The Waterboys - Good luck, seeker

Cooking Vinyl / Sony
VÖ: 21.08.2020
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Toy stories

Bei hartgesottenen The-Waterboys-Fans genießt Mike Scott sicher Narrenfreiheit. Wenn man es sich recht überlegt, trifft das vermutlich auf jeden Die-hard-Fan jedes Künstlers zu. Aber der The-Waterboys-Frontmann barg in der jüngeren Vergangenheit einiges an durchaus differierenden Songs aus seinem Fundus und gab seinen Anhängerinnen und Anhängern somit viel Output zur Verarbeitung. "Good luck, seeker" ist die nächste dieser Episoden: das seit 2015 bereits fünfte Album der Briten. "In diesen Tagen gehe ich einfach in mein Studio, öffne den Computer, an irgendetwas arbeite ich eigentlich immer. Ich bin wie ein Kind in einem Spielzeugladen. (...) Ich habe nur Musik gemacht und plötzlich realisiert, dass ich ein Album habe", gibt Scott anlässlich der Veröffentlichung des jüngsten Werks bekannt. Sogar von Magie ist die Rede.

Wir destillieren daraus mal die Worte "irgendetwas", "Spielzeugladen", "plötzlich" und sind dann auch schon mittendrin in der Beschreibung des 14. Studioalbums. Die Konstante in diesem Spielzeugladen an Genre-Verweisen bleibt Scott. Als Songwriter, Mastermind und einzig verbliebenes Gründungsmitglied dreht sich hier viel um den The-Waterboys-Kopf, seine gereifte Stimme, seine Erzählungen und Erzählweise – das macht die Platte in Gänze aber nicht kongruenter. Wie der Titel des Openers bereits erahnen lässt, hantiert "The soul singer" mit Soul-Elementen. Dass es vermutlich um Van Morrison geht, ist zweitrangig, dass die Bläser ganz hübsch eingesetzt sind: geschenkt. Scotts Fauchen und die eher leidlich galanten Backing-Stimmen aber wirken vielmehr wie passionslose und zudem wenig songdienliche Stereotype. "He's been around for 50 years / Every crease of his face is a souvenir."

Mit "(You've got to) kiss a frog or two" folgt angefunkter Simply-Red-R'n'B. Eigentlich ein sehr hübscher kleiner Song über die Suche nach dem richtigen Partner, verpackt in märchenhafte und hollywoodreife Bilder, sogar denkbar dehnbar auf den Musiker Prince, allerdings musikalisch nach einer Minute auch schon auserzählt. "Low down in the broom" widmet sich schottischem Folk. Die letzten Sekunden aber befremden, wirken wie ein komplett anderer Song. Der kommt jedoch erst ein paar Momente später. Für "Dennis Hopper" heult das Motorrad zu Beginn auf, damit der "Easy rider" mit Hammond-Orgel und dezentem Rock unterm Po losdüsen kann. Dazu reimt Scott äußerst penetrant so ziemlich alles auf "Hopper", was der englische Wortschatz hergibt. Immerhin: Zeit, sich darüber zu ärgern, bleibt wenig. Neues Stück, neues Genre, neue Chance der erwiderten Liebe. Und so covern The Waterboys durchaus gelungen und würdevoll Kate Bushs "Why should I love you?".

Auf der "Freak street" sind wir inzwischen in den frühen Neunzigern bei Big-Beat-Britpop angekommen. Später werden wir Scotts Stimme nebulös roboterhaft im psychedelischen "The golden work" hören und uns denken, dass der Beat zu Beginn von "Postcard from the Celtic dreamtime" möglicherweise auch im Café del Mar laufen könnte, wenn Baz Luhrmann rechtzeitig "sunscreen" verteilt. Aber der Song über einen Sturm an der irischen Küste ist ohne Zweifel ein sehr gelungenes Beispiel für Scotts lyrische Spoken-Word-Erzählungen, die mit fortlaufender Dauer des Albums ebenso wie programmierte Rhythmen eine noch stärkere Rolle einnehmen. Dass so ein Stück auf das fulminante Fiddle-Rock-Epos "My wanderings in the weary land" folgt, zeigt aber auch, dass im Spielzeugladen schon langer niemand mehr aufgeräumt hat.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Why should I love you?
  • My wanderings in the weary land
  • Postcard from the Celtic dreamtime

