Steve Earle & The Dukes - J.T.
New West / PIAS / Rough TradeVÖ: 04.01.2021
Abschied und Erinnerung
Er grummelt und knurrt wieder. Und mal wieder sind es nicht die eigenen Songs, denen er Leben und Seele einhaucht. Im Mai 2009 veröffentlichte Country-Legende Steve Earle schon einmal ein Tribute-Album. "Townes" erwies seinem großen Vorbild und Mentor Townes Van Zandt die Ehre. 2019 folgte mit "Guy" eine Hommage an einen weiteren Seelenverwandten, Guy Clarke. Wie groß Earles Bewunderung aber insbesondere für Van Zandt ist, lässt sich daran ablesen, dass er seinen Sohn nach dem Idol benannte. Im August 2020 verstarb Justin Townes Earle im Alter von nur 38 Jahren an einer Überdosis. Wie der Vater hatte auch der Sohn immer wieder mit Drogenproblemen zu kämpfen. "J.T." versammelt nun zehn Songs aus allen Schaffensphasen von Justin Townes, von den Anfängen bis zum Album "The saint of lost causes" von 2019, die Steve Earle zusammen mit seiner langjährigen Begleitband The Dukes eingespielt hat. Den würdigen Schlusspunkt setzt die Ballade "Last words", eine Eigenkomposition, die die Liebe des Vaters in direkte, aber anrührende Worte packt.
"Anywhere but here / Anywhere at all / I'm just looking for a change", heißt es paradigmatisch im Opener "I don't care". Es kommt nicht von ungefähr, dass viele Songs auf "J.T." um Abschied und Verlust kreisen. Wie seine musikalischen Vorläufer erzählte auch Justin Townes häufig traurige Weisen von Gesetzlosen und Außenseitern, von Getriebenen und Gebrochenen. Von Menschen, die das Glück suchen, aber selten finden. Vorgetragen hat er sie manchmal mit Schwermut und Verbitterung, häufiger aber mit einem gewissen Trotz und vor allem einem feinen Sinn für Humor. So schaffte es der junge Earle, das Genre behutsam zu modernisieren. Er war ein begnadeter Geschichtenerzähler und ein mindestens ebenso versierter Songwriter. Ein Traditionalist insofern, als dass es vom Country zum Blues und Folk schon immer nur ein kleiner Schritt war. Und von dort zu weiteren benachbarten Genres ist es dann auch nicht mehr weit. "Maria" zelebriert hemdsärmeligen Roots-Rock, "Champagne corolla" bleibt auch in der Interpretation von Steve Earle und den Dukes eine arschcoole Rock'n'Roll-Nummer.
Auf das Verhältnis zu seinem Vater angesprochen, bemerkte Justin Townes, dass Steve Earle sicher nicht das Vorbild gewesen sei, das er sich als Heranwachsender gewünscht habe. In musikalischer Hinsicht vorbildlich wirkte sein Erzeuger aber zweifellos. Dass der Vater sich nun durch das Repertoire seines verstorbenen Sohns wühlt, zeugt von einer bitteren Ironie des Schicksals. Tribute-Alben provozieren regelmäßig die Frage, wer sowas überhaupt brauchen soll. In diesem Fall ist die Antwort einfach: Steve Earle hat diese Platte in erster Linie für sich selbst aufgenommen – ein letztes Zwiegespräch, eine Verbeugung, ein Abschiedsgruß. Mehr als nur ein positiver Nebeneffekt bei der Sache: Die Einnahmen kommen zu einhundert Prozent einem Trust für Justin Townes' dreijährige Tochter zu Gute. Und allen Hörer*innen führt "J.T." in konzentrierter Form vor Augen, welches Talent da die Welt verlassen hat. "We're better off if we all remain strangers / Stumbling through the dark." Mit diesen Worten endet das gar nicht so trübsinnige "Maria". Steve Earle bringt uns diesen zu früh gegangenen Fremden noch einmal ein kleines Stück näher.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I don't care
- Champagne corolla
- Last words
Tracklist
- I don't care
- Ain't glad I'm leaving
- Maria
- Far away in another town
- They killed John Henry
- Turn out my lights
- Lone pine hill
- Champagne corolla
- The saint of lost causes
- Harlem River blues
- Last words
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diggo
2021-01-14 10:58:21
Meinung habe ich im Thread
https://www.plattentests.de/forum.php?topic=98196schon abgegeben:
"Heute (wäre sein 39. Geburtstag gewesen) veröffentlichtes Tribute-Album an seinen kürzlich verstorbenen Sohn Justin Townes Earle mit 10 Coversongs und einer Eigenkomposition von Steve Earle. Musikalisch begleitet von den Dukes wie gewohnt ein Album auf hohem Niveau. Allerdings krank die Platte am gleichen Problem wie bereits die früheren Tribute-Alben „Townes“ und „Guy“: Keines der Cover kommt an die grossartigen Originale ran. Trotzdem ein schönes Album geworden, zu empfehlen ist insbesondere der Abschlusstrack „Last Words“, in welchem Earle den Verlust seines Sohnes verarbeitet."
Armin
2021-01-13 20:29:10- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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