Elvis Costello - Hey clockface

Concord / Universal
VÖ: 30.10.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Stimmungsmacher

Mmh, wie soll der Rezensent das finden? Zur letzten Platte von Elvis Costello, "Look now", fiel dem Schreiberling auf, dass manch Ambivalentes in Costellos Songwriting nicht schlüssig zusammenfand. Es gab durchaus feine Melodien, der Rest der Presselandschaft feierte das Album auch ziemlich, doch blieb für den ein oder anderen das Gefühl, Costello habe ein bisschen das Feeling für die kontrastierenden Elemente in seinen Songs eingebüßt. Jetzt steht "Hey clockface" an und Befürchtungen ob eines unentschlossenen Kuddelmuddels könnten schnell aufkommen. Erstens wurde diese Platte in drei Sessions, Helsinki, Paris und New York, mit jeweils unterschiedlichen Musikern aufgenommen. Und zweitens offenbart ein erster flüchtiger Hördurchgang ganze Wagenladungen an Stimmungen und Stilen. Doch gibt man dieser Platte mehrere Chancen, lässt sich von ihr ein, zwei Wochen begleiten, wird schnell klar, dass Costello die stilistischen Zügel fest in der Hand hält. "Hey clockface" deckt unheimlich viel ab, die klangliche Bandbreite ist enorm, doch ergänzen sich die verschiedenen Stimmungen ganz hervorragend.

Ein Spoken-word-Auftakt mit orientalischer Instrumentierung wie "Revolution # 49", Nähe suchend, fast feierlich, ist das krasse Gegenteil vom folgenden "No flag", welches Industrial-Drums, rotzig sägende Gitarren und eine fahrige Aggressivität im Gesang in sich hochschaukelt. nur um, und das ist der Kniff, im Refrain ein leidenschaftliches, ja romantisches Sehnen rauszuschreien. Nächster Song, nächstes Setting: "They're not laughing at me now" beginnt als Folk-Schleicher, zieht seine zärtlichen Melodien vorbei an fein orchestrierten Bläsern und baut letztlich einigen hymnenhaften Bombast auf. Diese Hochglanz-Positur ist dann natürlich wieder ein starker Kontrast zum vorhergehenden Rüpel-Rocker. Und dieses Stil-Hopping geht munter weiter, doch hält die künstlerische Persönlichkeit Costellos das Album dieses Mal vortrefflich zusammen. Immer scheint eine verschmitzte Ironie durch den Gesang und die Texte des Engländers, dabei nimmt er jedoch die verschiedensten Haltungen ein.

Durch "Newspaper pane" bewegt er sich zum Beispiel mit ätzender Resignation, "Hetty O'Hara confidential" zeigt Costello hingegen als latent aufgekratzten Spielleiter, der den Hörer durch ein zackig-gewitztes Rhythmus-Setting führt. Hier lässt die Nähe zu HipHop und generell zur schwarzen Musik zwar aufhorchen, doch wirkt dies wie alles auf dieser Platte nicht gezwungen und aufgesetzt, sondern schlüssig eingefügt. Und vor allem scheint immer echtes Gefühl, echtes Engagement durch. "We are all cowards now" hat mit seinem kühl und bluesig ausgelegten Klaviertönen einen markanten Einschlag in Richtung diffuser Schattigkeit. Doch wie Costello in seine gesangliche Ernüchterung derat viel Wärme und zartes Gefühl legt, ist beeindruckend.

Ähnlich weich gebettet ist "I can't say her name", welches eine Liebeserklärung direkt von der versifften Bühne einer nur Insidern bekannten Kneipe im Herzen New Orleans zu senden scheint. Dass es diese klassischen Costello-Momente auch auf "Hey clockface" in Hülle und Fülle gibt, der Künstler sich aber nicht auf ihnen ausruht, macht aus diesem Album ein großes Vergnügen, nicht nur für Stamm-Fans des Briten. Eine butterweiche Ballade wie der Abschluss "Byline" geht natürlich immer, doch da gibt es eben immer wieder Artfremdes und latent Schräges, was sich sperrt, aber letztlich doch hervorragend ins Ganze einfügt.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • No flag
  • They're not laughing at me now
  • We are all cowards now
  • I can't say her name

Tracklist

  1. Revolution # 49
  2. No flag
  3. They're not laughing at me now
  4. Newspaper pane
  5. I do (Zula's song)
  6. We are all cowards now
  7. Hey clockface / How can you face me?
  8. The whirlwind
  9. Hatty O'Hara confidential
  10. The last confession of Vivian Whip
  11. What it is that I need that I don't already have?
  12. Radio is everything
  13. I can't say her name
  14. Byline
Gesamtspielzeit: 49:52 min

Im Forum kommentieren

AliBlaBla

2020-10-30 18:57:49

Also, ausgebrannt ist der Gute hier ja nun wirklich nicht, wenn mir das letzte Album auch einen Klacks besser gefallen hat...
Aber allein "I so" oder "What is it that I need that I don't already have", da würden andere für Killen, für solche Songs...

kingbritt

2020-10-30 18:39:50


Ja, stimmt. Diana Krall schmalzt manchmal zu viel. Ist auch nicht wirklich verrucht, wie my Darling Melody G.
Gleiche Kategorie aber mir persönlich lieber wie Diana, die Schwedin Viktoria Tolstoy ("Shining On You" schönes Album 2003).

dreckskerl

2020-10-30 17:35:43

Nach dem 2.Hören muss ich sagen,dass ich dieses aktuelle Album neben eineigen echt starken Songs, ein paaar dabei sind, die mir nich zusagen.
Bei den Balladen ist sein Vibrato zu dick aufgetragen und es sind definitv ein paar schiefe Töne dabei.
Ich finde den Vorgäger doch klar besser.

Ich mag von ihm besonders "Blood and chocolate" und "Spike".
Frau Krall ist immer noch seine Ehefrau, die übrigens dieses jahr mit This dream of you" ein ganz schlicht arrangiertes Jazzalbum gemacht, endlich wieder etwas von ihr ohne zuviel Schmalz.
Absolut hörenswert.

Beispiel:
Autumn in New York

https://www.youtube.com/watch?v=v5FVmJKPSrY

kingbritt

2020-10-30 16:13:03


Costello klaro, zwei Alben die ich sofort im Kopf und sehr sehr oft gehört habe. Das tolle Album 1983 "Punch the Clock" mit Robert Wyatts Nummer "Shipbuilding" und das 1979 "Armed Forces".

@dreckskerl . . . bei meiner Referenz, Hey clockface klingt etwas verwirrend oder gar verirrt für Costello und meinen Geschmack. Hörenswert, oder? Ist er eigentlich noch mit Diana Krall, der Jazzsängerin zusammen? Könnte ja mal wieder mehr urbaner, ja, jazziger werden. Steht ihm besser.

dreckskerl

2020-10-30 13:26:11

Hast du dieses Album angehört oder das neue von Springsteen?

Von wegen, einfach ausgebrannt.

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