Tracklist

  1. The soul singer
  2. (You've got to) kiss a frog or two
  3. Low down in the broom
  4. Dennis Hopper
  5. Freak street
  6. Sticky fingers
  7. Why should I love you?
  8. The golden work
  9. My wanderings in the weary land
  10. Postcard from the Celtic dreamtime
  11. Good luck, seeker
  12. Beauty in repetition
  13. Everchanging
  14. The land of sunset
Gesamtspielzeit: 46:37 min

Im Forum kommentieren

kingbritt

2020-09-02 17:09:49


eclipsed, Sept. 2020 Seite 96, schöne Rezi und 7,5/10. Wäre auch meine Wertung.

kingbritt

2020-08-31 21:21:25


. . . danke für dein Feedback. Mike Scott's the Waterboys gibt es seit gut 40Jahren und was den Sound der Band bzw. man die Band immer noch dingfest macht sind die drei "großen" Alben der 80'er mit ihren Hits. In den 90'ern noch ein paar nette Alben "Dream Harder", aber vom Sound her doch sehr beständig und ja, immer irgendwie ähnlicher Aufwasch alter Melodien und Strukturen. Daher fand ich es schon bemerkenswert, was ich da jetzt mit "good luck, seeker" zu hören bekam. Da mag jetzt vielleicht unaufgeräumt im Sinne einer klaren Vorstellung von einer Struktur, bzw. Aufbau eines Albums zu sein, ist aber doch bunter und vielseitiger. Das liegt mit Sicherheit an den Produzenten Duo Puck Fingers und Brother Paul, die da wohl auch einigen Freiraum hatten und wegen mir auch teil "altes" Material in die Hände bekamen. Nein, ich bin froh das auch mal etwas "gewagt" wird, auch wenn es letztendlich nicht für den klassischen the Waterboy-Fan perfekt ist. Und Mike Scott ist auch nicht mehr der allerjüngste. Man sollte bei den vielen perfekten Alben die hier besprochen werden auch immer ein wenig bei den Künstler in ihrem Kontext bzw. Bandhistorie abwägen. Danke.

Stephan

2020-08-31 20:32:35

@Kingbritt:
Dass du mit Rezi und Wertung nicht konform gehst, ist natürlich vollkommen ok.
Nur vielleicht noch zwei ergänzende Punkte: Ich habe mich für die Platte gemeldet, da ich die Band grundsätzlich mag und gerade auch nach der Vorabsingle "Bock auf die Musik" hatte.
Dann geht es mir aber wie dreckskerl: Drei Songs höre ich sicher gerne wieder, den unspannenden Rest aber nicht. Das hat auch nix mit "Abrechnung einer Legende" zu tun. Von mir aus kann Scott mit 103 Jahren noch eine Rave-Platte machen. Fände ich das gut, würde ich das dann auch genauso schreiben. In diesem Fall funkt es bei mir leider nicht.

kingbritt

2020-08-30 22:06:49


https://www.lowbeats.de/the-waterboys-good-luck-seeker-das-album-der-woche/

"Alles zusammen: ein prachtvolles Album, das diesen Waterboy von der schottischen Ostküste in seiner ganzen musikalischen und emotionalen Bandbreite als Rocker, Feingeist und Melancholiker porträtiert."

Hogi

2020-08-30 20:23:47

Kommt schon hin, mehr als 6/10 gibt es bei mir auch nicht. Dafùr ist dass Album ejnfach zu inkonsistent und unausgegoren. Das kann Scott deutlich besser.

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