellan" mehr und mehr vom spaßigen Indie-Pop-Rock-Gemisch ihrer Anfangstage losgelöst, ist nun endgültig Schluss damit. Wer hier noch immer auf der Suche nach solchen Dauerbrennern wie der unkaputtbaren Sommer-Hymne "Giganten" ist oder ein zweites "Komm zurück" erwartet, wer wieder träumen will von "Kalifornien", der ist bei "Auf zur Illumination!" falsch. Und sollte dennoch bleiben.

Denn was Hessler und seine Kollegen hier auf die Beine stellen, zeugt nicht nur durchaus von Mut – mehr dazu gleich –, sondern baut eine ziemlich interessante Stimmung auf. Spaß macht dieses fünfte Werk nicht wirklich, aber für melancholische Freude, sofern es so etwas geben mag, sorgt es unbedingt. So tarnt sich "Meise" nur oberflächlich als halbwegs tauglicher Radiosong, offenbart aber bei genauem Hinhören einen beinahe intimen Einblick ins Seelenleben des Sängers, der mit zwischen Realität und Wahnsinn verschwimmenden Zeilen wie "Dann bin ich raus hier / Lieber verglühen als / Zu verrosten / Werd alle Zweifler / Und alle Neider / Lügen strafen / Sie glaubten nicht, ich / Könne der Wolf sein / Unter Schafen / Meine Geschichte / Wird zur Legende / Umgeschrieben" für Gänsehaut sorgt. Derweil versucht das psychedelische "Ausflug" mit aller Macht, die Erdumlaufbahn zu verlassen und fährt das atmosphärisch richtig, richtig starke "Gegen die Wand" viel zu schnell und mit ausgeschaltetem Licht durch die tiefschwarze Nacht. Dennoch vertraut man Hessler im Fahrersitz auch blind – diese Reise ist noch nicht vorbei.

Am besten ist "Auf zur Illumination!" aber fast immer dann, wenn es sich vom konventionellen, bequemen Album-Geschehen abwendet. Dazu zählt schon der Opener "Rauschen", bei dem der Name quasi Programm ist und der sich nicht nur mit viel Fuzz, sondern auch einer unheimlichen Intensität den Weg ins Ohr bahnt. Es folgt das große, seltsame Highlight dieser Platte: Die Platzierung von "Silberne Maschine" an zweiter Stelle in der Tracklist ist nicht nur aufgrund seiner fast elf Minuten Spielzeit gewagt. Sondern auch, weil hier über weite Strecken nicht viel passiert. Dennoch bohrt sich das Teil mit jedem weiteren Durchgang tiefer in den Kopf, nistet sich ein, breitet sich aus – und sorgt in visueller Darbietung mit dem Musikvideo auch noch für ein verflixt hartnäckiges Hungergefühl. Gegen Ende, wenn "Nachtschattenglühen" mehr Spoken-Word-Vortrag als Song ist – ja, wirklich! – und "Weisse Wellen" sich mit DIY-Shoegaze-Charakter verabschiedet, hat man vielleicht nicht gerade das Album gehört, das man von Fotos erwartet hatte. Aber allemal das, was man von ihnen gebraucht hat.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Silberne Maschine
  • Gegen die Wand
  • Weisse Wellen

Tracklist

  1. Rauschen
  2. Silberne Maschine
  3. Meise
  4. Gegen die Wand
  5. Das Verlangen
  6. Auf zur Illumination!
  7. Ausflug
  8. Nachtschattenglühen
  9. Weisse Wellen
Gesamtspielzeit: 40:15 min

Im Forum kommentieren

qwertz

2021-07-20 09:29:24

Ich finde vor allem die erste Hälfte sehr gelungen und recht hittig. Aber ja, richtig greifbar wirken die Fotos nach so höchst unterschiedlichen Alben irgendwie nicht. Aus einem Interview bei laut.de ging auch hervor, dass es sich heute eher um ein Soloprojekt als die Kumpelband der Anfangstage handelt.

Hoschi

2021-07-19 10:30:01

Interessantes Album, welches leider recht unverdaulich und anstrengend auf mich wirkt.
Außer mit "silberne Maschine" kann ich mit keinem Song direkt was anfangen.
Ich will das Album keinesfalls schlecht machen oder wünsch mir die alten Fotos anno Goldrausch zurück, aber für mich ist das irgendwie nix.
Hat sich aber schon bei Porzellan angekündigt.

Hier stand Ihre Werbung

2021-02-17 20:41:52

Silberne Maschine? Macht die auch bing?

Armin

2021-02-17 20:16:03- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Gomes21

2021-01-26 22:39:22

Oha, Fotos habe ich vor gut 10 Jahren das letzte mal bewusst gehört. Das schockt mich jetzt etwas. Schön, dass es sie noch gibt.

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