
Benediction - Scriptures
Nuclear Blast / Rough TradeVÖ: 16.10.2020
So!
Breaking News: Death Metal ist viel mehr als Grunzgesang zu brettharten Riffs. Musste man Fans natürlich noch nie erzählen; wer sich allerdings bislang nur flüchtig oder überhaupt nicht mit diesem Genre befasst hat, der dürfte überrascht sein, wie viele unterschiedliche Strömungen sich mittlerweile unter dieser Gattung zusammenfassen lassen. Nicht weniger interessant ist, dass sich viele stilistische Eigenschaften auf nur wenige Bands, Regionen oder auch Studios zurückführen lassen. Die Göteborger Schule ist nun einmal unverkennbar, ebenso wie Anfang der Neunziger die genreprägenden Produktionen der Brüder Jim und Tom Morris aus dem Morrisound-Studio in Tampa oder jene hart an Einheitsbrei grenzenden Aufnahmen von Tomas Skogsberg aus dem Sunlight-Studio in Stockholm. Klangvolle Namen für so manche Death-Metal-Veteranen. Eine solche Ursuppe existierte im Vereinigten Königreich vor allem durch zwei Bands: Bolt Thrower aus Coventry und Benediction aus Birmingham. Alleine über die Verflechtungen dieser beiden Bands ließen sich Aufsätze schreiben; das Bindeglied ist allerdings Sänger Dave Ingram, der 1998 Benediction verließ, und mit Bolt Thrower 2001 die Platte "Honour - valour - pride" eingrunzte, um anschließend weitgehend von der Bildfläche zu verschwinden.
Insofern dürfte verständlich sein, dass im Jahr 2019 zwei Nachrichten die Fans in Aufruhr versetzen. Nachricht eins: Dave Ingram ist wieder bei Benediction eingestiegen. Nachricht zwei: Ein neues Album ist in Arbeit, das erste seit 2008. Und was macht man als braver Death-Metal-Veteran, wenn man zeigen will, dass man alles mögliche ist, nur nicht eingerostet? Richtig – es gibt erstmal zünftig ein paar vor den Latz. "Iterations of I" darf also "Scriptures" eröffnen, das erst achte Studioalbum in 30 Jahren, und erwartungsgemäß bleibt kein Auge trocken. Das macht Appetit auf mehr, und es obliegt dem folgenden "Scriptures in scarlet", den ersten größeren Haufen Trümmer zu produzieren. Was für ein starkes Brett, getrieben von Riffs, wie sie nun mal die alte britische Death-Metal-Schule sind. Und wenn Ingram seine – durchaus verständlichen – Vocals dazu röhrt, klingt es so, als wäre er nie weg gewesen.
Wenn man zur Überinterpretation neigt, könnte man "Scriptures" so etwas wie nostalgischen Eskapismus unterstellen, weil früher ja bekanntlich alles besser war. Kompletter Kokolores. Manchmal sollte man einfach jeglichen intellektuellen Überbau fallen lassen, manchmal muss stumpf eben trumpf sein. Und genau mit dieser Haltung trifft nahezu jedes Riff genau in Hirn, Herz und Magengrube. "Stormcrow" walzt einfach alles nieder, und wer nicht spätestens bei "Progenitors of a new paradigm" enthemmt mitbangt, hat Death Metal nie geliebt. Doch halt: Sind die Riffs wirklich so stupides Geknüppel? Durchschnaufen und das ganze nochmal mit dem Kopfhörer anhören. Und plötzlich stößt man auf den Grund, findet die kleinen bösartigen Crust-Einsprengsel beispielsweise in "Rabid carnality", um dann festzustellen, dass sich die beiden Gitarristen Peter Rew und Darren Brooks in bester britischer Twin-Guitar-Tradition effizient die Bälle zuspielen.
Was jedoch wirklich Freudentränen in die Augen treibt, kommt nicht etwa von der Band, sondern von Produzent Scott Atkins, dessen Sound eine Wohltat ist für jeden, der von den klinischen Death-Metal-Produktion der heutigen Zeit maximal genervt ist. Endlich, endlich darf eine Doublebass wieder eine Doublebass sein und nicht mehr klingen, als würde jemand mit der flachen Hand auf ein Sofakissen patschen, jedes Instrument bekommt genug Raum – das ist schlicht ein Genuss für das so oft zu Tode produzierte Genre. Und genau das ist wieder die alte Schule. Genau so alte Schule, wie es Benediction gelingt, den Bogen zu ihren frühen Platten zu schlagen, und ja, das beinhaltet ausdrücklich auch das nahezu perfekte "Transcend the Rubicon" von 1993. Wenn überhaupt, dann könnte man am etwas eintönigen "In our hands, the scars" herummäkeln oder aber diesen Song als kurze Verschnaufpause betrachten. Denn "Scriptures" ist mehr als eine Comeback-Platte einiger ergrauter Veteranen. Es ist ein Ausrufezeichen, das all die Newcomer erst einmal erreichen müssen. Die alten Herren zeigen den Jungspunden noch einmal mit Macht, wo der Bartel den Most holt. Beeindruckend.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Scriptures in scarlet
- Progenitors of a new paradigm
- We are legion
Tracklist
- Iterations of I
- Scriptures in scarlet
- The crooked man
- Stormcrow
- Progenitors of a new paradigm
- Rabid carnality
- In our hands, the scars
- Tear off these wings
- Embrace the kill
- Neverwhen
- The blight at the end
- We are legion
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Marküs
2020-10-23 15:39:09
Mögen einen Tacken stärker sein, sicherlich. Aber Benediction können auch schon sehr vieles. Und die neue Platte ist mit 7/10 lächerlich unterbewertet. Aber was soll man in diesem Mag erwarten, das mit Death Metal wenig bis nüscht am Hut hat.
flow79
2020-10-23 15:29:48
und Bolt Thrower, die ich noch einen tacken stärker fand. War Master, IVth Crusade... Wahnsinn!
Marküs
2020-10-23 15:20:24
Früher in deinen wilden Jahren? ;-) Bei mir hat die Pubertät nie aufgehört. Ja transcend the rubicon ist natürlich ein Klassiker.
flow79
2020-10-23 14:55:01
So was habe ich früher gerne gehört, die Transcend The Rubicon ist ein echer Klassiker.
Marküs
2020-10-23 14:21:51
Gerade In our hands, the scars ist doch richtig geil. Sowieso eine nahezu makellose Platte.
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- Benediction - Scriptures (6 Beiträge / Letzter am 23.10.2020 - 15:39 Uhr)