Vennart - In the dead, dead wood

Self-released
VÖ: 06.11.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Auch im Winter, wenn es schneit

Was die äußeren Umstände alles ausmachen können. Reden wir nicht drumherum, 2020 war eine Katastrophe, und dies schlägt sich auch in dem neuen Werk von Mike Vennart nieder. Auf dem Vorgänger "To cure a blizzard upon a plastic sea" hatte der ehemalige Oceansize-Kopf einen dezent hoffnungsfrohen Weg eingeschlagen. Offensive Songstrukturen, die sich auch das Hymnische trauten, sogar Versatzstücke von Popmusik fanden sich in den Songs, welche einen gewissen positiven Vibe ausstrahlten. Nun kommt aber "In the dead, dead wood" und kassiert das Prinzip Hoffnung wieder ein. Entstanden aus Fragmenten und rudimentären Ideen, welche sich in den vergangenen Jahren angesammelt haben, ist das neue Album Vennarts brachial, teils zerklüftet und in weiten Bereichen auch ganz schön pessimistisch angelegt. Dass daraus jedoch keine orientierungslose B-Seiten-Verwertung geworden ist, zeugt vom kompositorischen Können des Briten.

Gitarren sind auf "In the dead, dead wood" wieder eine ganz wichtige Baustelle geworden, gerne reiben sie sich an Songstrukturen, die sich im Kontrast zum Vorgänger an einem Willen zur Vertracktheit abarbeiten. Songs wie der Opener "Silhouette" gehen zwar brachial nach vorne, erlauben sich auch epische Höhepunkte, brechen aber auch ab, nehmen neuen Anlauf oder zerlaufen in sperrigen Winkelzügen. Da wird aus dem bouncigen Rhythmus von "Super sleuth" auch kein Aufruf zur ausgelassenen Körperbetätigung, sondern eine feist groovende Abfahrt in die geistige Umnachtung. Jede Haltung, jede Melodiefolge besitzt einen kurzen Draht zu mentalem Ungleichgewicht, auch wenn Vennart zwischendurch sanfte Gesangslinien über ein mildes Klavier gleiten lässt. Die grobe Ohrfeige in Form von einem garstigen Riff, Widerhaken-Drums oder einem gruseligen Bass-Groove ist nie weit entfernt.

Es handelt sich bei dieser Platte um eine lebhafte Diskussion zwischen epischen Momenten und ungemütlichen Klangdetails, die bis in die kleinste Ritze schmerzen. Die weit ausgelegten Vocals in "Elemental" sind typisch für Vennart, man fand sie auch bei Oceansize in großer Häufigkeit, doch die Klavierpirouetten und die enervierend geduldige Gitarrenarbeit setzen neue Akzente. Aber auch in diesem Stück finden sich hymnische Momente, die die Welt wahlweise umarmen, oder eben einreißen. Der ruhige Auftakt von "Lancelot", elegische Streicher inklusive, bietet hingegen die Kehrseite, versonnene Niedergeschlagenheit, die zwar ebenfalls in einem kräftigen Refrain mündet, jedoch immer ein paar Körner zurückhält, die haltlose Überwältigung vermeidet. Viel eher reibt sich die Musik in tristen Zwischenräumen, sondiert ein brüchiges, sprödes Terrain.

Dort ist auch das instrumentale Titelstück zu Hause, am Himmel stehen düstere Wolkenbänke, ein eisiger Wind weht durchs spindeldürre Geäst, Hoffnung gibt es in der genau gegensätzlichen Richtung. Das Drama, die Epik, welche hier entsteht, haust im diffusen Schatten, karg und tiefschwarz tönen die Synths. Die abschließenden drei Stücke vermitteln dann weiter wunderbar zwischen brutaler Wucht und verletzlicher Feingliedrigkeit. "Weight in gold" wälzt sich mit malmender Kraft voran, Berge werden erklommen, doch liegt auf dem Gesang ein desorientierender Hall, der die klare Marschrichtung etwas aufweicht. "Mourning on the range" lässt hingegen viel Raum zwischen den kargen Trommelschlägen, vermittelt wunderbar das Gefühl, irgendwo zwischendrin festzuhängen, ohne Aussicht, da rauszukommen. Aber auch in solch einem Song setzt Vennart in Form eines sehnend dahin gleitenden Refrains im Stile Chris Cornells noch Kontrapunkte. Der zwölfminütige Abschluss "Forc in the road" vereint als Krönung des Albums noch einmal ermattete Melancholie mit hymnischem Donnergrollen und zeigt auf, dass die Orientierung an Traurigkeit, Wut und mentaler Schwäche bei Vennart voll aufgeht.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lancelot
  • Weight in gold
  • Forc in the road

Tracklist

  1. Silhouette
  2. Super sleuth
  3. Elemental
  4. Lancelot
  5. In the dead, dead wood
  6. Weight in gold
  7. Mourning on the range
  8. Forc in the road
Gesamtspielzeit: 45:37 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2021-07-22 19:30:43

Cool, danke.

Tom

2021-07-22 15:09:21

@ Machina: Mike ist schon lange ein großer Fan von Mike Patton. Laut diesem Interview hat er ihn sogar zum Singen inspiriert:

http://www.helldriver-magazine.de/showInterview-ID-23.htm

The MACHINA of God

2021-07-19 22:10:45

Irgendwie erinnert mich "Lancelot" heute an Faith no more. Nicht nur beim Spoken Word-Teil.

Martinus

2021-07-18 21:29:12

Bei Amazon Music gibt's es auch.

The MACHINA of God

2021-07-18 21:24:41- Newsbeitrag

Ist jetzt bei Spotify verfügbar. Kann jemand sagen, ob auch bei anderen Anbietern?

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