The Smashing Pumpkins - Cyr

Rykodisc / Warner
VÖ: 27.11.2020
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Tales of a scorched ear

Grace Jones' Mund und Haare auf dem Cover von "Slave to the rhythm", anstrengende Montage auf Arbeit, der Meter Bratwurst oder die Geschlechtsorgane männlicher Plattentests.de-Redakteure. Es gibt Dinge, die sind einfach unnatürlich lang. "Cyr", das zweite Werk der mehr oder weniger wiedervereinigten Original-Smashing-Pumpkins, gehört dazu. Es enthält 20 Songs und dauert 72 Minuten. Nicht weil es in dieser Zeit ein großes Konzept unterbringen müsste wie "MACHINA / The machines of God" oder weil es ähnlich wie damals "Mellon Collie and the infinite sadness" die ganze Rockgeschichte auf zwei Stunden eindampft. Nein, es dauert einfach grundlos sehr, sehr lang. Zu lang. Dank der sage und schreibe zehn Vorabtracks wusste man ohnehin schon: Die per Artwork angedeutete Fortsetzung zu "Shiny and oh so bright, vol. 1 / LP: No past. No future. No sun." ist das ebenfalls nicht. Sondern Billy Corgans Vorstellung eines Synthpop-Albums. Welches klingt, als ob man Depeche Mode zu lang in die Sonne gelegt hätte.

Das führt unweigerlich zur Frage: Was zur Hölle haben Drummer Jimmy Chamberlin und die Gitarristen James Iha und Jeff Schroeder im Studio gemacht? Oder vielmehr: Was durften sie machen? Klang "Shiny and oh so bright, vol. 1" noch nach einer Rockband (mit Pro Tools), ist "Cyr" mehr denn je ein reines Corgan-Hirngespinst, von ihm selbst produziert, völlig resistent gegen jegliche Außeneinflüsse oder guten Ratschläge. Die Synths überlagern den Sound fast so wie die immer noch unangenehm laut näselenden Vocals, Gitarren sind irgendwo ganz hinten oder gar nicht zu hören. Einzige Ausnahme ist "Wyttch", das die Sechssaiter ganz deutlich noch mal jaulen lässt und immerhin zum Kopfnicken bewegt, leider aber vergisst, einen ordentlichen Song dazu zu schreiben. Stattdessen verlässt sich Corgan darauf, dass das elend oft wiederholte "Samhain! Samhain!" oder die eingestreuten "Hey"s schon irgendwie ihre Wege in die Hirnwindungen finden werden.

"Wyttch"? "Samhain"? Ja, "Cyr" ist voller prätentiöser Lyrics wie "Tangents vex the whorl / The void arrives, then leaves" – das klingt hochtrabend und literarisch gebildet, bleibt aber banal und egal. Weitere Songtitel sind derweil "Schaudenfreud" (!), "Starrcraft" oder "Adrennalynne", denn wenn man Konnsonanntten verrdoppelt und Vokále verändert, wyrkkt alles plœtzlich myysteriös. Oder eben allbern. Besser so jedoch, als es wie im erwähnten "Adrennalynne" zu machen, wo zu kitschigstem Keyboard-Geseife im lauen Furz eines Refrains Lebensweisheiten verbreitet werden: "When you're on the stage / When you feel the eyes fall to you / Make no mistake / [...] / When you're on the stage / That's life." Der Satz "These riffs don't mean shit" fällt übrigens auch in diesem Text, nur mal so. Was sich Corgan beim billigen Mitklatschbeat von "Starrcraft" oder den schaurig-schlechten Synth-Effekten von "Tyger, tyger" gedacht hat, bleibt wohl auch sein Geheimnis.

"Cyr" ist als Gesamtwerk ein Scheitern auf ganzer Linie. Dabei steckt in diesem Wust an Stücken eine solide Platte, die leider immer wieder von Belanglosigkeiten und richtigem Müll unterbrochen wird. Immerhin gelingt Corgan jeder Songtypus mindestens einmal ziemlich gut. Der Titeltrack ist eine zackige Nummer, die besonders vom schlagfertigen Wechselgesang von Corgan und den Tourmitgliedern Katie Cole und Sierra Swan lebt, und wenig später macht es das energische "Anno satana" fast noch besser. "Purple blood" lässt den wie üblich sturen Beat immerhin ungewohnt hart aufprallen. "Birch grove" ist eine schöne Ballade, die mit Zeilen wie "In love with age and someone else" zumindest Gefühle andeutet. "Black forest, black hills", mit viereinhalb Minuten schon die längste Komposition, schimmert ebenfalls hübsch und steuert die Coda in Richtung Seligkeit. Und "The hidden sun" hat dank der wundervollen Backingvocals sogar sowas wie Hitpotenzial.

Es mangelt definitiv nicht an guten Ansätzen. Sondern daran, dass sie durch die billig klingenden Instrumente, die schwache Produktion und das anderweitig oft banale bis furchtbare Songwriting ausgebremst werden. Um kurz Bela B zu zitieren, wie "ein Meer voller Kotze, das das Ufer unserer Liebe überschwemmt." Ständig stoppen die Songs, um etwas Spannendes anzudeuten, münden dann aber doch nur in die gleiche Soße wie bisher. Das Sequencing scheint zudem ausgewürfelt zu sein, da Opener und Closer absolute Non-Events sind und sich kein Spannungsbogen einstellen will. Auf der anderen Seite ist das auch egal – die meisten Stücke sind ohnehin schwer auseinanderzuhalten. "Cyr" lief anfangs bei mir aus Versehen mal im Random-Modus und ich hatte es erst nach einigen Songs überhaupt bemerkt. Das sagt mehr über The Smashing Pumpkins in 2020 aus, als es Corgans verschwurbelte Lyrics je könnten. Dann lieber Kaffeetrinken und Däumchendrehen mit Iha und Chamberlin im Studio, das ist über die gleiche Zeit unterhaltsamer.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cyr
  • Anno satana
  • Save your tears
  • Black forest, black hills

Tracklist

  1. The colour of love
  2. Confessions of a dopamine addict
  3. Cyr
  4. Dulcet in E
  5. Wrath
  6. Ramona
  7. Anno satana
  8. Birch grove
  9. Wyttch
  10. Starrcraft
  11. Purple blood
  12. Save your tears
  13. Telegenix
  14. Black forest, black hills
  15. Adrennalynne
  16. Haunted
  17. The hidden sun
  18. Schaudenfreud
  19. Tyger, tyger
  20. Minerva
Gesamtspielzeit: 72:16 min

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Glynis

2022-02-17 07:58:29

Bin um jeden coolen song dankbar....

Bernd

2022-02-16 23:54:04

Shiny 1 > Monuments > Cyr

Blanket_Skies

2022-02-16 22:19:48

Nach der schlechten Monuments und der noch übleren Shiny 1 hat mir die Cyr sogar gefallen (wenns die vorher genannten nicht gegeben hätte, wär sie dennoch auf dem letzten Platz meiner Pumpkins Lieblingsplatten).

Bernd

2022-02-16 19:55:41

Lass ich doch, nur für mich is dat Album halt nix. ;-)

Glynis

2022-02-16 07:09:37

Ja berndi für dich. Nicht für mich. Lass mir die Freude doch. Danke

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