Mary Lattimore - Silver ladders

Ghostly International / Cargo
VÖ: 09.10.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Harfe am Flughafen

Von Los Angeles an die britische Küste. Die Harfinistin Mary Lattimore war bisher eher eine Eigenbrötlerin. Ihre Alben spielte sie komplett alleine ein, nahm sie ebenso auf und produzierte sie selbst in Kalifornien. Da musste schon eine Heldenfigur auftauchen, um daran etwas zu ändern. Lattimore wurde durch Vermittlung einer Freundin Neil Halstead vorgestellt, den sie für seine Arbeit mit Slowdive arg bewunderte. Über einen ungezwungenen Plausch entwickelte sich die Idee, dass Halstead Lattimores neues Album produzieren sollte. Und dafür lud der Brite die Kalifornierin in seine Heimat Cornwall ein, wo er auf einem verlassenen Flughafengelände sein kleines Aufnahmestudio betreibt. Und es blieb nicht nur beim Produzieren, Halstead steuert auf einigen Tracks von "Silver ladders" noch sein sehr eindringliches Gitarrenspiel bei. Dies sorgt auf Lattimores neuem Album unter anderem dafür, dass ihre Harfe nicht zu lieblich gerät, obwohl dieses Instrument in den sieben Stücken eh nicht unbedingt das Bild von pausbäckigen Engelchen, die zärtlich an den Saiten zupfen, hervorruft. Eher ist es wie mit der Landschaft Cornwalls: mal ein Idyll, doch wehe, wenn ein Sturm aufzieht und die Wellen peitschen.

Ein Sonderlob für die Produktion muss es allein deshalb geben, weil jedes Instrument unheimlich kristallin und transparent aus den Boxen klingt. Egal, ob Lattimore ihre Harfe sprudelnd schnell oder in karger Langsamkeit spielt: Jeder Ton steht für sich, nichts verwischt oder fließt ineinander. Und so erhalten die Räume zwischen den einzelnen Tönen, die Stille, eine ganz klare Kontur. Manchmal meint man, die Gedanken einer ganzen Jahreszeit in einen solchen Zwischenraum packen zu können, und dass, obwohl die Töne mitunter recht flott aufeinander folgen. Das Bewusstsein für das Verrinnen von Zeit, für Ausfüllung und Leere, wird auf "Silver ladders" in höchstem Maße stimuliert.

Und dann sind diese Stücke melodisch auch noch extrem reizvoll. Wunderbar gestaltet sich etwa das Zusammenspiel von Gitarre und Harfe in "Til a mermaid drags you under." Ersteres Instrument klingt hier träge, erdig, aber auch versonnen. Vor dem tief hängenden Wolkenpanorama eines elektronischen Grummelns tröpfeln die Gitarrentöne zäh herunter, bilden aber auch manchen trägen Strudel. Dazu kommen die fragilen Harfenklänge, welche in ihrer zarten Lichtheit fast zerspringend sprudeln. Das Schöne dabei ist, dass beide Klangerzeuger mit ihren Charakteristika einen fruchtbaren Dialog erzeugen, der sich weniger durch Widersprüche, als durch behutsame Ergänzungen auszeichnet.

Dagegen ist die Ruhe in "Don't look" zunächst eine angespannte. Die Harfenklänge besetzen scheinbar mit einiger Mühe die Leere, jeder Ton scheint wohl bedacht und mit großer Sorgfalt ausgeführt. Doch nach und nach geraten die Intervalle zwischen den Tönen kürzer, Lattimore versieht die zunächst kargen Melodien mit Verzierungen und Wirbeln. Hier wird man fast unmerklich in eine Intensivierung durch Leichtigkeit hineingezogen: Was vorher hart errungen schien, geht jetzt leicht und spielfreudig vonstatten. Auch hier merkt man den Kontrast von lieblicher Helligkeit und einer latenten Bedrohung, die zusätzlich durch ein tiefes Bassgrummeln aus dem Hintergrund betont wird. Aber vor allem können die Hörer*innen nun bezeugen, welche Kraft ein einzelner Ton im Angesicht der Stille tragen kann.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Til a mermaid drags you under
  • Sometimes he's in my dreams
  • Don't look

Tracklist

  1. Pine trees
  2. Silver ladders
  3. Til a mermaid drags you under
  4. Sometimes he's in my dreams
  5. Chop on the climbout
  6. Don't look
  7. Thirty tulips
Gesamtspielzeit: 40:18 min

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Armin

2020-10-14 21:06:28- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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