
Aluna - Renaissance
Mad Decent / Because / UniversalVÖ: 28.08.2020
Nur die alten Tänze?
Eigentlich ist Aluna Francis nicht für Mogelpackungen bekannt. Als sie mit AlunaGeorge, ihrem maximal unverklausuliert benannten Duo mit George Reid, das Debüt "Body music" veröffentlichte, bekam die Welt genau das: Musik für tanzende, verschwitzte Körper. Doch von ihrem George gelöst unterläuft Aluna alle Erwartungen, die der Titel ihres ersten Solo-Albums schürt. Eine "Renaissance" findet hier mitnichten statt, die Londonerin bewegt sich nach wie vor in ihrer Komfortzone zwischen 2-Step und R'n'B. Das ist nicht grundsätzlich schlimm, schließlich wurden genau an dieser Schnittstelle solche Überhits wie "Attracting flies" oder die famose Disclosure-Kollabo "White noise" geboren, die auch Nicht-Genre-Fans begeisterte Muskelzuckungen einbrachten. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass genau für diese Art von Musik Francis' Herz am hellsten brennt, forderte sie etwa zuletzt in einem leidenschaftlichen offenen Brief mehr Inklusion in der Dance-Szene. Doch weder erreicht "Renaissance" die Hitdichte der beiden AlunaGeorge-Platten, noch kann es eine Tendenz aufhalten, die sich bereits mit Disclosures Zweitling "Caracal" andeutete: Ein wenig erscheint die Geschichte dieses modernen Stils anspruchsvollerer britischer Clubmucke auserzählt.
Ein weiteres großes Problem ist das misslungene Sequencing. Löblich, dass Francis das im Pop übliche "front loading" umgehen will, aber müssen deshalb die ersten vier Songs gleich die vier egalsten sein? "I've been starting to love all the things I hate" gibt noch einen recht stimmungsvollen Opener ab, aber Tracks wie das von SG Lewis mitproduzierte "Warrior" oder "Envious" verschwimmen so ungreifbar wie die Erinnerung an gefüllte Tanzflächen. Erst "Don't hit my line" lässt Synth-Bass und Percussion mit gewohntem Nachdruck ihr Bewegungsgift injizieren. Natürlich hat die 32-Jährige ihre Trademarks keineswegs verlernt: mitreißende, aber nicht plumpe Beats, zu denen diese süßlich hypnotische Stimme gleichermaßen Kontrast wie Komplement bildet. Vor allem "Body pump" legt davon Zeugnis ab, indem es nicht nur den größten Hit des Albums darstellt, sondern auch zeigt, was sich so alles in einen vierminütigen Dance-Track pressen lässt: atmosphärische Zwischenpassagen, im Hintergrund pfeifende Synthies und ein animalisches Finale mit gesanglicher Vollverausgabung. In einer etwas gestraffteren Form und auf seine Stärken fokussiert hätte "Renaissance" durchaus komplett überzeugen können, aber in den insgesamt 14 Stücken gibt es leider zu viele Redundanzen.
Das ist deshalb so schade, weil Francis den etwas offeneren Ansatz von "I remember" auch ohne Kollege Reid weiterdenkt und ihren Kernsound um ein paar neue Nuancen und Eigenarten erweitert. Wieder spielen die Feature-Gäste dabei eine entscheidende Rolle: Producer Kaytranada und Rapper Rema formen das herrlich luftige "The recipe" zu einem Wachtraum zwischen Strandparty und Großstadtnacht, während Princess Nokia in der Dancehall-Annäherung "Get paid" die Show stiehlt. Auch ganz auf sich gestellt überrascht Francis, wenn sie im atmosphärisch reduzierten Electro-Pop von "Off guard" den leeren Raum unter der Discokugel mit leiseren Emotionen füllt. Generell gestaltet sich die zweite Albumhälfte spannender und experimentierfreudiger als die erste, was im Abschlussdoppel kulminiert. Einen organischeren Song als "Surrender", das mit verkapptem Reggae-Rhythmus um Gitarre, Bass und Orgel schlendert, hat Aluna weder mit noch ohne George bisher geschrieben. Das mysteriöse, nur zweiminütige "Whistle" schwebt zwischen Portishead'schem TripHop und Bond-Ballade und katapultiert seine Synthies schließlich ins Weltall. Beide Closer wirken nicht vollends ausgereift, doch deuten sie mit großer Geste ein kreatives Potenzial an, das die junge Mutter in Zukunft noch ausschöpfen kann. Eine kleine Wiedergeburt schlummert letztendlich doch in "Renaissance".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Don't hit my line
- The recipe (with Kaytranada) (feat. Rema)
- Body pump
- Off guard
Tracklist
- I've been starting to love all the things I hate
- Warrior (feat. SG Lewis)
- Sneak
- Envious
- Don't hit my line
- Get paid (with Princess Nokia & Jada Kingdom)
- The recipe (with Kaytranada) (feat. Rema)
- Body pump
- Ain't my business
- Off guard
- Back up
- Pressure
- Surrender
- Whistle
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Armin
2020-08-23 20:18:34- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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