Heathen - Empire of the blind

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 18.09.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Starkes Stück

Manchmal kann man sich wirklich nur wundern. Da werden Trends geschaffen, Hypes ausgeschlachtet, Bands werden zu Millionensellern, die außerhalb eines solchen Trends niemanden wirklich interessieren würden (innerhalb oftmals auch nicht, dafür gibt es eben Marketing – aber wir schweifen ab ...). Und dann gibt es die Bands, die immer irgendwie in der zweiten Reihe stehen und sich vielleicht genau deswegen einen gewissen Status erarbeiten. Heathen aus San Francisco sind so ein Beispiel. Alleine der Blick auf das Personaltableau seit der Gründung der Band im Jahr 1984 zeigt durch zahlreiche Ein- und Ausstiege von Mitgliedern, gerne auch mehrfach, dass Konstanz nicht eben die Sache der Kalifornier ist. Und doch schaffte es die Truppe, mit zwei Studioalben, nämlich "Breaking the silence" von 1987 und "Victims of deception" von 1991, zu einem ewigen Geheimtipp zu werden. 1992 allerdings war vorerst Schluss, nachdem Gitarrist und Mitgründer Lee Altus die Band verließ, um mit Die Krupps deren Metal-Phase unter anderem auf dem Album "III – Odyssey of the mind" von 1995 zu begleiten. Und doch blieben Heathen immer irgendwie im Gespräch. Das lag nicht nur am großartigen Comeback-Album "The evolution of chaos" aus dem Jahr 2010, sondern vor allem daran, dass die Band gerne als eine Art Ersatzbank für die Größen des Genres fungierte. So stieg Altus 2005 als zweiter Gitarrist bei Exodus ein, und auch Kollege Kragen Lum griff dort für ein paar Gigs in die Saiten, als deren hauptamtlicher Klampfer Gary Holt bei Slayer aushalf.

Jede Menge Bäumchen-wechsel-Dich also, mit mehr Protagonisten als ein Tolstoi-Roman. Insofern ist es zunächst einmal erfreulich, dass Heathen überhaupt noch die Zeit für Studioarbeit fanden – womit wir nun endlich beim eigentlichen Thema wären. Denn eben durch diese wirren Wechselspiele darf sich "Empire of the blind" nicht nur als gerade mal viertes Studioalbum in 36 Jahren in die Diskographie einreihen, sondern erfreut sich gleichzeitig jeder Menge Vorschusslorbeeren. Der daraus gebundene Kranz wird dann nach kurzem Intro allerdings direkt wieder vom Haupt geweht. Denn "The blight" zeigt schon einmal exemplarisch das Alleinstellungsmerkmal von Heathen in der Bay-Area-Thrash-Szene – zwar druckvoll, aber nie überhart, dazu sehr feine Gesangsmelodien von Frontmann David White. Noch deutlicher wird dies im Titeltrack, der etwas Tempo opfert, um daraus einen beinharten Groove zu zimmern. Und dass Altus und Lum an den sechs Saiten ihr Handwerk verstehen, beweisen die beiden Klampfer nicht zum letzten Mal mit feinen Leads.

Es mag dem exzellenten Sänger White, der der wunderbaren Powerballade "Shine of apathy" eine gehörige Portion Seele einhaucht, vielleicht nicht gerecht werden, aber immer wieder zeigt sich: Das Riff ist der Star. Das ist natürlich nicht weiter verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass die meisten Songs eben aus der Feder von Kragen Lum stammen, aber dennoch ist es ein Genuss, diesen beiden Könnern intensiv bei der Arbeit zuzuhören. Denn fernab jeglicher Griffbrett-Hobelei funktionieren Lum und Altus wie eine gut geölte Maschinerie und sind dabei immer songdienlich. Ganz wunderbar ist das bei "Dead and gone" zu hören, aber auch bei der Abrissbirne "The gods divide", die zum Abschluss der Platte keinen Stein auf dem anderen lässt.

Einmal allerdings kommen auch die Freunde des orgiastischen Gitarrensolos so richtig auf ihre Kosten. Instrumentale Zwischenspiele sind ja gerne einmal eher Fingerübung zum Füllen der Spielzeit. Doch "A fine red mist" ist viel mehr als das, es ist ein Familientreffen. Denn gleich fünf Gitarristen, nämlich zusätzlich zur Stammbesetzung der bereits erwähnte Gary Holt, Lums Vorgänger Doug Piercy und Rick Hunolt, der ebenfalls dermaleinst bei Exodus in die Saiten griff, erhalten über fünf Minuten Gelegenheit zum kollektiven Ausrasten. Wundersamerweise gerät dies nicht zum Soundbrei in der ansonsten nicht immer gelungenen Produktion, sondern lässt dem wilden Geschredder reichlich Platz zur Entfaltung und macht das glückliche Grinsen der Klampfer förmlich hörbar. Und das dürfte auch der Gesichtsausdruck bleiben, nachdem das Outro "Monument to ruin" die Platte ausklingen lässt und dabei das Thema der Ouvertüre wieder aufgreift. Denn manchmal reicht es, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und diese zu einem höchst soliden Ganzen zu formen, um seine Zielgruppe formvollendet zu erfreuen. Und zwar nicht nur einmal alle zehn Jahre, wenn wir höflichst bitten dürfen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Empire of the blind
  • A fine red mist
  • The gods divide

Tracklist

  1. This rotting sphere
  2. The blight
  3. Empire of the blind
  4. Dead and gone
  5. Sun in my hand
  6. Blood to be let
  7. In black
  8. Shine of apathy
  9. Devour
  10. A fine red mist
  11. The gods divide
  12. Monument to ruin
Gesamtspielzeit: 47:22 min

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Armin

2020-10-14 21:06:06- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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