Aaron Frazer - Introducing ...

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 08.01.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Spiel mit der Zeit

Wenn es nach Aaron Frazer geht, kann man auch ruhig mal das Hier und Jetzt beiseite lassen und in den Rückspiegel blicken. "Introducing ...“, das Debütalbum des in Baltimore aufgewachsenen Sängers und Drummers, schielt demnach weit zurück in die Blütezeit des Blues und R'n'B in den USA der fünfziger und sechziger Jahre. Sonnenbrille, Oldtimer-Cabrios und natürlich die große Liebe stehen also auf der Agenda für einen Roadtrip durch die rhythmische Seele des vergangenen Jahrhunderts. Wirkt das auf dem Papier durchaus ein wenig abgedroschen? Könnte man so sagen.

Dass das Ganze auf "Introducing ...“ jedoch ganz wunderbar funktioniert, liegt vor allem am unerschütterlichen Charme und dem einprägsamen Falsettgesang von Aaron Frazer, der das nötige Augenzwinkern hinter den verdunkelten Gläsern nie vergisst. Besonders die erste Albumhälfte strotzt nur so vor starken Momenten. Da wäre zum Beispiel das herrliche "If I got it (your love brought it)“, dessen simple Klaviermelodie sich im Kopf festbohrt, während Aaron Frazer seine bessere Hälfte besingt. Da nimmt man selbst eine vor Schmalz nur so triefende Zeile wie "You're the sugar in my tea“ ausnahmsweise mal hin, ohne mit der Wimper zu zucken.

Auch der Opener "You don't wanna be my baby“ mit seiner ausladenden Instrumentierung und einem träumerisch in die Länge gezogenen Outro sowie "Done lyin'“ als knackiger Dreiminüter mit ein paar flinken Gitarrenlicks im Refrain schlagen in eine ähnliche Kerbe. Das tolle "Bad news“ vereint als Frazer'scher Mikrokosmos alle Qualitäten, die "Introducing ...“ ausmachen, auf knappen vier Minuten: Das Klavier klimpert, das Schlagzeug treibt voran, die Gitarre darf den Funk raushängen lassen, und dann taucht da plötzlich eine Querflöte auf – ein fast schon tropischer Vibe, der einen Bogen zum japanischen City-Pop der Achtziger schlägt.

Allerdings – und das muss sich der Wahl-New-Yorker trotz aller gelebter Lässigkeit gefallen lassen – könnten die Stücke auf "Introducing ...“ teilweise auch eine Minute Spielzeit weniger vertragen. Besonders im zweiten Albumdrittel tanzen Songs wie "Lover girl“, "Ride with me“ und "Girl on the phone“ musikalisch wie thematisch etwas zu lange auf der Stelle und sorgen für einen spürbaren Durchhänger.

Als hätten Frazer und Produzent Dan Auerbach (The Black Keys) das selbst gemerkt, bläst direkt darauf "Over you“, einer der bisher besten Songs des noch jungen Jahres, jegliche Katerstimmung restlos weg. "Tired of waking up to such an empty room / Runnin' round circles howling at the moon / Over you, darling over you“, fasst Aaron Frazer pointiert seinen Liebeskummer in einem treibenden Stück mit Stakkato-Schlagzeug und Wahnsinns-Refrain zusammen – hier passt einfach alles.

Und so findet dieser Roadtrip auf seinen letzten Metern mehr als beachtlich ein verdientes Ende. Was nimmt man also mit aus der Welt des Aaron Frazer? Eigentlich nur zwei Dinge: Im Zweifel die Sorgen einfach wegtanzen und vor allem das nötige Augenzwinkern nicht verlernen.

(Hendrik Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • If I got it (your love brought it)
  • Bad news
  • Over you

Tracklist

  1. You don't wanna be my baby
  2. If I got it (your love brought it)
  3. Can't leave it alone
  4. Bad news
  5. Have mercy
  6. Done lyin'
  7. Lover girl
  8. Ride with me
  9. Girl on the phone
  10. Love is
  11. Over you
  12. Leanin' on your everlasting love
Gesamtspielzeit: 42:40 min

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kapomuk

2021-01-14 19:00:48

Historische Aufführungspraxis von 60er-/70er-Soul-Mukke mit einer insgesamt etwas zu emotionslosen Falsettstimme, aber sehr schön stimmigen Arrangements (inkl. Bläser, Orgel etc.).

Armin

2021-01-13 20:29:21- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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