Puscifer - Existential reckoning

BMG / Warner
VÖ: 30.10.2020
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Tapete records

"I fucked Dolly Parton / I fucked Loretta Lynn / I fucked Barbara Mandrell / And I fucked all of her kin." So und nicht anders begann die erste Single von Maynard James Keenans Sideprojekt Puscifer. Seit besagtem "Cuntry boner" sind nicht nur einige Jahre ins Land gegangen, auch hat sich der abseitige Humor immer mehr aus der Musik geschlichen und ist lediglich in der visuellen Komponente der Albumcover übriggeblieben. Das meisterhafte "Conditions of my parole" führte endgültig die Emotionalität in den Sound ein, "Money shot" ging den Weg weiter hin zu gediegenen, ausladenden Elektrorock-Songs. Ein weirder Monolog, der die Hälfte von "Simultaneous" einnahm, war dort schon die Ausnahme. Die vierte Platte "Existential reckoning" hat von allen Werken das gelungenste Artwork, welches dennoch dem Grundsatz der Absurdität treubleibt – die Musik hätte allerdings vielmehr ein weißes Blatt Papier verdient.

Das Dutzend Songs nimmt sich eine Menge Zeit und hinterlässt doch viel zu wenig Eindrückliches. Klar, die Musik ist exzellent produziert, die Beats punktgenau, die Stereo-Spielereien über Kopfhörer beeindruckend. Dennoch warten unter der Oberfläche Kompositionen, die sich leider nur als lethargisch, aseptisch oder eben schlichtweg langweilig bezeichnen lassen. "Now you see right through the king's new clothing", singt Keenan in "The underwhelming", eine der immerhin recht launigen und melodisch ansprechenden Vorabsingles. In der Tat bekommt man das Gefühl, hinter dem hübschen Antlitz die nackte, dürftige Essenz der Songs direkt zu erblicken. "Existential reckoning" wirkt zwar immer so, als würde es sich bald erschließen, als würden sich beim nächsten Durchgang geniale Ideen wie eine Blüte entfalten. Doch der Knoten platzt nicht.

Es stört derweil nie, es läuft auch in seinen energischen Momenten angenehm durch, aber von Puscifer konnte man definitiv mehr erwarten als diese Soundtapete. Es ist kein schlechtes Werk, aber eben ein schwaches. Selten wird es griffig wie in der anderen Single "Apocalyptical", deren Pingpong-Vocals von Keenan und Carina Round Freude machen, oder im von Störeffekten überlagerten "Postulous" mit seinem funky Bassspiel. Anderswo bleibt oft nur gähnende Leere übrig, da kann Keenan noch so sehr in "Fake affront" mehrfach "Shut the fuck up" durch den Song rufen (lassen). In ihrer geballten Antriebslosigkeit bilden die Stücke weniger als die Summe ihrer einzelnen Teile. Der durchweg eintönige Gesang, der sich meist ohne Rücksicht auf die Wörter einfach im Stakkato auf den Rhythmus legt, hilft da leider auch nicht viel weiter.

Lyrisch bleibt's ohnehin meist vage, auch wenn Keenan gleich im Opener verkündet: "Here we are in the middle of our existential reckoning." "We're on the verge of extinction", predigt er wenig später in "Grey area", das sich ein weiteres Mal mit Kritik an der Kommunikation im Internet-Zeitalter beschäftigt. Die Auslöschung der Menschheit scheint Keenan jedoch selbst mittlerweile so zu langweilen, dass er dabei klingt, als würde er aus dem Telefonbuch vorlesen. Nebulös bleibt es auch danach, wie in den endlosen sieben Minuten von "Personal Prometheus", von dem wirklich gar nichts hängenbleibt. Der Closer "Bedlamite" wäre hingegen für sich genommen schön, würde er nicht die Trägheit der Vorgänger noch verlängern und das Ende von "Existential reckoning" herbeisehnen lassen. Oder einen schmissigen Song, in dem Countrystars flachgelegt werden. Existenzielle Gedanken bekommt man da höchstens, weil so wenig Musik zur Ablenkung da ist.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Apocalyptical
  • The underwhelming
  • Postulous

Tracklist

  1. Bread and circus
  2. Apocalyptical
  3. The underwhelming
  4. Grey area
  5. Theorem
  6. UPGrade
  7. Bullet train to Iowa
  8. Personal Prometheus
  9. A singularity
  10. Postulous
  11. Fake affront
  12. Bedlamite
Gesamtspielzeit: 60:52 min

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Affengitarre

2024-08-08 23:16:36

:)

The MACHINA of God

2024-08-08 23:11:36

Album inzwischen mit 820 Plays auf Platz 6 meiner Last.fm-Alben gesamt. Das Ding war zeitweise eine Religion für mich. :)
(was lustig ist, angesichts wie mal meine Meinung nach Release war)

The MACHINA of God

2024-08-08 23:08:53

Schau grad mal wieder das "Global probing"-Liveding zur Tour zum Album (zu der Tour zum ersten mal in meinem Leben einer Band nachgereist)... einfach fantastisch, wie auch dieses Album. Die schönste Beschreibung von Affengitarre lasse ich einfach nochmal hier:

Lässt mich wirklich nicht los, das Album. Ich liebe den Sound, der gleichzeitig super retro und futuristisch ist, die zerhackten Instrumente und Vocals sowie die herrlichen Discogrooves, die immer wieder reinkommen. Dazu kommt diese Atmosphäre, die mich übers ganze Album in den Bann zieht. Die unglaubliche Chemie zwischen Keenan und Round kann ich eh nicht genug loben. Alleine "Grey Area", das so kalt und mechanisch beginnt und sich dann so traumhaft öffnet. Einfach klasse.

Affengitarre

2023-07-07 22:35:51

Lief jetzt die letzten Tage wieder öfter und gefällt mir immer noch sehr. Das hat einfach so einen relaxten Flow, sodass ich es auch wunderbar nebenbei hören kann. Beim konzentrierten Hören entdecke ich dann immer wieder neue Details, vor allem Carinas Vocals, welche die Songs immer wieder enorm aufwerten.

Affengitarre

2022-09-08 12:15:26

Schön! Wird sicher gut.

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