Kitschkrieg - Kitschkrieg

Soulforce / BMG
VÖ: 07.08.2020
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Weder noch

Ehre, wem Ehre gebührt? Absolut! Nach dem Prinzip dieses Zitats läuft so ziemlich das ganze Ding hier bei Plattentests.de: sehr guten Alben Props geben und richtig schlechte Platten verreißen. Aber dann gibt's ja auch noch die musikalischen Werke, die recht genau dazwischen liegen. Das sind die schwierigsten Rezensionen. Wenn eine Platte die Stimmung kaum verändert – weder nach oben oder unten – ja, was soll man dann sagen bzw. schreiben? Produzentenalben im HipHop haben es traditionell schwer, das muss man berücksichtigen, aber "Kitschkrieg", das Debüt des gleichnamigen Producer-Trios aus Berlin, ist halt tatsächlich relativ lame.

Das bedeutet nicht, dass es keine Glanzpunkte gäbe: etwa das schon seit mehr als einem Jahr bekannte "5 Minuten", bei dem Cro, Trettmann und AnnenMayKantereit mitwirken. Zumindest zwei Namen aus dieser Reihe verheißen per se nicht so viel Gutes und, ja, die Lyrics sind hart an der Grenze zum Kotzenmüssen. Aber nur, bis man anerkennt, dass so manche kredibile Indie-Band (z. B. Isolation Berlin) auch keine anderen Texte schreibt. Sobald das geklärt ist, kann man sich damit abfinden, dass man den Song tagelang im Ohr hat und ihn sogar ziemlich mag. Bei "Oh Junge" verrät schon der Titel einen der beiden Feature-Gäste: RIN. Kool Savas komplettiert die Runde und zeigt seinem Bietigheimer Kollegen, wie Rap geht, wenngleich auch dessen Zeilen ihren Charme haben. Das kann man schon so machen. Auch nicht verkehrt: der ziemlich typische Kitschkrieg-Ohrwurm "Unterwegs", in dem Jamule Seeed zitiert und der Beat hüftschwingend ein paar Bläser integriert. Auch "Titanik" mit Miss Platnum und Materia bleibt gut hängen, wobei der Beat insgesamt wenig nach Kitschkrieg – sondern vielleicht ein bisschen nach Vince Staples' "Big fish theory" – klingt. Das Producer-Tag zu Beginn ruft es wohl deswegen noch mal ins Gedächtnis.

In "Standard" sampelt die Crew – wie schon in Gzuz' "Nur mit den Echten" von "Wolke 7" – ihren Megahit "Knöcheltief" von Trettmanns "#DIY". Neben den beiden genannten Rappern sind auch noch Gringo und Ufo361 am Start. Der Song ist schon ein bisschen älter und weder richtig gut, noch richtig schlecht (siehe Einleitung). Allerdings kann man die Personalwahl mittlerweile schon in Zweifel ziehen, genauso bei "International criminal", das Kitschkrieg mit Bonez MC und Vybz Kartel aufgenommen haben. Ansonsten ist auch das so ein Song, der zumindest musikalisch niemanden stört. Ebenso das düstere "Lambo Lambo", bei dem Trettmann und Peter Fox mitwirken. Richtig scheiße sogar ist hingegen "17:30 Uhr" mit Jan Delay. Wenn eine Stimme im Deutschrap absolut keinen Autotune verträgt, dann die von Eizi Eiz. Auch das elektronische Modeselektor-Feature "Nein Du liebst mich nicht", bei dem auch Crack Ignaz mitmischt, ist in seiner Eintönigkeit einfach nur, tja, eintönig halt.

Lyrisch ganz schlimm ist "Keine Angst", in dem man dem Gesang von Alli Neumann schon anhört, wie sie wohl beim Singen die Augen schließt und das Gesicht verzieht vor lauter "Leidenschaft". Allerdings macht Trettmann seine Sache hier vorzüglich, und in Sachen Instrumentierung ist der Song vielleicht der spannendste Track auf "Kitschkrieg". Auch "Irgendwo" macht mit seiner flott aufklimpernden Gitarre was her, aber Nenas (!) Zeilen jucken niemanden. An dieser Stelle kann Tretti auch nicht mehr helfen. Stellvertretend dafür, wie sich Licht und Schatten auf "Kitschkrieg" mischen und ein sattes wie langweiliges Grau ergeben, steht "Sonora". Max Herre ("Mit Dir steht die Zeit still", nicht wahr?) rappt wie gewohnt im Low-Tempo vor sich hin, der Beat säuselt im Hintergrund, Skinnyblackboy zieht die Geschwindigkeit ein bisschen an, aber am Ende bleibt der Track vollkommen ohne Höhepunkt. Das kann man zwar nicht für das ganze Album behaupten, aber die Stärken werden von den Schwächen eben konsequent ausgeglichen. Ehre, wem Ehre gebührt? Absolut! Aber hier gibt's leider insgesamt nicht viel mehr zu verteilen als ein Gähnen.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • 5 Minuten (feat. Cro, Trettmann & AnnenMayKantereit)
  • Oh Junge (feat. RIN & Kool Savas)

Tracklist

  1. Standard (feat. Trettmann, Gzuz, Gringo & Ufo361)
  2. Unterwegs (feat. Jamule)
  3. 5 Minuten (feat. Cro, Trettmann & AnnenMayKantereit)
  4. Titanik (feat. Miss Platnum & Marteria)
  5. Sonora (feat. Max Herre & Skinnyblackboy)
  6. International criminal (feat. Bonez MC & Vybz Kartel)
  7. Lambo Lambo (feat. Peter Fox & Trettmann)
  8. 17:30 Uhr (feat. Jan Delay)
  9. Nein Du liebst mich nicht (feat. Modeselektor & Crack Ignaz)
  10. Keine Angst (feat. Alli Neumann & Trettmann)
  11. Oh Junge (feat. RIN & Kool Savas)
  12. Irgendwo (feat. Nena & Trettmann)
Gesamtspielzeit: 43:29 min

Im Forum kommentieren

Rainer

2020-09-15 13:08:30

Gott, was für eine nervige Scheißplatte. Wird Zeit, dass der Hype um Trettmann endlich mal sein Ende findet. Ganz üble Entwicklung im ohnehin schon müffelnden Deutschrapgame...

maxlivno

2020-09-05 15:34:31

Fand das Album im großen und ganzen richtig kacke, um ehrlich zu sein. Einzig das Peter Fox Lied gefällt mir, das dafür aber richtig. Hätte von ihm gern ein ganzes Album als depressiver Drogenboss

Armin

2020-09-05 12:23:46- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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