Annett Louisan - Kitsch
Ariola / SonyVÖ: 21.08.2020
Betriebsfeier mit Karaoke
Unter konservativen Musikfans gelten so einige Songs als uncoverbar und jeder dennoch unternommene Versuch als verpönt. Besonders trifft das anscheinend auf Werke von Herren-Rockbands aus längst vergangenen Jahrzehnten zu, wenn man eine kurze Recherche im Internet als repräsentativ durchgehen lässt. Annett Louisan hat sich für ihr zweites Coveralbum aber ohnehin keine Klassiker von den Beatles, Led Zeppelin oder Guns N' Roses ausgesucht. Ihre Auswahl für die Louisan-typische, sanfte Grundstimmung von "Kitsch" dürfte trotzdem nicht jedem schmecken. Streng genommen ist die Tracklist aber nicht einmal originell: Von The Cures "Friday I'm in love" über "Eternal flame" von den Bangles bis hin zu "Atemlos durch die Nacht" könnte es sich auch um eine Aufnahme der letzten Versicherungs-Betriebsfeier mit Karaoke um etwa 3 Uhr nachts handeln. Und dennoch hat Louisan offenbar mehr in den Songs gesehen als längst ausgelutschte Vorlagen. Oder eben auch nicht.
Als geübte Karaoke-Künstlerin weiß man: Sich einsingen und das Publikum auschecken ist der erste Schritt, um einen glänzenden Auftritt hinzulegen. So widerfährt es "Hello" von Lionel Richie auf Louisans mittlerweile neuntem Album. Zaghafte und gleichzeitig unpassende dudelt eine Orgel im Hintergrund, während die Sängerin ihre Stimme aufwärmt. Emotional betrachtet bleibt sie dabei allerdings ebenso kalt wie im darauffolgenden und recht platt runtergepredigten "Bitter sweet symphony". Letzteres kommt zudem völlig ohne die beliebten Geigen aus und setzt stattdessen voll auf Salsa-Rhythmus und noch mehr Orgel, hier sogar elektronisch. In einem ganz ähnlichen Sound kommt auch "Words" von F. R. David daher und generell erscheint es auf "Kitsch" meistens so, als hätte Louisan jeden Song mit der gleichen instrumentalen Schablone unterlegt.
Dem Album mangelt es also sowohl an musikalischer Raffinesse als auch am packenden Gesang. Was schade ist, denn Louisans Stimme mit dem charmanten Wiedererkennungswert ist geradezu dafür gemacht, nicht nur eigene Stücke zum Besten zu geben. Nur selten gelingt es ihr jedoch, die Kurve zu kriegen und das Cover nicht bloß nach einem mittelmäßigen Karaoke-Auftritt klingen zu lassen, sondern den Song zu ihrem zu machen. Unter anderem passiert das in "Marleen", was aber möglicherweise auch an Louisans stimmlicher Ähnlichkeit zu Original-Interpretin Marianne Rosenberg liegt. Die Tragik des Songs, der von einer Frau erzählt, die ihren Mann nicht an eine andere verlieren möchte, blüht mit Klavier und Louisans hier erstmals intensivem Gesang auf. Auch "Torn", ansonsten bekannt von Natalie Imbruglia, unterscheidet sich auf "Kitsch" nicht nur stark vom Original, sondern steht der Sängerin aus Hamburg gut zu Gesicht. Für die eigentlich solide Auswahl sind die Glanzmomente auf "Kitsch" damit allerdings sehr rar gesät. Vielleicht sind ja doch mehr Songs uncoverbar als gedacht?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Marleen
- Torn
Tracklist
- Hello
- Bitter sweet symphony
- I want it that way
- Bungalow
- (I just) died in your arms
- Words
- Eternal flame
- Friday I'm in love
- Atemlos durch die Nacht
- Nights in white satin
- Marleen
- Reality
- Torn
- Somewhere over the rainbow
- Bungalow (Single Edit)
Im Forum kommentieren
Petzi79
2020-09-21 22:45:38
An dieser Stelle sei bemerkt, dass
MM13
2020-09-17 19:23:42
stellenweise ist es nicht schlecht,aber finde auch sie hätte mit ihrer stimme mehr aus den songs machen können,da bin ich ganz bei der rezi.
qwertz
2020-09-16 20:14:45
Dann warte mal ab, bis du die von Jochen Distelmeyer gehört hast. ;)
musie
2020-09-16 15:43:22
Es ist aber nicht alles gleich schlimm. Während ich zB Reality oder vielleicht auch noch Bungalow hörbar finde, ist Bittersweet Symphony definitiv die schlimmste Version, welche ich je gehört habe. Gut, ich habe noch keine Cover davon gehört. Aber diese Version hier ist GRAUENVOLL.
Vive
2020-09-16 15:15:46
Tobi Kuhn hat das produziert?
Autsch. Aber naja, er hatte bestimmt die besten Absichten.
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