Public Enemy - What you gonna do when the grid goes down?
Def Jam / UniversalVÖ: 25.09.2020
Zur Zeit
"The revolution will not be televised" – hier irrte Gil Scott-Heron vor rund 50 Jahren. Doch der 2011 verstorbene Spoken-Word-Poet konnte seinerzeit eben nicht wissen, dass heutzutage bewegte Bilder von aufgebrachten Massen um die Welt gehen, die angesichts von Polizeigewalt und des Mordes an George Floyd gegen die US-Obrigkeit rebellieren. Abgesehen davon hat sich nicht allzu viel getan, denn 24-Stunden-Nachrichten und Soziale Medien bewirken nun mal nicht, dass keine Verbrechen an der schwarzen Bevölkerung mehr begangen werden, sondern lediglich, dass umfassender darüber berichtet wird. Und mal ehrlich: Jahrhundertelang gewachsenem rassistischem Bullshit kann auch ein Virus nur schwer das Wasser reichen. Wenn Public Enemy also nicht 2020 den Mund besonders weit aufreißen, weil sie angepisster denn je sind, wann dann?
Folglich kommt "What you gonna do when the grid goes down?", der je nach Zählung 15. bis 17. Longplayer der Säulenheiligen des Black-Power-HipHop, ähnlich geschliffen zur Zeit wie "RTJ4" oder "Untitled (Black is)" von Sault. Was nichts daran ändert, dass Public Enemy Meister der Inszenierung bleiben. Groß war das Echo, als Chuck D im Frühjahr vor Release den menschlichen Wecker Flavor Flav unter Getöse aus der Band warf, aber wenig später huldvoll zurückholte. Ähnlich wirksam: Das sich ständig selbst ins Wort fallende Update des Klassikers "Fight the power" präsentiert gleich sechs renommierte Vokalisten, P-Funk-Gründervater George Clinton spricht im Opener einleitende Worte, und selbst um das winzigste Interlude balgt sich eine Reihe von Gästen. Viel Rap, viel Ehr.
Zugegeben: Ungewöhnlich ist anders im Genre – nicht erst seit der leicht merkwürdigen Gang-Starr-Wiederkunft "One of the best yet". Das eigentlich Verblüffende besteht darin, dass dieses Album auch abseits der sich auf engsten Raum drängelnden Jumbo-Features für sich selbst zu stehen vermag. Dabei ist Chuck D schlau genug, etwa DJ Premier als Groove-Architekten für den zu spukigem Theremin-Loop rollenden Trump-Diss "State of the union (STFU)" zu engagieren und schmiedet die Stücke ansonsten souverän um die jeweiligen Stimmen. "GRID" wird mithilfe der Profil-Kiffer von Cypress Hill auf Aggro-Dope zu staubtrockenem Beatbox-Gebrösel, "Smash the crowd" rockt den Ice-T-Shit mit Gitarren-Samples und Stax-Bläsern, und auch Flavor Flavs "Yo Chuck, run a power move on 'em"-Ansagen kommen wunschgemäß frenetisch. Sorry: fresh.
Natürlich sitzen neben den üblichen listigen Wortspielen auch explizite Selbstzitate drin: "Public enemy number won" renoviert den Track vom Debüt "Yo! Bum rush the show" mit Run-DMC und zwei Beastie Boys sowie scharfen Electro-Parts bestmöglich und drückt hinten raus auf die Uptempo-Tube, ehe "Toxic" die Sache tight und schwitzig runterkocht und im Geräusch-Jam "Beat them all" die Scratches wie eine Vollbremsung der Dicke-Hose-Limos kreischen, die Public Enemy nie gefahren sind. Grober gestrickt ist der Metal-Crossover "Yesterday man", reflektiert die eigene Karriere aber auch mit feiner Selbstironie. Und gedenkt "Rest in beats" verblichener Kollegen, steht die junge Crew The Impossebulls schon in den Startlöchern. Das tolle Finale eines Albums, das seine Relevanz auch aus diesen unruhigen Zeiten bezieht – aber vor allem aus Public Enemy selbst.
Highlights & Tracklist
Highlights
- State of the union (STFU) (feat. DJ Premier)
- Public enemy number won (feat. Mike D, Ad-Rock, Run-DMC)
- Fight the power: remix 2020 (feat. Nas, Rapsody, Black Thought, Jahi, YG, Questlove)
- Rest in beats (feat. The Impossebulls)
Tracklist
- When the grid go down (feat. George Clinton)
- GRID (feat. Cypress Hill, George Clinton)
- State of the union (STFU) (feat. DJ Premier)
- Merica mirror (Interlude) (feat. Pop Diesel)
- Public enemy number won (feat. Mike D, Ad-Rock, Run-DMC)
- Toxic
- Yesterday man (feat. Daddy-O)
- Crossroads burning (Interlude) (feat. James Bomb)
- Fight the power: remix 2020 (feat. Nas, Rapsody, Black Thought, Jahi, YG, Questlove)
- Beat them all
- Smash the crowd (feat. Ice-T, PMD)
- If you can't join em beat em
- Go at it (feat. Jahi)
- Don't look at the sky (Interlude) (feat. Mark Jenkins)
- Rest in beats (feat. The Impossebulls)
- R.I.P. Blackat
- Closing: I am black (feat. Ms. Ariel)
Referenzen
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