Kelly Lee Owens - Inner song

Smalltown Supersound / Cargo
VÖ: 28.08.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Aus der Mitte entspringt ein Fluss

Aus der inneren Tiefe geboren. Kelly Lee Owens, eines der verheißungsvollsten Talente im weiten Spektrum elektronischer Musik, ist in sich gegangen und hat für ihr zweites Album "Inner song" einiges zu Tage gefördert. Nicht mehr der stromlinienförmige Genuss soll das Hörerlebnis dieser Platte prägen, sondern eine Konfrontation mit vielen verschiedenen emotionalen Zuständen und Affekten. Dies führt dazu, dass "Inner song" schwer zu labeln ist. Klar, Techno und Tech-House geben bei einer Großzahl der Songs das taktile Rückgrat, aber darüber hinaus sind Ambient-Pop und Art-Pop auch Anlaufstellen. Und so wandert dieses Album gerne zwischen treibenden Dance-Tracks und einer milchzarten Elegie hin und her, mag sich nicht wirklich festnageln lassen auf ein übergeordnetes Gefühl. Und da, wo gerade noch ein in nostalgischer Vergeblichkeit badender Abgesang das Herz schmelzen ließ, kommt ein selbstbewusster Beat um die Ecke, der die Melancholiker mit viel Witz zur Tanzfläche treibt, so geschehen in "On".

Persönliche Vorlieben spielen für Owens eine wichtige Rolle, die Waliserin will sich ein Stück weit öffnen. Alte Helden sind gefragt. So covert Owens gleich zu Beginn des Albums Radioheads "Arpeggi", setzt den Fokus auf schwirrende Synths, die einen neuralgischen Punkt in immer größerer Reibung umschwirren. Doch wie gesagt, Owens verweigert sich so manches Mal der kraftvoll pumpenden Erlösung, sodass in diesem Fall ein defensiv-trockener Beat die steigende Spannung eher kommentiert als auflöst. Auch John Cale, als Avantgarde-Legende quasi walisisches Gemeingut, findet sich auf dieser Platte wieder, leiht dem verzagten "Corner of my sky" seine gepeinigte, waidwunde Stimme. Hier erreicht dieses Album genau die verletzliche Innerlichkeit, auf die Owens es abgesehen hatte. Nichts ist hübsch, so mancher Klang steht windschief da, und Cales Beitrag sorgt für eine wunde Gänsehaut in den Gehörgängen.

Doch es gibt eben auch das Offensive, das Gefällige, das Treibende. "Night" geht recht unumwunden nach vorne, der Gesang schmiegt sich subtil an, während geschmackvolle Drums und Sound-Patterns für einen reibungslosen Schub sorgen. Auch "Jeanette" ist ziemlich glatt runtergehendes Techno-Gold, der Bewegungsdrang wird in fein schillernde Formen gegossen. Doch findet man eben auch Stockungen und Brüche. Der Ambient-Pop von "Re-wild" lehnt sich mit seiner fragilen Struktur an einen futuristischen R'n'B an, auch hier ein neurologisches Knistern entfachend. "L.I.N.E." hingegen ist schlicht und ergreifend wolkige Pop-Perfektion, gleitet und schwebt auf einen tragfähigen Refrain zu, der sich jedoch voll und ganz seiner Leichtigkeit bewusst ist. So wechselt die Gangart immer wieder von druckvoll hin zu federleicht, und gerade diese Kontraste zeigen auf, dass es Kelly Lee Owens gelungen ist, ein vielfältiges, facettenreiches Bild ihres Innenlebens zu zeichnen, dargeboten in betörenden Songs zwischen Wumms und Weichheit.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • On
  • L.I.N.E.
  • Corner of my sky

Tracklist

  1. Arpeggi
  2. On
  3. Melt!
  4. Re-wild
  5. Jeanette
  6. L.I.N.E.
  7. Corner of my sky
  8. Night
  9. Flow
  10. Wake-up
Gesamtspielzeit: 49:56 min

Im Forum kommentieren

peter73

2023-04-19 14:14:21

schwanke immer zwischen dem debut und "inner song" - beide großartig, hier sind v.a. "night", "on" oder "jeanette" nach oben hin auffällig.
8,5/10

saihttam

2021-05-25 00:11:51

Mir gefällt es auch sehr. Der Vorgänger ist vielleicht noch etwas sphärischer, aber auch top. Sehr spannende Künstlerin, die ich auch gerne mal live sehen würde.

Affengitarre

2021-05-21 22:52:39

Echt schönes Album. Hat auch ne schöne Balance aus den eingängigeren, poppigeren Momenten und den etwas ausschweifenderen Parts. Bin gespannt, ob der Vorgänger auch so gut ist.

myx

2021-02-08 21:26:10

Ansichtssache. ;)

Klaus

2021-02-08 21:23:18

Finde das auch super. 7,5 auf jeden Fall :) der track mit John cale aber eher nicht.

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