Cloud Nothings - The shadow I remember
Carpark / IndigoVÖ: 26.02.2021
Darf's ein bisschen more of the same sein?
Mut zur Ehrlichkeit! "Dies ist unser neues Album. Es klingt in etwa so wie die letzten drei bis sechs Platten, denn: Wir haben gemerkt, dass das gut ankommt, wir selbst stehen auch total auf den Sound und bisher ließ sich damit ganz anständige Knete verdienen. Also wiederholen wir das jetzt bis zum Erbrechen, bis es entweder den Fans und/oder uns zum Hals rauskommt." Sagt natürlich keiner. Immer ist das neue Werk das Caps-Lock-Album, DAS Album also, das frischer, neuer, innovativer denn je ist, mit dem man erstmals zu sich selbst gefunden hat, auf dem man endlich so klingt, wie man es seit 20 Jahren eigentlich schon immer versucht hat. Auch "The shadow I remember" von Cloud Nothings wird in seiner Beschreibung auf Bandcamp als "their most fully-realized" Platte bezeichnet. Kann man so sehen.
Dabei ist es doch gar nicht schlimm, wenn es more of the same gibt, the same aber eben auch einfach geiler Scheiß ist. "The shadow I remember" macht diesbezüglich vieles richtig: Das knallt hier und da echt gut, die Schrammelgitarren sägen ein paar Bäume um, Frontmann Dylan Baldis Gesang überzeugt mit einer gelungenen Mischung aus Rotz, Rage und, äh, Relaxation. Der von Cloud Nothings stets gern gehörte Power-Pop dröhnt auch auf dem siebten offiziellen Studioalbum angenehm im Ohr, und mit Macie Stewart von Ohmme gibt es sogar eine klasse Gastsängerin, während Steve Albini zum ersten Mal seit dem 2012 veröffentlichten "Attack on memory" mal wieder am Produzenten-Pult der Band stehen durfte. Die Parameter stimmen also eigentlich. Inwiefern "The shadow I remember" aber more fully-realized sein soll als die letzten Alben von Cloud Nothings, lässt sich auch nach mehreren Hördurchgängen nicht ganz erklären.
"Is this the end of the life I've known?", fragt Baldi im Opener "Oslo", der hochdramatisch und natürlich stilecht mit viel Strom auf der Gitarre und zartem Piano beginnt. Nun, wenn der Mann schon eine direkte Frage stellt: Klar kennt man keine privaten Details, rein musikalisch geht das bisher bekannte Leben des Cloud-Nothings-Sängers jedoch unbeirrt weiter. Da verzieht sich das Piano nämlich schnell wieder, das Schlagzeug donnert los und eine zweite Gitarre heult auf. Gemeinsam grölen sich Baldi und die Kollegen dann durch die handelsüblichen vier Minuten Spielzeit, bis kurz vor Schluss nochmal alles ausbricht und der nächste Song beginnt. Damit wir uns nicht missverstehen: Das reicht auch vollkommen aus und ist gar nicht übel! Nur eben etwas überraschungsarm. "Nothing without you", in dem die bereits erwähnte Stewart am Gast-Mikro zu hören ist, tönt ebenfalls wirklich fein – so fein sogar, dass man fast meinen könnte, ihn auf circa jedem bisherigen Album der Band bereits gehört zu haben. Muss man auch erstmal hinkriegen, ein solches Niveau durchzuziehen.
Nun gibt es Schlimmeres als bei einer Band zu wissen, woran man bei ihr ist und was man von ihr bekommt. Mit dieser etwas gesenkten Erwartungshaltung macht "The shadow I remember" durchaus Spaß: Da rast "Am I something" mit viel Druck durchs Haus und haut mal eben den Putz von den Wänden, poltert "Open rain" in bester Neunzigerjahre-College-Komödien-Manier und mit verschmitztem Lächeln drauf los, als wäre Baldi selbst wieder 18 Jahre alt, oder zelebriert "It's love" mit 180 km/h eine schnelle, hektische, stürmische Liebe mit vielen Knutschflecken am Hals und noch mehr Herzklopfen. Wer hier wirklich auf die große Veränderung hofft, wartet ehrlicherweise vergeblich. Stattdessen empfiehlt es sich, das Album als genau das anzunehmen, was es ist: Nämlich ein Lebenszeichen von einer Band, die immer mindestens gut ist. Und solche Hausnummern braucht's eben auch. Deswegen funktioniert "The room it was" als Rausschmeißer so prima, weil es zum Ende mit genau dem auftrumpft, was dem Hörer in der vergangenen halben Stunde am besten gefallen hat. Da ist alles dabei! Melancholie, Herz, Wut, Verzweiflung, Hoffnung. Und schon ertappt man sich dabei, wie man das Album erneut startet. Give me more!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nothing without you
- Open rain
- The room it was
Tracklist
- Oslo
- Nothing without you
- The spirit of
- Only light
- Nara
- Open rain
- Sound of alarm
- Am I something
- It's love
- A longer moon
- The room it was
Im Forum kommentieren
Gordon Fraser
2021-08-27 15:29:15
Gestern live gesehen, und die Songs vom neuen Album waren da noch die besten. Insgesamt nicht sonderlich überzeugend leider, die durchaus vorhandene melodische Seite der Band wurde konsequent im Krach ertränkt.
Sick
2021-03-19 23:48:06
Genau, nicht überragend, aber auch nicht so schlecht wie hier getan wird.
Und "Nothing Without You" hab ich auch auf meine 2021er Best-Of-Playlist gepackt.
Thanksalot
2021-03-18 19:36:00
Wow, wohl selbst Musiker und nicht daran gedacht, mal ein zweites Standbein aufzubauen, wie?
Aber mal im Ernst. Jammern? Mitnichten. Hunderttausend andere Bands? Höre ich.
Dass durch die Pandemie zahlreiche Künstler in Gefahr laufen, am Hungertuch zu nagen (und es nicht zu wenige bereits tun), ist mir auch bewusst.
Plattentests ist hauptsächlich immer noch ein Musikforum und darum ging es in meinem Beitrag: die Musik. Und die klingt - gemessen am bisherigen Output der Band - in MEINEN Ohren wie vom Reißbrett.
Du tust gerade so, als würde ich mich massiv auskotzen, dabei ich genau einen Beitrag zu diesem Album gepostet (und einen davor zu The Black Hole Understands). Ich werde weiterhin gespannt auf die Veröffentlichungen der Band sein, da ich sie eigentlich sehr schätze, aber die drei letzten Alben holen mich einfach nicht ab. Ist das so ein Problem für dich? Ich gebe zu, dass ich bei meinem "Pausen-Kommentar" vielleicht nicht weit genug gedacht habe, aber meine Güte...
Heat Heat
2021-03-13 10:52:31
PS: Der Vorschlag "Pause" ist natürlich auch herzallerliebst. Sollen sie halt sehen, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Heat Heat
2021-03-13 10:50:27
@Thanksalot: Dann würde ich dir empfehlen, hier nicht zu jammern, sondern eine der hunderttausenden anderen Bands zu hören.
Wie viele andere sind vermutlich auch Cloud Nothings durch die Pandemie in eine existentielle Schieflage geraten. Warum sollte man es schlechtreden, wenn sie jetzt etwas mehr machen und dadurch die Qualität nicht mehr ganz so hoch ist?
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