Ferris MC - Missglückte Asimetrie
Missglückte Welt / Arising Empire / WarnerVÖ: 23.10.2020
Womöglich ja doch wieder irgendwie
Schöner schimpfen mit Sascha Reimann: ein imaginäres Medienformat, das vor einiger Zeit beinahe seine Existenzberechtigung eingebüßt hätte. Ferris MC, der gern mit despektierlichen Begriffen wie "Mongo-Clikke" oder "Asilant" um sich wirft und mit seiner eigenen Abgefucktheit hausieren geht, war gerade bei Deichkind ausgestiegen und die Rap-Welt bereit für neue Pöbeleien. Doch was kam? Ein Gitarren-Album mit dem, sagen wir es euphemistisch, philosophisch wortspielenden Titel "Wahrscheinlich nie wieder vielleicht". Zwar angemessen rockig bis räudig, dafür ohne Hip oder Hop und insgesamt nicht gerade hochklassig. Und würde der Mann mit dem Rotz-Organ und den unflätigen Ansagen künftig etwa nur noch "Eher weniger" sagen, wenn er "Nein" meint? Immerhin: Ein hämisches "Für Deutschland reicht's" saß auch unter diesen Umständen drin.
Die zuletzt als Backing-Band fungierenden Madsen sucht man hier vergeblich – trotzdem knallt uns Reimann erneut einen dicken Brocken rockige Power vor den Latz. Samt weit aufgerissenen Stromgitarren, asozial konnotiertem Wortgut und unter Mithilfe der Hanseaten Swiss + Die Andern, bei deren Label sich der 47-Jährige ideal ins Programm einfügt. Gleich sechs Vorabstücke dröhnen und grölen eine deutliche Sprache: Im "Bullenwagen" geht es mit notorisch überhöhter Geschwindigkeit und kräftigen Männerstimmen auf den Kiez, wo die Protagonisten auch in puncto Rock'n'Roll heavy on wire sind. Denn was Fischmob ihre technoide Schlumpf-Version von Slimes "Bullenschweine" war, ist Ferris MC seine frisierte Anarcho-Ausgabe von Judas Priests "Exciter". Mäßig originell und humoristisch grobschlächtig – Spaß macht das Ganze trotzdem irgendwie.
Was erstaunlicherweise auf mehrere Songs eines breitbeinigen Albums zutrifft, das nur im Titel auf das 1999er-Debüt "Asimetrie" verweist. Dass Reimann wie im eröffnenden Titelstück einen Fick auf Hater gibt und spätestens auf dem Scheißhaus alle gleich sind, versteht sich von selbst. Dass die Welt eine bessere wird, sobald der Boden unter "120 Dezibel" erbebt – auch klar. Doch unerwartet stark wird "Missglückte Asimetrie", wenn "13. Stock" zu zündendem Riffing die Plattenbau-Jugend rekapituliert oder "Kein Kompliment" einen formidablen Punkrocker mit melodischem Widerhaken hinlegt, dessen "Du erinnerst mich an Deutschland"-Refrain auch Die Ärzte oder Die Toten Hosen in die Tasche steckt. Selten passten nationalistische Vollpfosten, Corona-Leugner und Klopapier-Hamsterer besser in denselben Sack – und traf der grobe Knüppel genauer.
Dass sich der sittliche Nährwert von "Missglückte Asimetrie" in dem Track über medizinische und mentale Pandemien weitgehend erschöpft, wird niemanden überraschen, der bevorzugt "Asoziale Randale" schiebt und mit einem neidlosen "Du hast eine Rolex" sein Hartz IV in Rauch auflöst. Geisteshaltungen, die ähnlich holzschnittartig erscheinen wie die dazugehörigen Songs, sodass die zweite Hälfte zusehends in eher bewährten Mustern erstarrt. Da tut es gut, dass Reimann in "Sinkendes Schiff" wie eine Art deutschsprachiger Everlast ungewohnt kleinlaut mit seinem Gewissen hadert und "Sorry kein Sorry" die guten alten Viva-Zeiten exhumiert, aber die Selbstdistanz nicht mit dem Holzhammer serviert. Und die Moral dieser gar nicht mal so missglückten 45 Minuten: Der Künstler schimpft wieder mehr als der Hörer. Muss auch mal reichen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- 13. Stock
- Kein Kompliment
- Sorry kein Sorry
Tracklist
- Missglückte Asimetrie
- 13. Stock
- 120 Dezibel
- Bullenwagen (feat. Shocky, Swiss + Die Andern)
- Kein Kompliment
- 1323 Endstation
- Sinkendes Schiff
- Asoziale Randale
- Du hast eine Rolex
- Sorry kein Sorry
- Auf dünnem Eis mit DAG (SPD)
- Punk Punk (feat. Swiss + Die Andern)
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Lunatic Lollipop
2020-11-06 13:25:19
Lustig, dass mir auf Youtube jedesmal vor seinen Musikvideos Werbung für Schmerzmittel angezeigt wird...ein Ohmen?
Zur Erinnerung: Wenn man bedenkt, welche Genres der qualitativ mittelmäßig schon durch hat, gar nicht so schlimm wie man hätte befürchten können. Wenngleich ihm angemessen simpel und präadoleszent, trotz seiner 47 Jahresaugenringe.
Genügend 14-17 Jährige (und ein paar sonstige Harzer) werden's feiern.
Armin
2020-11-04 21:16:10- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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