Illegale Farben - Unbedeutend ungenau

Rookie / Cargo
VÖ: 12.02.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Ein Spalt Licht

12.02.2021. Wo stehen wir? Wann immer dieser Text im bläulichen LED-Licht der Zukunft aufploppen wird, diese Tage und Wochen werden als eine wenig angenehme Zeit in Erinnerung bleiben. Für die Kölner Post-Punks Illegale Farben indes hätte diese Einordnung nur am Rande mit der Pandemie zu tun. Sie betrachten die Welt des Höher, Schneller, Weiter, unsere rastlose Gesellschaft der Ellenbogen, des Profit-Wahns und der perfekten Selbstdarstellung schon länger als glasklares Unheil. Ein Blick in den YouTube-Account verrät, dass der Fünfer just im März 2020, als Europa in den Lockdown startete, mit einer feinen, funkelnden Single namens "Frankie" im 80s-Vibe zum melancholischen Tanz lud. Da hatte das Virus etwas dagegen: Von Tanz und intensivem Miteinander ist wenig geblieben.

Ebenso vom zackigen, beweglichen Post-Punk des Debüts und des Vorgängers "Grau". Den Stillstand, das gesellschaftliche Runterfahren nutzten Illegale Farben für einen dunkelgrauen General-Anstrich ihres Sounds. Hinein in den Nebel also, verrät nicht nur der Blick nach draußen, sondern auch die Art und Weise der Veröffentlichung: "Unbedeutend ungenau" verwischt die Songgrenzen, ist nur als Ganzes zu hören, erscheint auf Vinyl und als One-Track-Stream. Der Titelsong mäandert zögerlich, zieht die Hörer dann aber mit Paukenschlag am Kragen und hinein in das dritte Album der Kölner, welches in seiner zelebrierten Lethargie überrascht. Die nur ein einziges Mal in Wut umschlägt, wenn das polternde "Standpunkt der Verlierer" den Egoisten und selbsternannten Freidenkern schnaubend den Mittelfinger zeigt, weil diesen die Vokabel "Solidarität" gänzlich unbekannt ist.

Ein bewegendes Stück mit grandiosem Finale ist "Unter Deiner Haut", das die unrühmliche Symbiose von Monotonie, Tristesse und Angst als Gesamtzustand zerbersten lässt. Denn es ist nicht alles verloren, wie "Alles explodiert" mit durchaus positivem Blick in die Zukunft klarstellt. "Es sieht so aus, als gäbe es noch einen Weg / Als ob sich irgendwas noch irgendwie hier regt / Stumpfe Signale brechen durch in meinem Kopf", singt Thomas Kempkens und meint damit, dass es Menschen gibt, die das Zusammenleben auf der Welt nachhaltig und solidarisch verändern wollen. Die schon bald mehr und mehr Ohren erreichen, wenn wir noch ein wenig durchhalten: "Alles explodiert / Sich im Rauch verliert, sich seines Rauschs bedient / Bis ein neuer, schlichter Tag / Dich in die Arme nimmt, zu den anderen bringt."

In jenem Song manifestiert sich ein weiteres Motiv: Musik zu schaffen, die sich trotz ihres resignativen Äußeren nicht abschottet, die wach und offen für Veränderung, für andere Darstellungsformen bleibt. Die Fotografin und Künstlerin Ines Rehberger schuf auf Grundlage der Themen der Platte eine Bildwelt, die den von Bear Machine produzierten Klängen eine beeindruckende visuelle Ebene hinzufügt. Der Film zu "Unbedeutend ungenau" erscheint ebenfalls am 12.02.2021 –.ein mystisches Datum, beim genauen Hinsehen. Passend zu einem Album, das bewusst im Unbewussten verharrt, seine Perlen aber nach vorn in den dichten Nebel wirft, in dem wir alle uns wohl weiterhin bewegen müssen, den Spalt Licht im Fokus. Kunst ist wohl auch, das Schöne nicht aus den Augen zu verlieren.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Alles explodiert
  • Hunderttausend
  • Unter Deiner Haut

Tracklist

  1. Unbedeutend ungenau
  2. Zwischenraum 1
  3. Alles explodiert
  4. Zwischenraum 2
  5. Standpunkt der Verlierer
  6. Zwischenraum 3
  7. Hunderttausend
  8. Zwischenraum 4
  9. Menschentrainer
  10. Unter Deiner Haut
  11. Ausklang
Gesamtspielzeit: 31:07 min

