Dirty Projectors - 5 EPs

Domino / GoodToGo
VÖ: 20.11.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Immerhin nicht Schalke

Seit jeher ist Dave Longstreth das unumstrittene Mastermind seiner Band Dirty Projectors. Mitmusiker kamen und gingen, das Personalkarussell dreht sich bei der Band aus Brooklyn, New York beinahe schneller als bei so manchem Traditionsklub aus der 1. oder 2. Bundesliga. Ob dieser Umstand nun auf die schwierigen Bedingungen innerhalb der Band zurückzuführen ist oder überhöhte Erwartungshaltungen an den Kader den Grund für die permanenten Rochaden darstellen, lässt sich abschließend nicht sagen. Der Verschleiß ist groß, ja, doch nun wird aus diesem Aspekt eine kreative Tugend gemacht: "5 EPs" ist – je nach Zählweise – entweder das neunte Studioalbum der Band oder aber die erste Compilation. Die Platte umfasst, wie der Titel schon sagt, fünf EPs, die im Laufe des Jahres 2020 entstanden sind und nach und nach veröffentlicht wurden. Das Besondere an dem Projekt: Jeder EP leiht ein anderes Mitglied seine Stimme, lediglich im abschließenden fünften Teil sind alle singenden Band-Member zu hören. Die einzelnen Kapitel unterscheiden sich dabei auch stilistisch und unterstreichen die soundästhetische Vielfalt der Indie-Gruppe.

Im Gegensatz zu Schalke 04 oder dem Hamburger SV fügen sich auch die Neuzugänge bei Dirty Projectors sinnvoll ein, besetzen im Band-Korsett die vakanten Stellen, dürfen jedoch auch eigene Akzente setzen. So besticht die zweite, ursprünglich "Flight tower" betitelte EP, die komplett von Felicia Douglass gesungen wird, mit frickeligem Avantgarde-R'n'B, wie man ihn sonst allenfalls von Solange Knowles kennt: "Inner world" kommt mit jeder Menge Schmelz in der Stimme daher, smooth kuscheln sich die Beats an die Akustikgitarre. In diese Richtung hat die New Yorker Gruppe auch in der Vergangenheit immer mal wieder die Fühler ausgestreckt. Dass sie das künftig gerne öfters machen darf, sei an dieser Stelle also unterstrichen. Die erste EP hingegen liefert da schon eher klassisches Song-Material: Melodieseliger Indierock wird einmal auf links gezogen, Harmoniegesänge untermalen die kunterbunte Szenerie. Es ist eine herrlich schräge Lagerfeuermusik, der man hier lauscht, alle Stücke bleiben jedoch unter drei Minuten und versprühen so den Charme von kurzen Skizzen oder leichtfüßigen Fingerübungen. Im Grunde voll okay: Auch in diesem Miniaturformat kann beispielsweise der Opener "On the breeze" seine Trademark-Sounds ausspielen, wirkt die Nummer doch wie das pure Destillat eines klassischen Dirty-Projectors-Songs.

Überraschend dürfte sein, dass ausgerechnet die von Bandleader Longstreth intonierte EP am wenigsten zwingend erscheint: Sein abstrakter Folk-Entwurf wirkt im Vergleich zu den anderen spannenden Exkursen am verzichtbarsten, bleiben jene vier Kompositionen doch eher blass. Von B-Ware möchte man natürlich trotzdem nicht sprechen, auch wenn man sich diese Stücke eher nicht auf einem regulären Studioalbum der Band vorstellen kann. Während die vierte EP sich ganz ungeniert expressionistischen Soundexperimenten zwischen Neo-Klassik und Ambient-Geblubber hingibt, geht es auf dem abschließenden fünften Teil konziser weiter: "Searching spirit" klingt wie ein Sommerhit für Freigeister und alle, die es werden wollen. Und im fabelhaften "No studying" werden die Gitarrensaiten mal richtig ordentlich geschrubbt. Eine gewisse Tanzbarkeit ist hier nicht von der Hand zu weisen. Womit eine weitere Facette sichtbar wird, die man nicht zwangsläufig mit Dirty Projectors verbunden hat. Egal ob Club, Wohnzimmer, Lagerfeuer oder Hängematte am Strand, für diese Band gilt mehr denn je: entscheidend ist auf'm Platz. Und da läuft es – trotz oder wegen der zahlreichen Neuzugänge.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • On the breeze
  • Inner world
  • No studying

Tracklist

  • CD 1
    1. On the breeze
    2. Overlord
    3. Search for life
    4. Guarding the baby
  • CD 2
    1. Inner world
    2. Lose your love
    3. Self design
    4. Empty vessel
  • CD 3
    1. Holy mackerel
    2. I get carried away
    3. You create yourself
    4. Moon, if ever
  • CD 4
    1. Eyes on the road
    2. There I said it
    3. Bird's eye
    4. Now I know
  • CD 5
    1. Por qué no
    2. Searching spirit
    3. No studying
    4. My possession
Gesamtspielzeit: 55:13 min

Im Forum kommentieren

AliBlaBla

2021-01-09 13:00:03

Hi, Sorrrrrrrrrry, jetzt est gesehn, hatte zwischenzeitlich Zwist mit Londoner Rapper namens "AliBlaBla",..aber das ist eine andere Geschichte.

Lustig, mir gefällt gerade die zweite EP so gut, insbesondere "Inner World" und "Lose your love", ..und dann wieder den Schluss, die fünfte, auch schönste Instrumentalisierungen finde ich da-insgesamt von zwanzig Stücken kaum Langweiliges, nie Beliebiges..
Und, wie gesagt,..die GESÄNGE..schöner noch fast als auf "Swing Lo Magellan",..

Ariel Pink marschiert (&John Maus..?wtf?..) mit auf das Capitol zu..PRO TRUMP?
Wie furchtbar.
Die Welt ist aus den Fugen.

Aber das ist eine andere Geschichte.

Unangemeldeter

2021-01-07 13:36:09

Haha, da gibt's doch nichts zu entschuldigen, ist doch schön wenn's dir so gut gefällt. Was sind denn deine Favoriten von dem Album?

AliBlaBla

2021-01-07 13:16:21

Sorry, aber ich muss ein wenig widersprechen.
Mit 55 (!)Minuten hat diese Compilation gewiss mehr gute Musik und Abwechslungsreichtum als die meisten Veröffentlichungen 2020.
Tanzbar sind aber nur gut die Hälfte der Tracks, ..wenn man da mehr ausgedünnt hätte, wäre ein bärenstarkes Album entstanden- man kann sich nur ungefähr ausmalen, was die neu aufgestellten DP als nächstes bringen werden,mit DIESEN tollen neuen Stimmen sicher ein Schwergewicht, ein Moby Dick von einem Album.

Unangemeldeter

2021-01-06 13:24:23

Der ist auch für mich der beste. :)

Takenot.tk

2021-01-06 12:02:10

Search For Life war für mich einer der Übersongs 2021, die ganzen restlichen muss ich nochmal durchlaufen lassen...

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