Róisín Murphy - Róisín machine

Skint / Warner
VÖ: 02.10.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Diktat des Körpers

Es darf endlich wieder getanzt werden. Die letzten Alben der Irin Róisín Murphy waren eher artifizielles Experiment, "mehr Kunsthalle als Club", wie Kollege Mihram anlässlich des letzten Werkes "Take her up to Monto" konstatierte. Man kann sich aber nicht immer nur auf Podiumsdiskussionen und Vernissagen rumtreiben, der Körper braucht Bewegung. Deswegen jetzt " Róisín machine", ein Album, welches die Tanzwütigen wieder einheitlich hinter sich versammelt. 70s-Disco, Wave, House, erlaubt ist, was die Motorik in Schwung bringt. Dass Murphy mit ihrer Stimme wieder mal ihre Vorreiterrolle als Gräfin der Coolness bestätigt, passt obendrein wunderbar zu dieser abgezockten Platte.

Engster Mitarbeiter war erneut Dj Parrot aka Crooked Man, welcher all die schmackhaften Beats um Murphy herumgeschneidert hat. Diese holzen mal feist durchs Dickicht, lassen aber noch viel öfter vor lauter Lässigkeit den Tanzschweiß auf dem Körper gefrieren. Dass für solche Dance-Tracks die Langstrecke der passende Weg ist, haben Murphy und ihr Kompagnon schon lange raus. Vieles erstreckt sich jenseits der fünf Minuten, der Opener "Simulation" gönnt sich sogar deren acht. Und die werden für einen verführerischen Spannungsaufbau genutzt: Eine Introsequenz führt keltische Streicher ein, bevor es mit atmosphärischen Stimmen-Loops in den Keller geht, wo lasziv und lakonisch getanzt wird. Der verspulte Groove, der pumpende Bass und die typischen Tastenklänge des House erschaffen eine Atmosphäre von unterkühlter Ekstase, in der das Stück mit nüchterner Verzückung dahintreibt: "These are my wildest dreams."

Das "Kingdom of ends" kommt dagegen ohne Beat-Apparatur aus, dafür hämmern die Synths, als würden sie sich um einen Job als Percussion-Instrument bewerben. Dazu kommt noch der hohepriesterliche Spoken-Word-Vortrag Murphys, welcher sich von melodischen Chor-Schleifen umgarnen lässt. Melodische Verspieltheit und unnahbare Distanz vermengen sich oftmals zu einem eisigen Fiebertraum. Diese Musik treibt und pusht, immer arbeitet die " Róisín machine" im Vorwärtsgang. Dabei kann sogar ein Gospel ins Spiel gebracht werden, wie in "Something more." Die Glückseligkeit jenes Stückes liegt aber ebenfalls wieder in der tänzerischen Betätigung, das Schlagzeug lockt mit lockeren Beats, die gar kein übermäßiges, melodisches Beiwerk brauchen. Murphys Stimme als Leitstern reicht da völlig.

Überhaupt ist dieses Album eine Ode an den Rhythmus. Das Beste aus Detroit, Ibiza und dem Studio 54 wird aufbereitet. Dabei sind die Klänge der Synthies kristallin und scharf, die Töne einer zwischendurch auftauchenden Funk-Gitarre präzise wie mit dem Messer gezogen. Murphy zelebriert die Endlosigkeit und das Verlorengehen einer Club-Nacht. Die Beats tragen weit, verändern unmerklich ihre Gangart und überführen die Tanzenden in eine allmähliche Ekstase. Die mit erstaunlich viel Soul ausgestattete Nonchalance von "Murphy's law" dient da genauso gut als Erfüllungsgehilfe wie die klirrenden Vocals des abschließenden Funk-Disco-Monsters "Jealousy". Róisín Murphy ist also wieder raus aus dem verkopften Experiment: Auf " Róisín machine" herrscht erfreulicherweise und völlig unverstellt das Diktat des Körpers.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Simulation
  • Murphy's law
  • Jealousy

Tracklist

  1. Simulation
  2. Kingdom of ends
  3. Something more
  4. Shellfish mademoiselle
  5. Incapable
  6. We got together
  7. Murphy's law
  8. Game changer
  9. Narcissus
  10. Jealousy
Gesamtspielzeit: 54:29 min

Im Forum kommentieren

Enrico Palazzo

2020-10-09 11:32:17

Interessantes Album - ich sehe hier gar keine Pophits, sondern eher ein Clubalbum, das ein bisschen in Richtung "Kunstkacke" geht.

Hätte was anderes erwartet, aber jetzt beim dritten Mal hören find ichs ganz gut!

flow79

2020-09-30 09:39:08

Also keine "konkrete Musik" Spielereien mehr? Werd ich anchecken.

Armin

2020-09-29 19:48:01- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2020-09-16 19:52:49- Newsbeitrag

Das Vö-Datum des neuen Róisín Murphy Albums verschiebt sich kurzfristig um eine Woche.
"Rósín Machine“ erscheint nun am 02. Oktober 2020 via Skint / BMG, die LP am 09. Oktober 2020.

parnell17

2020-09-11 11:21:26

Incapable und Narcissus gefallen mir gut. Auch Murphy's Law nistet sich langsam im Gehörgang ein. Something More ist meiner Meinung nach die schwächte Vorabsingle, da dauert es etwas zu lange, bis wirklich was passiert.

Bin dennoch gespannt wie sich das ganze Album als Continuous Mix anhört.

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