Ansa Sauermann - Trümmerlotte

Lotterlabel / Sony
VÖ: 13.11.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ansaplast

Er ist immer verlockend, der gute, alte Abwärtsvergleich. Und es ist immer ein gutes Zeichen, auf ihn verzichten zu können. Dann muss man nicht den Nachmittag mit menschenverachtenden Scripted-Reality-Schweinereien tot prügeln, und man muss auch nicht pikiert über all jene die Nase rümpfen, die genau dies tun. Und man muss an dieser Stelle auch gar nicht viel Zeit auf all die hoffnungslos hoffnungsvollen Singer-Songwriter des Landes verwenden. Nicht nur, weil das Schaffen von André aka Ansa Sauermann derlei Distinktionsgehabe gar nicht erst nötig hat, nein, vielmehr würde Sauermanns Tun und Lassen durch derartige Bösartigkeiten richtiggehend beschmutzt. Weil nämlich wie schon für das Debüt "Weiße Liebe" auch für den Zweitling "Trümmerlotte" gilt: Das hier ist besonders.

Das meint nicht, dass "Trümmerlotte" mal eben im Vorbeigehen das Genre neu erfindet, wohl jedoch, dass die Art der Darbietung ihresgleichen sucht. Noch mehr als beim Erstling darf sich Sauermann jeder Melodie annehmen, ohne abgeschmackt daher zu kommen. Weil er in allen Songs immer noch da ist, der Impro-Charakter, das Hingeworfene, die erfrischende Normalität. Und mit ihr der Eindruck, dass diese Stücke auch gerade erst vor ein paar Minuten während der Jam-Session einiger ziemlich guter Straßenmucker*innen entstanden sein könnten. Was wiederum dafür sorgt, dass dieses Album 13 Mal ganz unvermittelt und bis tief ins, nun ja, Herz trifft: "Trümmerlotte" lässt kein distanziertes Beobachten zu, verwirft alle cool-ironischen Posen, gibt und fordert vollständige Offenheit. Ohne sich wichtig zu machen. Und gibt sich manchmal mit simplen Zeilen wie "Wenn mein Arsch wieder am Boden klebt / Dann schleif ich ihn aufs Dach" zufrieden.

Zu derlei oft leicht windschiefer Assoziation darf zumeist die mit Überzeugung aufspielende Akustikgitarre das Fundament errichten, auf dem Sauermann mitsamt seiner Band die dieses Mal persönlicher ausgefallenen Themen verhandelt. Was bisweilen furios gelingt, wie etwa im vorab veröffentlichten Opener "Kopf aus", der so ziemlich alle Stäken Sauermanns pointiert auf den Punkt bringt. Die stets ein bisschen in den Chanson verliebte Gitarrenarbeit, eine kratzig-trotzige Simme, eine stets optimistische aber doch kratzbürstige Attitüde und eine bemerkenswerte Fülle an Details. Ach ja: Melodien, in die man sich hineinlegen möchte, gibt es obendrauf natürlich auch. Zuhauf sogar. "Al Pacino" schließt da nahtlos an, wenn es in seinem rumpeligen Charme musikalisch ein wenig an das Songwriting von Schnipo Schranke erinnert und konstatiert: "Aus einer wunderschönen Nacht macht man besser nicht gleich zwei." Und mit "Geht los" hat Sauermann sogar ein Stück dabei, das in einer guten und gerechten Welt als Trostbringer den direkten Weg ins Radio-Airplay finden würde. Ja, das ist als Kompliment gemeint.

Zu diesem Zeitpunkt hat man drei von bisher drei gespielten Songs des Albums erwähnt. Und beginnt zu verstehen, dass der Promotext recht hat, wenn er behauptet, Sauermann würde hier unverkrampft Hit an Hit reihen. Das bringt es nämlich auf den Punkt. Dennoch darf einfach nicht unerwähnt bleiben, dass "Verdammter Vogel" in Sachen Storytelling, Bildsprache und musikalischer Darbietung Nils Koppruch so nahe kommt, dass man, pardon, einfach scheißgerührt zurückbleibt. Oder dass "Alles was ich weiß" so leuchtend optimistisch daherkommt, dass man glatt von Song gewordener Lebenshilfe sprechen könnte. Und wenn "Weniger laut" mit seinem in sich ruhenden Klavier die Losung "Solang Du mich nicht braucht, um groß zu sein, bin ich Dein" ausgibt, weiß man, dass man sich all die Worte nach oben und unten sparen kann. "Trümmerlotte" spricht für sich. Ein Album, das man immer bei sich haben möchte.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kopf aus
  • Geht los
  • Verdammter Vogel
  • Alles was ich weiß

Tracklist

  1. Kopf aus
  2. Al Pacino
  3. Geht los
  4. Meister&Margarita
  5. Die Enden der Welt
  6. Verdammter Vogel
  7. Game over
  8. Alles was ich weiß
  9. Nackt
  10. Bohrmaschine
  11. Weniger laut
  12. Schaukelstuhl
  13. Medikamentenausgabe
Gesamtspielzeit: 48:15 min

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2021-05-14 19:47:50

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Verdammter Vogel
Alles Was Ich Weiß

Mr Oh so

2020-11-14 17:54:29

Das Cover dürfte auf meiner Jahres-Worst-of landen.

Andreas

2020-11-13 17:54:52

Eigentlich nicht meine Richtung, aber Alles was ich weiss wird auf meiner JahresBestOf landen!

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2020-11-11 10:05:48

Einige Sätze in dieser Rezension könnten wieder einige Leute triggern ;) Freut mich für Ansa, dass er es zum Album der Woche geschafft hat. Der Vorgänger war schon gut, hier werde ich daher auf jeden Fall auch reinhören.

Armin

2020-11-10 21:22:55- Newsbeitrag

Frisch rezensiert. "Album der Woche"!

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