Stella Sommer - Northern dancer
Northern Dancer / The Orchard / MembranVÖ: 30.10.2020
Hold me closer
Die Tage werden wieder kürzer. Und die Gemütslage entsprechend stetig düsterer. Vor allem im von Isolation und Einsamkeit, Angst und Krankheit geprägten Jahr 2020. Passend dazu erscheint nun die zweite Platte von Stella Sommer: melancholische, aber nie hoffnungslose Lieder von einer Frau, die mit der bloßen Kraft ihrer Stimme Steine erweichen und Laub verfärben kann. Das künstlerische Mastermind von Die Heiterkeit wandelt auf Solopfaden am liebsten über reduzierte Arrangements, ein einsames Piano reicht da oft schon als instrumentale Begleitung. Lyrisch geht es raus an die frische Luft, denn dort verbreiten sich die Aerosole bekanntermaßen nicht so verheerend, dort gibt es auch Dinge abseits von Bildschirmen, auf die es sich zu starren lohnt. "Northern dancer" folgt auf das vor zwei Jahren veröffentlichte Debüt "13 kinds of happiness" und natürlich gibt es auch heute noch die "happy" Momente. Man findet sie in den meisten Tracks in Spurenelementen, in feinen Melodiebögen und ungeahnten Wendungen, doch meist liegt ein introspektiver Schleier über den Songs, der mittlerweile zum Sommer-Trademark geworden ist.
Ihre Hauptband Die Heiterkeit agiert zwar in einem ähnlichen Feld, wirkt dabei jedoch oft handfester und weniger nebulös. Solo befindet sich Stella Sommer in einem Schwebezustand: Ihre Stücke haben meist federleichte, luftige Arrangements, an deren Ende diese tiefe, oftmals vereinnahmende Stimme hängt. Diese Spannung dehnt die Stücke, doch es kommt letztlich nie zur Zerreißprobe. Dass Abwechslungsreichtum vor diesem Hintergrund nicht zur größten Stärke von Sommer zählt, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Zu gerne beobachtet man nämlich die Songs, die sorgfältig ihre Pirouetten drehen und komplizierte Arabesquen vorführen. Allein wie sich der Opener und Titelsong elegant durch Strophen und Refrain bewegt, gar tänzelt, nur um sich kurz vor Schluss zur ganzen, vollumfänglichen Grandezza aufzubäumen, ist schon eine wahre Ohrenweide.
Für die Produktion dieses äußerst runden, kohärenten Albums konnte Sommer ihren Spezi Max Rieger verpflichten, der sonst im Schichtbetrieb entweder als Frontmann von Die Nerven oder als Allein-"Unterhalter" bei seinen Soloprojekten All Diese Gewalt und Obstler seine musikalischen Ambitionen ausagiert. Gemeinsam erschaffen sie eine Atmosphäre, in der diese aus der Zeit gefallenen Stücke gedeihen können: "The eyes of the singer" schlingert in fast schon sakraler Atmosphäre durch den Äther, Sommers Stimme bebt körperlös, scheint fast engelsgleich, während Bläser im Hintergrund die Melodie konturieren. Und mit melodramatischen Folk-Klavierballaden wie "The flowers won't grow" begibt sich Sommer in die stilistische Nähe von weithin geschätzten Künstlerinnen wie Agnes Obel oder Soap & Skin: Eine Entwicklung, die nicht direkt absehbar war, in ihrer Konsequenz aber folgerichtig erscheint. Vom noch oft unfertig wirkenden Indie-Rock zum großen Folk-Noir-Wurf brauchte es nur ein paar Jahre und damit verbundene Häutungen. Wir attestieren hiermit: "Internationale Klasse".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Northern dancer
- Young ghost, old century
Tracklist
- Northern dancer
- Shadows come in all colours
- A lover alone
- The eyes of the singer
- The flowers won't grow
- 7 sisters
- Young ghost, old century
- The ocean flows backwards
- We only part
- Lights on the water
Im Forum kommentieren
Armin
2020-10-28 22:19:51- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2020-09-18 21:01:43- Newsbeitrag
STELLA SOMMER
Stella Sommer veröffentlicht heute mit „The Eyes Of The Singer“ eine neue Single samt Musikvideo. Zugleich kündigt Stella Sommer ihr neues Studioalbum „Northern Dancer“ für den 30. Oktober 2020 an. Seht hier das neue Video:
STELLA SOMMER - THE EYES OF THE SINGER (Musikvideo)
Irgendwo zwischen Folk, Chanson und orchestralen Pop liefert Stella Sommer mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit und scheinbar mühelos ein Album nach dem anderen ab und scheint sich hierbei mit jeder neuen Platte stets selbst zu übertreffen. Ein Album schöner als das andere, jedes eine Welt für sich.
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