Gary Barlow - Music played by humans

Polydor / Universal
VÖ: 27.11.2020
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Das Unbehagen

Wäre Musik ein Sport, hätte Gary Barlows neues Album "Music played by humans" alle Chancen auf eine Medaille. Perfekte Produktion, souveräner Gesang, virtuose Instrumentalisten, glanzvolle Arrangements. Doch irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas zerrt schon nach wenigen Minuten an den Nerven. Wenn Perfektion aus allen Poren tropft, wurde wahrscheinlich zu dick aufgetragen. Popmusik soll für gewöhnlich leichte Unterhaltung bieten, Spaß machen. Doch wenn aus einer simplen Prämisse Krampf wird, stellen sich in Windeseile Ermüdungserscheinungen ein. Mit anderen Worten: Gary Barlow hat es übertrieben. Maßlos. Sein neues Werk möchte alles Mögliche sein. Big-Band-Festival, Crooner-Hommage, wahrscheinlich sogar Krebsmedikament. So genau weiß man das nicht, weil es keine Verschnaufpausen gibt, die einem Zeit zum nachdenken lassen.

Ohne Gnade zimmert der Take-That-Mann mit dem ganz großen Hammer. An allen Ecken und Enden tutet und trötet es. Dass sich unter den zahlreichen Gästen ein Michael Bublé tummelt, ist kein Zufall. Der Meister des seifigen Jazz-Schlagers hat seinen großen Auftritt im schrecklichen "Elita", das mit seinen Latin-Anleihen die schlimmsten Zeiten von Carlos Santana heraufbeschwört. Handgemacht, echt soll das alles sein. Echt schlimm ist das. Wenn Barlow in "Enough is enough" gegen ein ganzes Blasorchester ansingt, während seine Duettpartnerin Beverly Knight um Hilfe röhrt, stellt sich Fassungslosigkeit ein. Gewiss ist die Musik meisterhaft gesetzt. Nur gibt es eben schon Alben von Frank Sinatra oder Dean Martin. Kein Mensch braucht ein erneutes Swing-Revival. Doch den Sänger ficht das nicht an. Kompromisslos wird das Tanzbein geschwungen, bis auch die letzte Disney-Prinzessin gerettet oder im Krankenhaus ist.

Nicht viel besser wird die Musik, wenn der Brite doch mal den Fuß vom Gaspedal nimmt. "This is my time" erinnert mit seinen Klavierakkorden und Streichern an Billy Joel, allerdings an jenen der späteren Jahre. Das ist unfassbar kitschig und penetrant, wer hier Freudentränen vergießt, hält Milchschnitten wahrscheinlich für einen gesunden Snack. Es geht dahin, Song für Song. Mal aufdringlich wie in "Eleven", mal unerträglich wie in "Supernatural". Die Musik schreit: "Jede Zelle meines Körpers ist glücklich", doch der Angesprochene krampft unkontrolliert. Es wird Menschen geben, die dieses Album verteidigen. Es gibt aber auch Menschen, die freiwillig "Twilight" lesen. "Jedem Tierchen sein Plaisierchen", würden diese Leute jetzt wahrscheinlich sagen. Eigentlich lässt sich das ganze Elend in einem Wort beschreiben: Unbehagen. Das ist das Gefühl, das bleibt.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Who's driving this thing
  2. Incredible
  3. Elita (feat. Michael Bublé & Sebastian Yatra)
  4. The big bass drum
  5. This is my time
  6. Enough is enough (feat. Beverley Knight)
  7. Bad Libran
  8. Eleven (feat. Ibrahim Maalouf)
  9. Before we get too old (feat. Avishai Cohen)
  10. Supernatural
  11. Oh what a day (feat. Chilly Gonzales)
  12. What leaving's all about (feat. Alesha Dixon)
  13. The kind of friend I need (feat. James Corden)
  14. I didn't see that coming
Gesamtspielzeit: 50:26 min

Im Forum kommentieren

Mic

2020-12-05 23:17:18

qwertz: Musste lachen. :-)

qwertz

2020-12-05 16:05:49

Allein das Intro des Openers ist schon so mega-prätentios, dass es weh tut.

Barlow: Let's make music played by humans.
Musiker: Höhöhöhö
Alle zusammen: *völlig sterile Musik mach, die klingt wie von nem Algorithmus produziert*

kingbritt

2020-12-05 12:02:13

@oldschool . . daccord, Brosnan hat wirklich sympathische charakterfeste gute Rollen nach Bond abgeliefert. Ich glaube der Vergleich mit Barlow hingt da auch ein wenig.

oldschool

2020-12-05 11:15:03

mal so nebenbei: Brosnan finde ich mittlerweile richtig gut. :)
Nicht als Bond, aber dannach hat er einiges richtig gemacht. So wandlungsfähig und gut wie der späte Brosnan ist Barlow lange nicht.

Mic

2020-12-04 23:32:30

Das Problem bei Barlow war immer das festhalten am Sound der 90er. Er hat sich niemals davon getrennt. Immer Schmalz immer Überproduktion. Aber Back for Good war Weltklasse.

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