Sprain - As lost through collision

The Flenser
VÖ: 04.09.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Monolithisch minimal

Wer Sprains EP von 2018 kennt, fällt beim Hören ihres Debütalbums glatt vom Hocker. Die Kalifornier haben in nur zwei Jahren einen Quantensprung von verhuschter Slowcore-Melancholie zu experimentell noise-rockender Post-Hardcore-Ekstase vollführt. Alles, was die Band im Kern ausgemacht hat, ist noch da, nur wurden die Stimmungen in neue Sound-Kontexte überführt. "As lost through collision" betont das Suffix von Slowcore auf berauschende Weise.

"Slant" eröffnet das Album eindrucksvoll mit Flageolett-Gitarren im Geiste von Slint, wechselt dann aber über zu härteren, noise-rockigen Parts, die so sehr an Unwound erinnern, dass der Rezensent hier kurz stutzig wird. Zugeben, es ist nicht originell, was Sprain hier machen, aber wie sie diesen Sound wiederbeleben, ist atemberaubend. Dass die Atmosphäre zudem an frühe Low denken lässt, macht den Track zur spannendsten 90er-Hommage seit Langem. "My way out" bietet den vollen Kontrast zum Opener, lässt die Nähe zum Slowcore wieder ganz konkret werden. Die Band schleppt sich durch die acht Minuten Spielzeit, indem sie um mollgetränkte Akkorde kreist und sie mit Pianotupfern garniert. Kaum hörbares Gemurmel führt einen durch dieses akustisch anmutende Funeral-Doom-Stück im Indie-Gewand und zeigt uns eben keinen Ausweg. Mit "Worship house" wechselt die Band wieder das Tempo und rockt ziemlich straight daher, harsche Dissonanzen weichen immer wieder eleganter Melancholie. Das Stück baut sich auf und mündet in ein Inferno aus Screams, die von einem Free-Jazz-Saxofon simultan gespiegelt werden, was die Gequältheit des Sängers nur noch pointiert.

"Everything" stellt sich als trojanisches Pferd heraus. Der Song beginnt wie eine verschrobene Yo-La-Tengo-Nummer, schwenkt dann aber bald zu hinterhältigem, unkonventionellem Noise-Rock um, der immer wieder Haken schlägt, zwischen Lärm und zartem Slowcore wechselt – und letztlich zu einem Drone wird, der kein Ende nimmt, nur von "Everything"-Geschrei kommentiert wird und nichts als Schutt und Asche hinterlässt. "Constant hum" beschließt das Album mit laut gespieltem Slowcore, der an Codeine erinnert. Rudimentäre Akkorde und stoisches Schlagzeug suchen einen Ausweg aus dem Phlegma. So bäumt sich der Song auf, steht kurz vor der Eruption, fällt dann wieder in sich zusammen. Und bricht dann doch aus, bleibt aber im Slowcore-Rahmen, schafft es nicht, sich aus seinen eigenen Zwängen zu befreien. Die Screams sind so verzweifelt wie nirgends auf dem Album, doch zum Ende hin überraschen die Gitarren mit zaghafter Melodik und vermitteln so etwas wie zögerliche Hoffnung. So meistern Sprain es, monolithisch und minimalistisch zu klingen, leise, aber laut, zart, aber hart zu sein. Sie vereinen Widersprüche zu Katharsis wie kaum eine andere Band momentan und begegnen ihren Vorbildern dabei mindestens auf Augenhöhe.

(Benedikt Stamm)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Slant
  • Worship house

Tracklist

  1. Slant
  2. My way out
  3. Worship house
  4. Everything
  5. Constant hum
Gesamtspielzeit: 45:42 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2023-09-02 12:43:04

Neues Album seit gestern draussen. Thread

u.x.o.

2023-09-01 21:00:14

Oh ja! Das Ding ist so highly influenced by sheer brilliance, ich bin hin und weg. Lief heute exklusiv und wird in den kommenden Wochen in Dauerrotation verbringen.

Ich meine, "Collision" war schon toll seiner Zeit, aber "the lamb of effigy" ist ein ganz anderes Monster!

TOOL99

2023-09-01 20:21:27

Was für ein Brecher, das neue Album...

Der Untergeher

2023-08-23 13:59:09

Ich bin auch sehr auf die langen Songs gespannt! Die Singles sind bisher genau mein Ding. Das geht noch mehr in Richtung Mamaleek oder Ashenspire (auch wenn der Vergleich hinkt). The Flenser bleibt nach wie vor eines der besten Labels, wenn es um experimentelle heavy music geht.

fitzkrawallo

2023-08-23 09:09:31

Neues Album "The Lamb as Effigy" kommt ja am 1. September. Die drei Vorabtracks versprechen viel. Und die Tatsache, dass zwei der weiteren Songs sich bei knapp 25 Minten einpendeln, ist in Einklang mit der Erwartung, dass die Band einen ziemlichen Schritt Richtung Avantgarde/Experiment macht. Auschecken.

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