The Dears - Lovers rock

Dangerbird / Membran
VÖ: 21.08.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

End of the world with you

The Dears schließen einen Kreis. Ihr 2003er-Meisterwerk "No cities left" begegnete einer von 9/11 und dem darauffolgenden Irakkrieg in Aufruhr versetzten Welt mit der Vertonung der Apokalypse – und nun, fast 20 Jahre später, zieht "Lovers rock" nach. Wieder gibt es eine globale Krise, wieder schwelgt die kanadische Band im Untergang, auch wenn sie, dem O-Ton ihres Frontmanns Murray Lightburn nach, dieses Mal "a different kind of doom" porträtieren. Der Unterschied manifestiert sich in der kompakteren Form, schließlich kommt das achte Album von The Dears 20 Minuten schneller auf den Punkt als sein spiritueller Vorgänger. Doch im Wesen hat sich ihre Musik natürlich nicht verändert. Der Düsternis der Texte und Songtitel zum Trotz breitet ihr opulenter Indie-Rock britischer Schlagseite wie gewohnt die Arme aus. Die Katastrophe wird nicht mit hängengelassenen Köpfen empfangen, sondern mit weit gespannten Melodiebögen und orchestralen Arrangements regelrecht gefeiert. Es weht auch wieder ein kräftiger Hauch morbider Romantik durch "Lovers rock", die bei Lightburn und seiner Frau Natalia Yanchak nach Jahrzehnten künstlerischer wie privater Partnerschaft wohl einfach dazugehört. Mit einer geliebten Person an der Seite blickt man dem drohenden Ende doch gleich viel entspannter entgegen.

Auf einem wackligen Piano-Stakkato bauend droht "Heart of an animal" gleich zu Beginn die Haltung zu verlieren, doch mächtige Gitarren und ein beständiger Schlagzeug-Wumms fangen den Song schnell wieder auf. The Dears ziehen einen hymnischen Refrain hoch, lassen ihn im Mittelpart samt Tempowechsel zusammensacken und schaffen damit wieder einen ausgezeichneten Spagat zwischen ausladender Struktur und melodischer Zugänglichkeit. "I know what you're thinking and it's awful" trägt die Dramatik des Openers weiter, kommt als von Synthies vernebeltes Klavierstück allerdings weitaus zärtlicher daher – da hilft auch das Muskelspiel eines plötzlich durch den Track schneidenden Reverb-Solos nichts. "It's like we'll never wake up", singt Yanchak daraufhin im programmatischen "Instant nightmare!", begleitet von dicken Streicherwänden und noisigen Sechssaitern, die bis ins spätere "No place on Earth" nachhallen. Auch das größte Albumhighlight "The worst in us" deutet ein paar Rock-Gesten an und haut eine der absolut besten Melodien im Bandkatalog raus, ehe ein Drum-Solo und gedämpfte Tastenanschläge den Song in eine unerwartete, atmosphärische zweite Hälfte tragen. Grandios.

Mit ihrem Kernsound überraschen The Dears niemanden mehr, aber solange sie regelmäßig solche kleinen Spielereien einweben, müssen sie das auch nicht. "Is this what you really want?" kalligraphiert eine Gitarrenlinie zwischen Jangle- und Dreampop und umgarnt sie mit dezenten Keys und Saxofon-Akzenten. Lightburns charakteristische Stimme wird gerne mit Morrissey verglichen, doch erinnert er vielmehr an einen souligeren Bruder Damon Albarns. Das perkussiv geschäftige "Stille lost" weckt mit seinem fiebrig-konfusen Vibe weitere Assoziationen zu Gorillaz oder den späten Blur und lässt das Sax – hier gespielt von E-Street-Band-Bläser Jake Clemons – komplett durchdrehen. Leider hängt "Lovers rock" kurz vorm Finale auf hohem Niveau durch, weil sich "Play dead" und "Too many wrongs" in etwas zu bequeme Easy-Listening-Gefilde begeben. Als wären sich The Dears dessen selbst bewusst, fahren sie einen besonders epischen Closer auf. "We'll go into hiding" versammelt gefühlt das ganze Instrumentarium der vorigen Platte, während Lightburn ein paar optimistische Schlussworte findet: "We're leaving this place tonight / Building a better future / It's gonna be alright." Nicht jeder Untergang muss ein endgültiger sein.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I know what you're thinking and it's awful
  • The worst in us
  • Stille lost

Tracklist

  1. Heart of an animal
  2. I know what you're thinking and it's awful
  3. Instant nightmare!
  4. Is this what you really want?
  5. The worst in us
  6. Stille lost
  7. No place on Earth
  8. Play dead
  9. Too many wrongs
  10. We'll go into hiding
Gesamtspielzeit: 42:49 min

Im Forum kommentieren

Marvin

2020-09-15 10:47:55

Ich hab ja nichts mit den Bewertungen meiner KollegInnen am Hut. Ich hätte dem Album keine 6 gegeben, sondern bedeutend mehr.

Pivo

2020-09-15 09:57:56

Ich zitiere aus der Kritik:

"Ihr 2003er-MEISTERWERK "No Cities left"....
….hat bei PT damals eine unglaubliche 6/10 abgestaubt....




War das jetzt Ironie oder sind 6er schon Meisterwerke...?? Dann sollten einige Alben der letzten Zeit bitte auf Meisterwerk-Status zurückgestuft werden... ;-))

Gordon Fraser

2020-09-05 13:59:49

Schön, dass es doch noch rezensiert wurde. "The Worst In Us" auch für mich das klare Highlight und einer meiner liebsten Songs dieses Jahres bislang.

Armin

2020-09-05 12:20:29- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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