Sleaford Mods - Spare ribs

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 15.01.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Gestank am Stück

Wer mag das sein? Er trinkt mit dem Finger, schläft kopfüber an einem Trapez und fliegt mit einem riesigen Ei durchs Weltall? Nein, Deichkind haben sich nicht etwa eine neue Bühnenshow ausgedacht – es handelt sich vielmehr um den Außerirdischen Mork vom Ork aus der gleichnamigen Sitcom mit einem jungen Robin Williams in der Hauptrolle. Die Älteren werden sich erinnern, der Rest kann den Lockdown nutzen, um alle vier Staffeln zu bingen. Sleaford Mods haben genau das vermutlich schon hinter sich und benennen die "Spare ribs"-Vorabsingle "Mork n Mindy" entsprechend nach dem Originaltitel der Serie. Spukig-extraterristischer Loop, stachliges Duett zwischen Jason Williamson und der gleichgesinnten Kollegin Billy Nomates, der Mief runtergerockter englischer Herrenhäuser aus den frühen Achtzigern – fertig ist der Hit. Und zwölf weitere. In nur drei Monaten. Für irgendetwas muss so eine Quarantäne schließlich gut sein. Und sei es nur für Album Nummer elf, das einmal mehr die Zustände im Vereinigten Königreich abbildet.

Dabei darf einer nicht fehlen: Dominic Cummings, bis Ende 2020 Berater von Boris Johnson. Ein Name wie ein Suchgerät für hämische Wortspiele – und ein Arbeitsnachweis, der von aggressivem populistischem Schrauben am Brexit als "Vote leave"-Kampagnenmanager bis hin zu ignoranten Kurztrips mit der Corona-Symptome zeigenden Gattin reicht. Sleaford Mods danken's ihm. Nicht. Oder besser gesagt mit "Shortcummings", einem bassigen, entrüstet pöbelnden Groover, auf den jeder DFA-Records-Act stolz wäre – auch ohne vordergründigen Elektro-Bums. Für diesen sorgt Instrumentalist Andrew Fearn in der Folge mehr als ausreichend: Schon "Nudge it" schlägt umso saftiger auf die kurz vor schrottreife Rhythmusbox, lässt eine schorfige Gitarre kratzen und tupft eine kleine Synthie-Melodie zwischen die rauen Beats. Dazu bringt Williamson so viel grantiges Gestänkere wie möglich unter, ehe ihm Amy Taylor von Amyl And The Sniffers giftig ins Wort fällt. Angestochener klang Brit-Hop zuletzt allenfalls bei The S.L.P.s "Favourites".

Doch während Sergio Pizzorno und Little Simz lediglich die Tücken des Online-Datings beklagten, kotzen sich Sleaford Mods wie gewohnt über ausländerfeindliche Quartalssäufer, Pop-Opportunisten oder stümpernde Politiker aus. Wenn's hier streng riecht, dann muss das so. Und damit's nicht ganz so arg wird, hat Fearn irgendwo in seinem komprimierten Maschinenpark stets eine notdürftig versöhnliche Harmonie oder ein feinsinniges Detail versteckt und befreit diese roh gezimmerte Musik so von den gröbsten Kackrückständen. Das gedämpft rumorende "Out there" wird beinahe zu einem DAF-Wiedergänger mit Streetworker-Background, "I don't rate you" stellt Williamsons Keifen delikates kosmisches Geblubber zur Seite und Post-Punk sieht nach "Elocution" oder "Glimpses" so mitgenommen aus wie lange nicht mehr. Was das alles mit "Spare ribs" zu tun hat? Fragt mal diejenigen, die der sogenannte britische Sozialstaat bis auf die Knochen abnagt. Sleaford motzt – und hat allen Grund dazu. Beunruhigend, aber toll.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Shortcummings
  • Nudge it (feat. Amy Taylor)
  • Mork n Mindy (feat. Billy Nomates)
  • I don't rate you

Tracklist

  1. The new brick
  2. Shortcummings
  3. Nudge it (feat. Amy Taylor)
  4. Elocution
  5. Out there
  6. Glimpses
  7. Top room (feat. Dr. Lisa McKenzie)
  8. Mork n Mindy (feat. Billy Nomates)
  9. Spare ribs
  10. All day ticket
  11. Thick ear
  12. I don't rate you
  13. Fishcakes
Gesamtspielzeit: 42:46 min

Im Forum kommentieren

Kojiro

2023-03-05 13:12:45

Muss meine Meinung mittlerweile auch revidieren; schon ne geile Platte. Die Beats sind wirklich super minimalistisch, aber es funktioniert / harmoniert. Klasse.

myx

2022-04-03 13:01:53

Ich gönne es ihnen, sympathische Kerle. Und "Spare ribs" ist ja auch einfach klasse.

Deaf

2022-04-03 12:27:53

Der Erfolg gibt ihnen Recht, die Location diese Woche in Zürich war zumindest ausverkauft, für meinen Geschmack aber zu überfüllt. Ja, sehr viel passiert da live nicht, aber macht schon Laune und ein Mal kann man sich das durchaus geben.

Peacetrail

2021-05-28 23:21:52

„28 Euro dafür, dass der eine redet und der andere Tasten am Laptop drückt“

Klingt wie ein 2er-Bürgerbüro beim Perso-Ausstellen.

sizeofanocean

2021-05-28 23:17:25

28 Euro dafür, dass der eine redet und der andere Tasten am Laptop drückt, einfach immer noch völlig gaga, aber hey, dreist gewinnt :D

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