David Bowie - Reality

Iso / Sony
VÖ: 15.09.2003
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Vergangenheit, die nicht vergehen will

Wenn die ganze neuzeitliche Philosophie nur als Fußnote zu Platon gelesen werden kann, stellt sich die Frage, als wessen Fußnote wir David Bowies Schaffen betrachten müssen. Als die seines eigenen Werkes? Möglich. Bowie bewegt sich in einem paradoxen Universum. Immer der Alte, immer der Andere. Das Öffnen gegen die Welt versichert dem System David Bowie den Selbsterhalt. Selbstzitate, die über sich hinausweisen und doch wieder auf sich zurückkommen. Das Chamäleon treibt sich vor neuen Hintergünden herum und bleibt doch die geschmeidige Echse mit dem kühl-wissenden Blick.

Der neue Hintergrund ist diesmal ein surrealistisch, wenn auch steril-künstlich anmutendes Landschaftsfragment. Ein Bowie mit großem Kopf im Anzug spaziert einem entgegen. Seine Krawatte windet sich so unnatürlich, als fürchte sie, die Strenge des Anzugs würde ansonsten das alienhafte Gesicht und die Radaraugen ihres Trägers konterkarieren. Das alles ist unterschrieben mit "Reality". Ein Hohn, ein Witz oder doch höheres Wissen? Bowie konstruiert sein Sein - warum also nicht auch die übrige Realität?

"Reality" ist jedenfalls eine Scheibe. Sie enthält Musik. Musik, die an eine Galerie denken läßt. Elf Werke werden in ihr ausgestellt. Elf Songs, die stilistische Breite demonstrieren. Sie repräsentieren das Schaffen des Künstlers in einer klar abgegrenzten Phase, doch wer sie verstehen will, muß den Kontext kennen. Das Wiederkehrende und seine Variation: ein Reiz, der nicht mit der faden Kopie verwechselt werden sollte. Der künstlerische Gewinn liegt in der Verfeinerung, auch wenn das strukturiende Prinzip längst ein bekanntes ist.

"Reality" schlägt im Vergleich zu den epischen Vorgängern "Hours" und "Heathen" einen direkteren, kernigeren Weg ein. Ein Weg, der eher an die Spuren der 70er als der 80er Jahre des David Bowie erinnert. Der Schlenker in der Krawatte als Symbol der Rückkehr zum Rock? Vielleicht. Aber jede monokausale Erklärung führt bei einem Mann wie David Bowie nunmal geradewegs ins Klischee.

Wäre die Vergangenheit nicht längst der mythischen Verklärung erlegen, würde man bemerken, daß Bowie nie reifer, nie weiter war als heute. Doch vielleicht ist es gerade die Perfektion, auf die er das eigene Unternehmen gebracht hat, die eine Sterilität verströmt, die den frühen Entwürfen noch nicht so eigen war. Bowies Stimme, die die Musik überlagert, sich diese untertan macht, ist Aushängeschild und Achillesferse in einem. Sie gebärdet sich diktatorisch gegenüber dem Stück. Die Unterordnung bringt Songs hervor, die immer in der Gefahr schweben, daß ihr kreatives Arsenal der Gradlinigkeit geopfert wird. Gut, daß Bowie selber um manche Schwäche weiß und genau dann am Besten wird, wenn nicht nur die Musik, sondern auch der Text Selbstreflexion übt ("Never get old", "Bring me the disco king"). Fortsetzung folgt.

(Thorsten Thiel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New killer star
  • Never get old
  • Bring me the disco king

Tracklist

  1. New killer star
  2. Pablo Picasso
  3. Never get old
  4. The loneliest guy
  5. Looking for water
  6. She'll drive the big car
  7. Days
  8. Fall dog bombs the moon
  9. Try some, buy soms
  10. Reality
  11. Bring me the disco king
Gesamtspielzeit: 49:25 min

Im Forum kommentieren

Sheesh

2021-12-19 02:23:21

Rein da

The MACHINA of God

2021-12-18 01:41:27

Keine Ahnung, woher das so recht kommt, aber wer mal Bowie, Frusciante und Keenan zusammen hören möchte:

kingsuede

2016-11-30 21:26:23

So, habe gerade meine Bowie-Relistening-Phase.
"Reality" zeigt, dass selbst m.E. schwächere Bowie-Alben noch einiges können.

New killer star 8,5/10
Pablo Picasso 7/10
Never get old 8/10
The loneliest guy 7/10
Looking for water 5/10
She'll drive the big car 7/10
Days 6/10
Fall dog bombs the moon 7/10
Try some, buy some 8/10
Reality 7/10
Bring me the disco king 9/10

The MACHINA of God

2013-01-18 20:42:26

"Never get old" ist toll.

logan

2009-08-27 22:54:47

Kein durchweg schlechtes Album, was es aber auch nicht besser macht. Von Bowie hätte man zu Recht mehr erwarten dürfen.

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