Melkbelly - Pith
Wax Nine / CarparkVÖ: 03.04.2020
Störrische Insekten
Wenn aus einem "entweder oder" ein "sowohl als auch" wird. Das Chicagoer Quartett Melkbelly sorgte in der heimatlichen Indie-Rock-Szene mit seinem Debüt "Nothing Valley" im Jahre 2017 für einiges an Furore. Alternative Kauzigkeit und ein sperriger Sound trafen auf unheimlich eingängige Gesangsmelodien. Natürlich schwebten da im Hintergrund die Vorbilder von Sonic Youth bis Pixies, doch hinderte dies Melkbelly nicht daran, ganz eigene Stimmungslagen auszumachen. An den Gitarren Bart und Miranda Winters, am Bass Bruder Liam, dazu mit James Wetzel ein unheimlich vielseitiger Schlagzeuger, mit den Mitteln einer klassischen Rock-Besetzung wird auch auf der aktuellen Platte "Pith" mit jeder Menge DIY-Ethos gezündelt. Und wie gesagt, man muss sich nicht zwischen krachenden Splitterbrüchen und melodischem Gold entscheiden, der Vierer aus den Staaten liefert dies manchmal sogar gleichzeitig, schön unübersichtlich verknäult.
Voraussetzung für solch eine Gemengelage ist die hohe Wandelbarkeit jedes klanglichen Elementes dieser Band. Da bietet allein der Gesang Miranda Winters' ganz verschiedene Stimmungslagen. Trockeneis-cool in den ersten Momenten von "THC", kann diese Stimme auch den süßesten Zucker aufbieten, als auch richtig garstig werden. Wenn Winters in "LCR" sanft über die "softer roads in Michigan" gleitet, oder in "Little bug" in Kinderlied-Manier ein störrisches Insekt vertreibt, liegt darin ein unbescheidener Wille zu melodischer Strahlkraft mit weichen Rundungen. Ganz anders die enervierende Lakonie von "Kissing under some bats", welches ganz nonchalant das Riot-Grrl rauskehrt. Und mit der brachialen Kratzbürstigkeit von "Take H2O" ist schon mal gar nicht zu spaßen.
Das gleiche Bild bietet die Gitarrenarbeit dieser Platte. "Humid heart" bietet Akkorde und Riffs, die an leidenschaftlichen Midwest-Emo denken lassen. Im gleichen Song tönt dieses Instrument aber auch unheimlich neben der Spur, hat Lust auf ungelnke Verenkungen. "Sickeningly teeth" begibt sich dann mit den Gitarren in ein Feedback-geschwängertes Matschbad, fies wird alles mit einem ungesunden Röhren und Dröhnen zugekleistert, auch dies wunderbar neben der Spur. Doch ganz oft finden auch die Sechs-Saiter jene melodischen Jackpot-Momente, bei denen einfach bezaubernde Tonfolgen aus den Boxen tönen. So verträumt und sanft wie im abschließenden "Flatness" hört sich das auf "Pith" aber eben nicht immer an. Die Gitarre als lärmender Krawallbruder, das erlebt man hier des öfteren.
Zum Abschluss sei aber unbedingt noch über das Schlagzeug gesprochen. Dieses bietet derart viele Facetten auf, dass ihm ein Extralob gebührt. Wie es an der eigentlichen Songstruktur in "Sickeningly teeth" vorbeipoltert, oder sich gleich für mehrere Minuten in "Kissing under some bats" in die haltlose Extase hineinkatapultiert, ist ein einziges Fest. In dieser Hinsicht das Highlight ist jedoch das Drumming von "Mr. Coda", das irgendwo zwischen Proto-Metal, Industrial-Dub und brasilianischem Karneval hin und her geht. Manches ist zunächst schwer zu greifen auf "Pith", doch die zwingenden Melodien verbunden mit dem kakophonischen Rausch drängen einem spätestens nach dem zweiten bis dritten Hördurchgang das Urteil auf, dass kaum ein Album in 2020 die klassischen Tugenden des Indie-Rocks so schön hochhält wie dieses.
Highlights & Tracklist
Highlights
- THC
- Kissing under some bats
- Mr. Coda
Tracklist
- THC
- Sickeningly teeth
- LCR
- Little bug
- Humid heart
- Kissing under some bats
- Season of the goose
- Mr. Coda
- Stone your friends
- Take H2O
- Flatness
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Armin
2021-01-05 20:28:58- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
"Vergessene Perle 2020".
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- Melkbelly - Pith (1 Beiträge / Letzter am 05.01.2021 - 20:28 Uhr)