Im Forum kommentieren

Armin

2021-06-25 21:01:29- Newsbeitrag

Hier das Video anschauen:

“Wird schon irgendwie gehen” - ein Satz so profan und doch so eindringlich. Er steht für das Durchhalten in individuellen Krisen, genau wie bei einer weltweiten Pandemie.
Im Kontext des Albums “unbedeutend ungenau” ist “Hunderttausend” der Silberstreifen am Horizont.
In Zeiten von Lockerungen und langsamen Ausschleichen aus dem Pandemie-Alltag bietet der Song die richtigen Schlüsselreize.
“Nach Hunderttausend Jahren bin ich aufgewacht”, so fühlt es sich gerade bestimmt bei Vielen an.
Der Neuanfang und Aufbruch ist dabei aber nicht das Resultat eines großen Triumphs sondern eher die Reflexion darüber, dass man es überhaupt geschafft hat bis hier hin.
Die Relativität der Zeit war nie greifbarer als jetzt, wann war denn dieses “davor” und wann fängt dieses “danach” an und überhaupt: Was hat das mit mir gemacht?
Die Musik bleibt dabei nicht vage, lässt aber viel Raum für Uneindeutigkeiten und wenn man hier noch im weitesten Sinne von Rockmusik sprechen will, dann nur mit Gitarren als Schichten und nicht als Brett.
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass es weitergeht, sogar weitergehen muss.

Armin

2021-04-09 19:32:58- Newsbeitrag


"Menschentrainer" ist die neue Single von Illegale Farben aus dem aktuellen Album "unbedeutend ungenau" (Rookie/The Orchard).

Morgenroutine, Abendroutine, Speedreading und Achtsamkeitstraining. Jeder Mensch unterliegt einem Optimierungsbedürfnis.
Doch woher kommt das alles? Ist es Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung? Freier Wille oder Zwang?
Menschentrainer bleibt in allen diesen Fragen ambivalent. Wer ist Trainer*in und wer ist Trainierte(r) und wo führt es übermorgen hin, wenn man heute schon 110% geben muss?
Der Song mit dem so zwingenden, wie stoischen Beat treibt einen in jedem Fall weiter - inklusive dem ersten Bongo-Solo der Bandgeschichte.
Das kann zur nächsten Höchstleistung treiben oder darüber hinaus. Gestern noch am Abgrund, heute schon ein Stück weiter.
Die getanzte Selbstreflexion ist eine der beschwingteren Nummern aus “unbedeutend ungenau”, dem dritten Album der Kölner Band.
Ein Brocken gelöst aus einem Monolith bestehend aus Audio, Video, Text und Fotos.

Das Musikvideo entstammt dem Film “unbedeutend ungenau”, den die Band gemeinsam mit der Künstlerin Ines Rehberger veröffenlicht hat.

Hier das Video anschauen:

Aufgenommen wurde das Album im Bear Cave Studio Köln von Nicolas Epe und Luis Müller-Wallraff. Produziert hat Björn Sonnenberg (Locas in Love). Der Mix stammt von Nicolas Epe, Luis Müller-Wallraff und Illegale Farben, Mastering von Illegale Farben im Illegale Farben Studio.
Das Album “unbedeutend ungenau” erschien am 12.02.2021 auf Rookie Records. Digital erhältlich auf allen Streaming-Plattformen, die limitierte Vinyl Auflage ist bereits ausverkauft.

Stereofy

2021-04-04 10:29:43

Sehr clean, sehr poppig, hätte ich nicht gerade das Bedürfnis nach Krach und Aggression auf den Punkt. Ich habe gar nicht das Gefühl, dass ich die sechs Songs unbedingt in der Reihenfolge hören müsste. 9/10, bei Minute 26 haben sie mich gepackt und ich drehe lauter

S.v.K.

2021-02-18 12:54:35

Sorry, meine Wortwahl war, vorsichtig ausgedrückt, unangemessen.

Das Album an sich jetzt mal gehört, ist wirklich sehr gut.

S.v.K.

2021-02-15 12:23:43

Das ist wirklich einfach nur eine beschissene Idee. Ich mag die Band ja wirklich, haben auch live einen top Eindruck gemacht. Aber sowas ist unnötige prätentiöse bevormundende Scheiße.

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