Teenage Wrist - Earth is a black hole

Epitaph / Indigo
VÖ: 12.02.2021
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

The big sad

Nostalgie ist, wenn angemessen dosiert, wie eine milde Droge. Sie verbreitet wohlige Gefühle, macht wahlweise irgendwie glücklich oder traurig (manchmal beides zugleich) und erstellt seltsam ungreifbare Zerrbilder vergangener bis eingebildeter Zeiten und Erinnerungen. Und, genau wie selbst die mildeste Einstiegsdroge, sie hat hohes Suchtpotenzial! Teenage Wrist aus Los Angeles wissen das genau und nutzen das volle Potenzial retro-emotionaler Befindlichkeiten für ihre Zwecke aus.

Schon auf dem Debüt "Chrome neon Jesus", das vor drei Jahren immerhin kleine Wellen in der Shoegaze-Lagune der Alternative Rock-Küste schlug, war der Hang des – mittlerweile zum Duo zusammengeschrumpften – Trios zur großen Geste mit maximaler, den 90ern entliehener Malaise deutlich spürbar. Tatsächlich fiel das Heroen-Worshipping damals noch so vollumfänglich aus, dass es schwer fiel, ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und Originalität heraus zu hören. Und eines sei gleich vorweggenommen: So richtig unverwechselbar klingen Teenage Wrist auch auf ihrem Zweitlingswerk "Earth is a black hole" nicht. Solange ein eventuell unterkomplexes Maß an Idiosynkrasie anhand von Hits, Hymnen und noch mehr Hits in den Hintergrund gedrückt wird, macht das aber nichts. Genau das ist hier der Fall. Und ein paar neue Tricks hat das Duo auch dazugelernt.

Vergnügt sich das kurze, instrumentale Intro noch in purer Nothing-Anbetung, zeigen "Taste of gasoline" und "New emotion", wie viele unsterbliche Melodien noch im vermeintlich altbackenen Gitarrengebratze längst vergangener Tage stecken. Die Bandshirts auf der Bühne reichen da wohl von aktuelleren Darlings wie Turnover über die Smashing Pumpkins bis zu ehemaligen Undergroundstars wie Chapterhouse. Dabei besticht vor allem "New emotion" durch eine schwungvolle Leichtigkeit, die das breite Grinsen spätestens im grandiosen Refrain obligatorisch macht. Eine Überhymne, die auch Jimmy Eat World circa 2001 bestens zu Gesicht gestanden hätte. Und ihren Ruf als Babo unter allen Emo-Herzchen weiter zementiert hätte. Das Highlight "Wear u down" verbindet Akustikgitarren mit so vielen Spuren fuzzender Leads, dass wohl selbst Billy Corgan zufrieden gegluckst hätte. "High again" lässt während der Strophen einen klaren Einfluss durch die Cloudrap-Szene – und allen voran ihres tragischen Helden Lil Peep – durchscheinen. Unaufdringliche Trap-Beats treffen hier auf Gen-Z-Lyrics, die die Kurve Richtung Cringe aber gerade so noch umfahren. Spätestens zum Refrain, der den Schalter für den Emogaze-Modus umlegt, ist man wieder auf der Spur. Und beschleunigt zu "Wasting time" auf 300km/h, geradeaus Richtung Sonnenuntergang. Liest sich voll Pathos, klingt auch genau so und ist einfach jedes Mal geil.

Das getragene, sich langsam zum letzten großen Aufbegehren steigernde "Stella" liefert ein emotionales Finale, das "Earth is a black hole" fulminant abrundet, aber auch deutlich dramatischer enden lässt, als es eigentlich ist. Denn auch wenn Albumtitel und Lyrics eher düster daherkommen, steckt diese Platte so voller Licht und Glanz, voller Hits und Melodien, dass man häufig nicht weiß, was man gerade dabei fühlen soll. Glücklich? Traurig? Oder eben beides zugleich.

(Lars-Thorge Oje)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New emotion
  • Wear u down
  • Wasting time
  • Stella

Tracklist

  1. Squeeze (intro)
  2. Taste of gasoline
  3. New emotion
  4. Yellowbelly
  5. Silverspoon
  6. Wear u down
  7. High again
  8. Wasting time
  9. Earth is a black hole
  10. Stella
Gesamtspielzeit: 32:14 min

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Eliminator Jr.

2021-03-03 17:00:04

Soeben die LP in schickem Gatefold auf blauem Vinyl erhalten. Ein sagenhaft eingängiges und tolles Album.

Peacetrail

2021-02-16 23:23:32

Ich finde übrigens ganz ehrlich sehr gut, dass Lars-Thorge insgesamt nicht mit Punkten geizt. Das macht viel Laune, in Sachen reinzuhören.

Milo

2021-02-13 08:00:45

Ja, doch, tolle Platte. Die letzte war mir ein wenig zu entönig.

eric

2021-02-11 10:16:46

Gute Band, von denen hatte ich vor drei Jahren mal ein, zwei Stücke in der Playlist. Da höre ich doch morgen direkt mal rein. :)

Armin

2021-02-10 20:43:30- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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