Nena - Licht
Laugh & Peas / BMG / SonyVÖ: 16.10.2020
Bis einer weint
Oh, Nena. Heldin flaumbärtiger Jünglinge, Idol selbsternannter Hairspray-Queens. Bald 40 Jahre ist es her, als sie "99 Luftballons" steigen ließ und die Herzen von Millionen eroberte. Dies- und jenseits des großen Teichs. Seitdem hat sich die Sängerin von Comeback zu Comeback gehangelt und dabei sukzessive die Verbindung zur Realität verloren. Immer nichtssagender und schwurbeliger wurden die Texte, während sich die Musik irgendwo zwischen Fahrstuhl und Küchenradio bewegte. Auch im Jahr 2020 folgt die Künstlerin diesem Muster. Für eine Neuerfindung fehlt wahrscheinlich die Fantasie. Aber mal ehrlich: Niemand erwartet von Nena ein tiefschürfendes Singer-Songwriter-Album. "Licht" heißt ihr neues Werk. "Funzel" wäre passender gewesen.
Eine große Sängerin war Nena sicherlich nie. Weshalb ihre Stimme nun aber nur noch mit Autotune auf die Hörerschaft losgelassen wird, bleibt wohl das Geheimnis ihrer Produzenten. Wenn die Message direkt ausfallen soll, aber die Stimme künstlich klingt, will sich kein schlüssiges Gesamtbild ergeben. Musikalisch überrascht "Licht" mit erstaunlich luftigen Songs, deren elektronische Elemente mit großem Sachverstand gebastelt wurden. Dass viele Sounds tief in den Achtzigern wildern, kann unter Zielgruppenbedienung verbucht werden. Das eigentliche Problem ist jedoch das, was Nena so von sich gibt. Kein einziger Song kommt ohne Phrasen aus. Meist reimen diese sich zwar, aber ob das hilft, sei dahingestellt. Immerhin kann man sich den Unsinn so besser merken. "Früher ist vorbei / Wir erneuern unsere Zeit / Träumen fällt uns leicht / Wir sind frei", salbadert die Dame beispielsweise in "Zurück in die Zukunft". Sie wird sich schon etwas dabei gedacht haben.
Verse wie "Ich surf' meine Welle / Und schwimme zur Quelle / Gegen den Strom so wie 'ne Forelle (elle, elle)" schlagen dem Fass allerdings den Boden aus. Was wahrscheinlich irgendwie flapsig wirken soll, löst Gelächter aus. Vielleicht ist es möglich, sich derlei Ergüsse schönzusaufen. Fans werden sicher viele der Songs lieben, die Lagerfeuerballade "Wandern" hat etwa das Zeug zum Wonnemoment auf Live-Konzerten. "Es wird alles wieder gut", flüstert Nena da. Bestimmt, wir müssen nur ganz fest dran glauben. Nun ließe sich all das als harmloses Geseier abtun, wäre da nicht dieses Gefühl. Dieses Gefühl, das sich seit vielen Jahren beim Hören zeitgenössischer deutschsprachiger Popmusik einstellt. Die allumfassende Seichtigkeit ist mittlerweile mehr als nur ein Stilmittel. Sie ist Symptom einer brachliegenden Kunstform.
Und Nena ist der Leuchtturm im lyrischen Wattenmeer. Sirenengleich lotst sie die verirrten Schiffe an den nächstgelegenen Felsen. "Die Karawane der Liebe zieht aus in die neue Welt", singt sie in "Karawane". Landungsbrücken raus, der Kapitän hätt Doosch. Dass die Musik in solchen Augenblicken mit mehr als nur einem Bein im Schlager versinkt, fällt gar nicht mal sonderlich auf. Zu beliebig, zu egal ist das, was aus den Lautsprechern kommt. Wenn Nenas Tochter Larissa der Mama in "Galaxien" zur Seite springt, ändert das ebenfalls nichts am desolaten Gesamtbild. Wobei es erstaunlich ist, wie sehr sich die Stimmen der beiden ähneln. Aber wahrscheinlich ist Zynismus auch die falsche Option. Vielleicht sollten sich alle Menschen einfach an den Händen nehmen und im Kreis tanzen. Bis einer weint. Der Letzte macht bitte das Licht aus.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Wandern
Tracklist
- Licht
- Da da dam (Ich geb' Dir mein Ja)
- Zurück in die Zukunft
- Forelle (feat. Maduh)
- Wandern
- Shine on
- Karawane
- Galaxien (feat. Larissa Kerner)
- Zimmer
- Auf einmal warst Du da
- Alles neu
Im Forum kommentieren
musie
2020-10-24 11:40:58
so jetzt stelle ich mich in den Sturm: ich finde ihre neuen Sachen gar nicht mal so schlecht. und die alten sind sowieso gut.
kingbritt
2020-10-24 11:06:42
. . . schlimm, altbackenes Zeugs. Bekloppter Text.
oldschool
2020-10-24 10:24:31
Nena ist für mich eine Persona non grata. Unsymphatisch, dumm, irgendwie ein Trampel. Das weibliche (oder musikalische) Gegenstück zur Sportlegende Boris Becker. Die kann muskikalisch machen was Sie will - es spielt für mich keine Rolle. Wenn ich Ihre Stimme höre, dreht sich schon mein Magen um
Mann 50 Wampe
2020-10-21 22:27:05
Natürlich völlig überflüssiger Müll, aber die Rezension ist gut, musste an einigen Stellen schon schmunzeln. Ohne einen Ton von dem Machwerk gehört zu haben, kann ich mit jetzt gut vorstellen wie das Ding klingt.
maxlivno
2020-10-21 21:55:44
2 Punkte zu viel
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