Matija - byebyeskiesofyesterday

Clouds Hill / Warner
VÖ: 09.10.2020
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

miasanmia

Zur Klarstellung: Die Münchener Indie-Popper The Capitol haben 2015 ihren Namen nicht etwa deswegen in Matija geändert, weil sie die böse Ahnung hatten, Donald Trump könne Präsident werden und sie nicht mit einem Wahrzeichen der US-Administration in Verbindung gebracht werden wollten. Nein, es ging vielmehr um künstlerische Häutung, Neudefinition des musikalischen Selbst und vermutlich auch um die Präsenz von Sänger Matt Kovac, der bürgerlich Matija Chlupachek heißt, den Sound des Trios mit glasklaren Vocals prägt und dank latenter Androgynität als Aushängeschild fungiert. Der sanft melancholische, zuweilen halbakustische Matija-Zweitling "byebyeskiesofyesterday" dient wiederum als ideales Gefäß für Kovacs Person: stets etwas gekippt und nah genug an zeitlosem Pop-Drama, um sich etwaige Hipster-Vorwürfe zu Herzen nehmen zu müssen.

Und was könnte weniger angesagt sein, als den ganzen Tag faul zu Hause abzuhängen? Sprechen wir stattdessen lieber von der klassischen, selbstverordneten Auszeit des redlich ermatteten Dandys. Als solcher geriert sich der Frontmann zumindest im weit ausholenden "absolutelynothing(today)", das zu Akustikgitarre und die Arme ausbreitenden Harmonien trostreich das süße Nichtstun in den eigenen vier Wänden feiert. Und da weithin bekannt ist, dass man in Jogginghosen die Kontrolle über sein Leben zu verlieren droht, läuft Kovac lieber direkt nackt durch seine mutmaßlich mit preziösem Tinnef vollgestellte Bohemien-Bude. Natürlich nur in diesem strahlenden, ansatzweise hymnischen Prachtstück von einem Song – auch ein vollmundiges "thestreetssinghallelujah" schmettert sich in der Öffentlichkeit bekleidet nun mal problemloser. Und getanzt werden soll auch.

Nicht nur das Programm in der mit Samtvorhängen ausgepuschelten Untergrund-Disco ist dabei mannigfaltig informiert. Besser als mit dem beweglichen Midtempo, das dem Opener folgt, kann man die "saddaysinthecity" gar nicht in einen wirbelnden Farbenrausch verwandeln, den auch der rheinische Kollege Roosevelt in seiner leicht käsigen Raffinesse nicht besser hingekriegt hätte. Der mit maßvollem Autotune-Effekt belegte kleine Bass-Groover "alliseeisus" rekapituliert kurz darauf die allmähliche Infiltration der Indie-Clubmusik durch Elemente des French Touch und rechtfertigt Matijas Support-Slot für The 1975 genauso wie das luftig Brit-poppige "Happiness". Gegen das magische, sich zu E-Piano und einem Hauch von Opium-Gitarren in andere Sphären träumende "troiskilometres" ziehen aber auch diese zweifellos gelungenen Stücke den Kürzeren.

Gibt sich "byebyeskiesofyesterday" ab der Mitte in sich gekehrter und favorisiert Klavier-Etüden und französelndes Pathos über unbeschwerten Scharwenzel-Pop, so gehört das zum Spannungsbogen, den Matija jedoch nicht komplett aufrechtzuerhalten vermögen. "reanalyser" etwa vermittlelt für ein Manifest des stilistischen Wandels wenig Aufbruchsstimmung, "interlude(cabinets)" versinkt sorglos in einer Shoegaze-Halluzination und verschenkt so in Vorbeiwanken einen Hit. In gewisser Weise bleibt der Nachfolger des Debüts "Are we an electric generation falling apart?" also unvollendet – beweist aber mit konsequenter Stilisierung sowie listigen Zitaten von Radiohead über Leonard Cohen bis hin zu ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead eine vielschichtige Persönlichkeit. Umbenennen? Spätestens jetzt keine Option mehr.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • absolutelynothing(today)
  • saddaysinthecity
  • troiskilometres

Tracklist

  1. absolutelynothing(today)
  2. saddaysinthecity
  3. thestreetssinghallelujah
  4. alliseeisus
  5. troiskilometres
  6. happiness
  7. awaytosurvive
  8. reanalyser
  9. inlovewithamurderer
  10. interlude(cabinets)
  11. theoretically
  12. byebyeskiesofyesterday
Gesamtspielzeit: 44:42 min

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Armin

2020-10-14 21:06:39- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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