Tricky - Fall to pieces

False Idols / Indigo
VÖ: 04.09.2020
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Die abwesende Stimme

Und auf einmal wird alles schwarz. Die britische Alleskönner-Ikone Tricky musste den Tod seiner Tochter Mazy, ebenfalls talentierte Musikerin, verkraften. Kein Wunder, dass das neue Werk "Fall to pieces" heißt. Doch eines fällt schnell auf. Trotz vorherrschender Melancholie, die in seltenen Fällen auch mal in Verzweiflung übergeht, besitzt dieses Album eine gute Portion Hoffnung, die gelassen dem Schicksal entgegenblickt. "Close now" ist sogar postitv-kämpferisch: "Don't let it get you down" heißt es da eingängig, umflort wie so oft in der Verganheit von der sanft fließenden Stimme Marta Zlakowskas. Eigentlich wollte Tricky den Gesang seiner verstorbenen Tochter aus dem Archiv auf dieses Album bringen, doch stellte er fest, dass er dies nur schwer ertragen konnte. Deswegen werden die meisten Tracks von der Polin Zlakowska bereichert, welche Tricky anfänglich spontan für einen Tourneeauftritt aus einer naheliegenden Bar rekrutierte.

Und diese Spontanität und vielleicht auch Sprunghaftigkeit ist, wie so oft bei Tricky, auch hier zu spüren. Die Stimmungen auf der Platte gehen durcheinander, der Spannungsaufbau ist mal wieder recht abenteuerlich, wobei festzustellen ist, dass noisige Ausbrüche dieses Mal fast komplett ausgespart bleiben. Das beste Stücke, "Hate this pain", ist ein resignatives Mantra, dessen Sprechgesang vom Meister selbst stammt und über einem Piano-Loop von der bohrenden Ausweglosigkeit existentiellen Schmerzes meditiert. "Chills me to the bone" ist dagegen fast schon handelsüblicher Pop mit klarer Schlagseite in Richtung R'n'B. Gernerell sind die Ausflüge in Richtung konventioneller Pop-Musik auf "Fall to pieces" zwar kein Reinfall, bleiben aber etwas blass, da sie nur standardisierte Kompositions-Ansätze bieten. Dies gilt auch für das Disco-affine "Fall please", dessen Gesangsspuren doch recht unmotiviert auf die Tanzfläche locken wollen.

Doch dieses Album scheint an anderer Stelle hell. Das bewusst schlichte "Thinking of" mit sediert sinnendem Gesang, entfernten E-Gitarren-Fetzen und einem stoischen Beat kreiert ein Bild verlassener Straßenzüge und tiefgreifender Einsamkeit. Auch die Vocals von "Take me shopping" tragen viel zur melancholischen Atmosphäre bei, auch wenn diese von hartnäckig im Hintergrund reibenden Gitarren begleitet werden. Der Beat dazu ist bekanntes TripHop-Terrain, eine der gar nicht mal so vehementen Reminiszenzen an die Vergangenheit des Engländers. Das übergeordnete Gefühl von "Fall to pieces" ist also das einer gedämpften Traurigkeit, doch macht die Helligkeit in Zlakowskas Stimme in "Like a stone" im Kontrast zu Trickys düsterem Timbre eben auch einiges an Milde greifbar. Und so ist Trickys 14. Studioalbum eben nicht der durchgängig düstere Brocken, der zu erwarten gewesen wäre. Denn trotz omnipräsenter Trauerarbeit besitzt "Fall to pieces" Lichtschimmer und, verstörenderweise, eine gewisse Leichtigkeit. Er kann sie gebrauchen.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Thinking of
  • Hate this pain
  • Take me shopping

Tracklist

  1. Thinking of
  2. Close now
  3. Running off
  4. I'm in the doorway
  5. Hate this pain
  6. Chills me to the bone
  7. Fall please
  8. Take me shopping
  9. Like a stone
  10. Throws me around
  11. Vietnam
Gesamtspielzeit: 30:30 min

Im Forum kommentieren

Vive

2020-08-31 15:47:05

ich hab gerade gesehen, dass er eine autobiographie mit dem titel "hell is around the corner" veröffentlich hat, die hab ich mir jetzt gerade geholt, und nach 10 minuten bin ich schon voll im feeling drin. das löst jetzt mal das mark lanegan-buch ab, das ich ohne witz viermal gehört habe. ist auch wieder 11 stunden lang. YEAH.

Vive

2020-08-31 15:13:56

die zwei songs, die es schon zu hören gibt, gefallen mir wahnsinnig gut. er klingt fitter denn je. tragische geschichte, das mit seiner tochter. bin gespannt auf das ganze album.

Armin

2020-08-30 19:31:57- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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