Paris Jackson - Wilted

Dragonflower / Republic / Universal
VÖ: 13.11.2020
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Simple Mathematik

Die Rahmenbedingungen dieses Albums könnten kaum verheißungsvoller sein: Eine junge, talentierte Frau mit charakterstarker Stimme und einem Faible für bedeutungsschwangeren Nineties-Alternative-Pop macht gemeinsame Sache mit zwei Mitgliedern der schon beinahe sträflich unterschätzten Indie-Rockband Manchester Orchestra. Der kleinste gemeinsame Nenner der drei Musiker ist die Leidenschaft für den schwermütigen Sound von Bands wie Radiohead. Und die erste Single "Let down" soll laut Eigenaussage nicht nur vom Titel her eine Hommage an die Gruppe um Thom Yorke und Jonny Greenwood sein. Ansonsten herrschen auf "Wilted" schwere Pianos und tränenziehende Melodien, dunkelrote Farbtupfer sprenkeln aufs düstere Tableau. Paris Jackson, so der Name der jungen Dame, geht auf ihrem Debütalbum jedenfalls richtig in die Vollen und klingt dabei so wenig nach 2020, wie es gerade so noch möglich ist. Und dies ist mindestens erstaunlich.

Bleiben wir zunächst bei der fulminanten Vorab-Single: Über eine anfängliche Akustikgitarre legt sich rasch die zartschmelzende Stimme Jacksons, spätestens wenn nach eineinhalb Minuten Schlagzeug und weitere Gitarren hinzukommen, entfaltet sich die ganze Grandezza der Komposition. Näher kommt man der Pop-Perfektion dieses Jahr wohl nicht mehr. Und hier klingt sie nach Leichtigkeit und simpelster Mathematik. Der Fokus der meisten Songs liegt generell auf den Vocals, die sich wie eine warme Decke über die Instrumentalparts legen. Auch der Opener "Collide" funktioniert nach diesem Bauplan und lässt so einen wohligen Folksong entstehen, den man sich in dieser Form auch von Taylor Swift anno 2020 hätte vorstellen können. Das Songwriting wirkt dermaßen auf den Punkt, dass es in manchen Momenten schon fast unheimlich ist. Ecken, Kanten, Sollbruchstellen? Fehlanzeige. Wer auf Widerhaken und kleine Gemeinheiten steht, wird mit "Wilted" nicht alt werden. Hier flutscht der melancholische Kammerpop reibungslos nach dem Prinzip Ketchup-Flasche. Für manch einen mag das eventuell zu viel Zucker auf einmal sein.

Auf der anderen Seite ist "Wilted" in einigen Momenten aber ein recht verführerisches Album, mit all diesen himmlischen Melodien und den Akustikgitarren, die Lagerfeuerskizzen zeichnen. Besonders abwechslungsreich wird dabei nicht zu Werke gegangen: Die Stimmung ist meist düster-gedämpft, das Tempo zieht selten richtig an. Halbballaden aus dem Leben einer jungen Frau, die ihren Platz in dieser Welt sucht und dafür oft verwunschen wirkende Lyrics schreibt, von toten Seen und unheimlichen Zügen kurz vor dem Entgleisen. Sie wirkt dabei nicht selten wie eine verspielte kleine Schwester von Lana Del Rey, ohne deren Hang zum extremen Schwermut und Rotweinorgien, dafür aber mit einer Vorliebe für lange, einsame Waldspaziergänge. Auch die Pop-Eleganz einer Adele bricht sich hier immer wieder Bahn. "Scorpio rising" schafft dann passenderweise den diffizilen Spagat zwischen Waldschratigkeit und Hochglanzpop und bleibt noch lange im Ohr. Solche fast makellos ausbalancierten Tracks bekommt man in dieser Form auf den wenigsten Debüts. Hier standen die Sterne eben besonders günstig.

Ach ja: Paris Jackson ist natürlich die Tochter des King of Pop. Aber darauf sollte man sie nach diesem Album sicherlich nicht reduzieren.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Collide
  • Let down
  • Scorpio rising

Tracklist

  1. Collide
  2. Undone
  3. Repair
  4. Cosmic
  5. Dead sea
  6. Let down
  7. Eyelids
  8. Scorpio rising
  9. Freight train
  10. Wilted
  11. Another spring
Gesamtspielzeit: 44:43 min

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Mic

2020-11-29 23:14:29

HAHA Armin. Zu gut. :-)

Armin

2020-11-29 18:30:23

Ich mag Song und Album auch sehr gerne. Und fühl mich irgendwie hieran erinnert:

Mic

2020-11-29 00:08:55

Let Down finde ich tatsächlich ganz cool. Erinnert so ein bißchen an die shakespeare Sisters aus den 90ern oder nicht?

Armin

2020-11-24 20:30:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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