Tribulation - Where the gloom becomes sound
Century Media / SonyVÖ: 29.01.2021
Rücktritt ohne Rückschritt
Das ist jetzt schon irgendwie blöd. Klar, es gibt nie den perfekten Zeitpunkt für einen Musiker, seine Band zu verlassen. Doch als Jonathan Hultén Anfang Dezember 2020 verkündete, er würde bei Tribulation aussteigen, erntete dieser Umstand trotzdem allenthalben ratlose Gesichter, waren die Aufnahmen zum neuen Album "Where the gloom becomes sound" doch gerade im Kasten. Mal ganz davon abgesehen, dass der Gitarrist nicht nur irgendein Klampfer ist: 2001 hatte Hultén bereits den Vorläufer Hazard mitgegründet und vollzog mit Tribulation einen beeindruckenden Wandel von einer reinen Death-Metal-Truppe hin zu einer hochspannenden Mischung aus Death Metal, Gothic und Post-Metal. Doch offensichtlich hat der Schwede nun vor, seine Solokarriere noch konsequenter fortzuführen. Nämlich als Singer-Songwriter, dessen Debütalbum "Chants from another place" zuvor durchaus für Aufhorchen gesorgt hatte..
Dennoch wäre es fehl am Platze, in den Sound des fünften Studioalbums der Band aus einem kleinen Kaff unweit der Grenze zu Norwegen so etwas wie Abschiedsschmerz hineinzuinterpretieren. Denn Melancholie und Düsternis sind die Grundstimmungen, welche die Skandinavier von Anfang an auszeichneten. Und deshalb darf sich der Opener "In remembrance" langsam aufbauen, Atmosphäre erzeugen. Bis sich über gar nicht einmal so spektakulären Strophen ein monumentaler Refrain auftürmt. Klassischer Death Metal ist hier bis auf den Gesang von Johannes Andersson gar nichts mehr, vielmehr spielen die Nordlichter gekonnt mit leichtfüßigen Gitarrenmelodien wie in "Hour of the wolf" – nur dass ihnen Andersson durch die Growls eine sinistre, eine geradezu dämonische Facette verleiht.
Wollte man diese Eigenschaften verdichten, die Essenz herausarbeiten, dann könnte man sich auf den Mittelteil der Platte konzentrieren. "Dirge of a dying soul" ist ein Monster, ein zäh fließendes Ungetüm, das pure Endzeit versprüht: "The black water so cold to my skin / As I sigh and exhale my last breath / My lungs are ash, my mind is void / Now I am waiting for death." Welch ein Kontrast ist dagegen "Daughter of the djinn", rauschhaft-opulent wie der besungene Trank Nepenthe – wäre da nicht dieses fiese Break, das zwischendurch aus der Euphorie reißt. Welche Lücke hingegen der Weggang von Hultén reißen wird, zeigen vor allem die packenden Gitarrenduelle mit Adam Zaars bei "Inanna", aber auch die peitschenden Riffs von "Funeral pyre".
Und auch wenn es den perfekten Zeitpunkt zum Ausstieg aus einer Band wie gesagt nicht gibt, hat Hultén den Zeitpunkt dieses Abgangs, so er denn von langer Hand geplant war, zumindest mit Bedacht gewählt. "Where the gloom becomes sound" ist nicht nur eine wunderbare Zusammenfassung des Sounds, der Tribulation mittlerweile ausmacht, sondern vor allem ein mehr als würdiger Nachfolger des wahrlich nicht schlechten Vorgängeralbums "Down below". Hultén hat seiner Band vor allem mit diesen beiden Platten die Starthilfe gegeben, etwas ganz Großes wachsen zu lassen, wenn denn sein Fehlen vor allem als Songschreiber kompensiert werden kann. Wie groß so eine Mixtur aus dezenter Düsternis und faszinierenden Hooks tatsächlich werden kann, zeigt im Übrigen ein anderer Landsmann. Sein Name ist Tobias Forge, und seine Band heißt Ghost.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hour of the wolf
- Dirge of a dying soul
- Daughter of the djinn
Tracklist
- In remembrance
- Hour of the wolf
- Leviathans
- Dirge of a dying soul
- Lethe
- Daughter of the djinn
- Elementals
- Inanna
- Funeral pyre
- The wilderness
Im Forum kommentieren
Pierre Baguette
2021-02-17 23:31:35
Hour of the Wolf, ein Filler? Erstaunlich, wie unterschiedlich Geschmack sein kann. Für mich der beste Track, kann mich da gar nicht satthören.
Ich wundere mich, was ich plötzlich alles höre, Tribulation, Dark tranquillity, Soen. Was so ein Lockdown alles für Nebenwirkungen hat... Aber egal, macht Spaß
zardoz_
2021-02-05 12:29:33
Where the Gloom Becomes Sound ist insgesamt recht solide geworden. Die bekannte Mischung aus Doom-Metal, Double-Leads der NWoBHM-Schule und Goth-Rock-Elementen wird im Vergleich zu den Vorgängern Down Below und The Children of the Night nur geringfügig verändert. Es liegt nahe, in Tribulations Stagnation und dem Achtungserfolg seines Solo-Debuts die Gründe für Jonathan Hulténs Ausstieg zu suchen.
Mit Dirge of a Dying Soul, Funeral Pyre und Daughter of the Djinn halten sich die Hits und die Filler (Hour of the Wolf, Elementals, Ianna) zwar die Waage. Ein Makel der Band ist jedoch, und dieser wird mit Where the Gloom Becomes Sound noch verstärkt, dass die Alben recht gleichförmig klingen. Auch wenn die Ghost-Vergleiche grundsätzlich hinken, wünsche ich mir, dass Tribulation sich etwas von Forges Extravaganz abschauen würden.
Armin
2021-02-03 20:05:52- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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